Kurz darauf verpasste Weiß dann auch noch die Abwicklung ins Remis und verlor schließlich seinen Läufer gegen den e-Bauern und damit die Partie.
Ein super Einstieg ins Turnier also, auch wenn er schachlich noch etwas wacklig war. Dem wollten wir entgegenwirken, indem wir fortan jeden Tag vor der Runde (16 Uhr) noch knapp zwei Stunden Tennis spielten. Diese Maßnahme erzielte den gewünschten Effekt: Auch in Runde zwei konnten wir beide unsere Partien gewinnen, obwohl Collin schon wieder mit Schwarz gegen den baldigen GM Tomas Kraus spielen musste. Dass er gegen diese Gegnerschaft mit 2/2 starten würde, hätte er wohl kaum zu träumen gewagt.
In der folgenden Runde stellte ich leider im 40.Zug meine eigentlich sehr gute Partie gegen den erstgesetzten GM Vignir Stefansson hin, doch Collin war weiter nicht zu bremsen. Gegen den polnischen IM Kaczmarek zeigte er, dass er auch mit Weiß gefährlich ist, und zerlegte einen Najdorf mit der Colbow-Spezialvariante.
Die vierte Runde war dann vielleicht die Schlüsselpartie des Turniers für Collin. Seine Partie gegen GM Gretarsson war kompliziert, doch der Isländer hatte weitesgehend die Oberhand. In beiderseitiger Zeitnot konnte Collin das Blatt zunächst wenden, bis er sich verrechnete und einen wichtigen Bauern verlor. Doch die Schachgöttin war Collin wohlgesonnen. Anstatt im 38. Zug noch einmal die Züge zu wiederholen und seine Gewinnstellung nach der Zeitkontrolle in Ruhe zu genießen, versuchte sein Gegner, ihn unter Druck zu setzen, musste dann aber selbst im 40. Zug noch eine Entscheidung treffen. Dies misslang völlig, und unter Kopfschütteln stellte der Großmeister nach der Zeitkontrolle fest, dass plötzlich nur noch er Verlustchancen hatte. Das entstandene Endspiel war noch haltbar, praktisch jedoch sehr schwierig, und letztlich konnte Collin seinen nächsten vollen Punkt einstreichen. Viel besser als mit 4 aus 4 bei drei Schwarzpartien kann man wohl nicht starten!
Ich konnte in der vierten Runde ebenfalls eine gute Partie gewinnen und war mit 3 aus 4 auch recht optimistisch. Ich würde aber noch ganze drei weitere Siege zur Norm holen müssen, während es Collin nach seinem Sensationsstart bereits reichen würde, den Rest zu remisieren. Die nächsten Runden verliefen auch zunächst ruhiger. Ich holte gegen die beiden übrigen Großmeister mehr oder weniger solide Schwarzremis, während Collin erst gegen GM Tomas Polak eine gute Stellung nicht verwerten konnte und anschließend mit einem Remisangebot zum richtigen Zeitpunkt eine leicht kritische Stellung sicherte.
Die siebte Runde sollte jedoch eine tragische werden. Collin verteidigte eine unangenehme Stellung gegen IM Filip Haring bis spät ins Endspiel, wo er unter Zeitdruck fehlgriff und sich geschlagen geben musste. Ich hatte eine äußerst vielversprechende Stellung mit Weiß, kam jedoch letztlich nicht über ein Remis hinaus und musste mich damit leider schon vorzeitig von meinen Normchancen verabschieden.
Collin brauchte nun also wieder aus seinen letzten beiden Partien einen Sieg. Hierfür standen erst eine Schwarzpartie gegen GM Hannes Stefansson und dann eine Weißpartie gegen FM Ondrej Svanda auf dem Programm, logisch also, dass ein Remis in der achten Runde absolut akzeptabel gewesen wäre. Doch schon in der Eröffnung wurde klar, dass sich bereits jetzt ein scharfer Kampf entwickeln würde. Stefansson eröffnete mit e4 und wählte gegen Collins Sizilianisches Vierspringerspiel eine sehr zweischneidige Fortsetzung mit entgegengesetzten Rochaden. Es war also an der Zeit, den Schalter umzulegen und anzugreifen! Und auf einmal funktionierte alles. Mit einem brilliant geführten Damenflügelangriff nach sizilianischem Muster zerlegte Collin den erfahrenen Großmeister regelrecht und war damit schon vorzeitig zurück auf Normkurs. Die Analyse seiner Glanzpartie findet sich ebenfalls unten im Anhang.
In seiner letzten Partie ließ Collin dann mit Weiß nichts mehr anbrennen und sicherte sich seine erste GM-Norm! Eine absolut überzeugende Leistung, mit einem wahrlichen Meisterwerk gerade zur rechten Zeit. Wenn er so weiter macht, sollten die nächsten Normen sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Als Bonus gab es noch den Turniersieg mit einem beachtlichen Pokal. Davon konnte ich auch noch einen mitnehmen, ein Punkt aus den letzten beiden Runden reichte zumindest zum geteilten zweiten Platz. Insgesamt also mal wieder ein tolles Turnier in Budweis!
Auch unser Trainer ist von den Leistungen der Jungs sehr angetan "Collin hat in den letzten vier Monaten zwei IM und eine GM Norm gemacht! Eine super Leistung, dieser Normen-Hattrick! Jari hat in der Tschechien zwei sehr gute Turniere gespielt. Den Beiden ist es gelungen, sehr sehenswerte Partien gegen starke GMs zu gewinnen. Insgesamt haben unsere Jugendlichen und Junioren eine sehr erfolgreiche Saison gehabt, was natürlich sehr erfreulich ist." (David Lobzhanidze).