Werder mit gelungenem Auftakt in die Bundesligasaison

6,5 : 1,5 gegen Lister Turm Hannover
Schach
Montag, 30.10.2023 / 18:21 Uhr

Jari Reuker

Zum Saisonauftakt reiste unsere 1. Mannschaft am vergangenen Wochenende wie schon im Vorjahr nach Kirchweyhe, wo wir im erst kürzlich fertiggestellten Vereinsheim unseres Reisepartners auf den Aufsteiger HSK Lister Turm Hannover sowie den Werderschreck der vergangenen Jahre, den USV TU Dresden, trafen. Mit von der Partie waren auch schon zwei unserer Neuzugänge: Der junge serbische GM Velimir Ivic lief am ersten, GM Bobby Sky Cheng aus Australien am sechsten Brett für uns auf. Mit diesen vielversprechenden Verstärkungen hatten wir 4 Punkte zum Auftakt fest im Blick.

Am Samstag war gegen die Hannoveraner, die mit ihrem gegenüber der Vorsaison praktisch unveränderten Aufstiegsteam sicherlich der große Außenseiter der Liga sind, ein Sieg Pflicht. Doch zunächst entwickelte sich der Kampf zäh, denn während an den vorderen Brettern kein großer Vorteil in Sicht war, trafen Lucas und Bobby an den Brettern 5 und 6 in der Eröffnung extrem interessante, aber doch auch riskante Entscheidungen und hatten gewisse Probleme zu lösen. Der Lister Turm war offensichtlich nicht angereist, um Punkte zu verschenken.

Während Zahar und Alexander sich in der Tat alsbald mit ihren Kontrahenten auf Friedensschluss einigten, kamen ich und Nikolas, dem jedoch schon früh gravierender Zeitmangel zu diagnostizieren war, in der Eröffnung in großen Vorteil. Sein Gegner David Höffer, in Bremer Kreisen bestens bekannt für sein praktisches Geschick, versuchte sich die knappe Zeit zu Nutze zu machen, indem er Bauern und Springer opferte, um Nikolas König an den Kragen zu gehen. Dieser blieb jedoch eiskalt, nahm alles weg und verließ genau im richtigen Moment mit dem König das brennende Haus, womit er den ersten vollen Punkt für uns einfahren konnte.

Ich selbst verwaltete meinen Vorteil am achten Brett gut und mein junger Gegner Sreyas Payyappat sah sich genötigt, eine Figur für sehr fragliche Kompensation zu geben. Nachdem ich mich jedoch gegen praktisch einfachere Gewinnwege entschieden hatte, wurde es in gegenseitiger Zeitnot nochmal kompliziert. Mit Sekunden fand mein Gegenüber aber keine Lösung und überschritt in Verluststellung die Zeit.

Inzwischen hatte auch Velimir die Scheinaktivität seines Gegners am Spitzenbrett entschärft, überspielte ihn mithilfe des Läuferpaars und sicherte souverän den vierten Punkt. Des Weiteren hatte sich auch Laurent am zweiten Brett durch starke Endspielführung eine dominante Stellung erarbeitet. Er wickelte unter dem Druck der Uhr verfrüht in eine Stellung mit ungleichfarbigen Läufern und Türmen ab, welche zwar ebenfalls zu gewinnen gewesen wäre, doch nach überstandener Zeitkontrolle stand Weiß plötzlich mit leeren Händen da und musste sich widerwillig mit Remis begnügen.

Zurück also zu Lucas und Bobby, die in ihren äußerst komplexen Stellungen inzwischen auch die Oberhand ergriffen. Bobby hatte zunächst einen Läufer gegen ganze vier Bauern von Jan Pubantz. Die Stellung war für beide Seiten schwierig zu spielen, doch durch geschickte Abtäusche gelang es Bobby, seine Mehrfigur immer stärker zur Geltung zu bringen. Sein Druck wurde so groß, dass er einen Bauern nach dem anderen eroberte und schließlich erfolgreich zum Mattangriff überging.

Lucas verpasste vor der Zeitkontrolle vielversprechende Möglichkeiten und nach der Zeitkontrolle hätte Weiß die Stellung womöglich halten können. Wie so oft im Schach machte er jedoch ausgerechnet im 41. Zug einen großen Fehler, wonach Lucas mit der Endspielmassage beginnen konnte. Letztendlich konnte er seinen massiven Raumvorteil knappe 30 Züge später zum Sieg führen. Angesichts dieses sechsstündigen Marathons ist es kein Wunder, dass er im Anschluss über die lange Zeitkontrolle des Bundesliga (100+50 min) klagte!

Unser Trainer David Lobzhanidze hat die Partie für uns analysiert:

 

 

Somit stand zum Auftakt gegen Hannover ein verdientes 6,5 - 1,5 zu Buche. Am Sonntag ging es nun also gegen Dresden, die uns in der Vergangenenheit schon häufig Probleme bereitet haben. Auch hier gingen wir diesmal jedoch als deutlicher Favorit in den Kampf.

Zunächst  neutralisierte Zahar mit Schwarz den immer gefährlichen Roven Vogel, der schon allzu oft gegen uns wichtige Punkte markieren durfte. Nikolas konnte aus seinem leichten Eröffnungsvorteil genauso wenig Kapital schlagen wie Bobby, dessen Mehrbauer ihm eigentlich gute Aussichten versprach. Sorgen bereitete die Stellung von Lucas: Er schnappte sich in der Eröffnung zwar korrekterweise einen Bauern, musste hierfür aber in die Defensive gehen und stand stark unter Druck. Er verteidigte sich jedoch zäh und gab eine Qualität, um sich in ein haltbares Endspiel zu retten. Überraschenderweise versuchte sein Gegner gar nicht erst, dieses zu gewinnen, und wir kamen ohne Punktverlust davon.

Eine vogelwilde Partie lieferte sich Laurent mit Mateusz Bartel. Gewohnt sicher navigierte Laurent die schwarze Seite eines ruhig anmutenden Spaniers und schien nichts verbrochen zu haben, was die brutale Herangehensweise des Anziehenden rechtfertigte: Dieser opferte zwei Figuren für einen Turm, um sich mit allen Schwerfiguren auf den etwas luftig aussehenden schwarzen König zu stürzen. Doch Laurent reagierte zunächst hervorragend, indem er Verteidigung und Gegenspiel geschickt kombinierte:

In dieser Stellung blieb Laurent ruhig und wählte das prophylaktische 30...Dc7! (30 ...cxb2! erst wäre noch genauer gewesen) 31.Txd6 (nach 31.bxc3 Lxf6! 32.Txf6 Se8! hätte

Schwarz in ein wohl gewonnenes Endspiel abgewickelt) 31...cxb2! 32.e5!? und hier verpasste Laurent den Gewinn mit 32...Te8?, wonach 33.Dxg6 De7 34.g3! Dxe5 (sonst setzt Weiß den Angriff mit 35.Tdf6! fort) 35.Td7 De2+ zum Dauerschach führte. Stattdessen hätten sowohl das coole 32...c3! als auch die menschlicheren Optionen 32...Tf8! oder 32...Kh8! gewonnen.

Velimir hatte gegen Nisipeanu aus der Eröffnung eine aussichtsreiche Initiative, doch nach einem ungenauen Zug war diese schnell verpufft. Es war an der Zeit, den Remishafen anzusteuern, wobei er nicht viel anbrennen ließ. Also nach wie vor alles im Gleichgewicht! Die letzten Partien waren die von Alexander und mir. Ich hatte lange an einem Endspielvorteil in meiner Berliner Mauer gearbeitet, doch nachdem ich eine gute Chance verpasst hatte, schienen ungleichfarbige Läufer meinem Gegner trotz des Minusbauern beste Remischancen zu bieten. Ich versuchte mein Glück noch lange, doch mein Gegner errichtete letzten Endes eine Festung.

Alle Augen waren somit auf die Partie von Alexander gerichtet. Dieser hatte wie so oft das taktische Mittelspiel brilliant behandelt und eine Gewinnstellung mit vier (schon wieder!) Bauern für die Qualität erwirtschaftet. Angesichts seines offenen Königs war die Stellung jedoch alles andere als einfach zu gewinnen, denn dazu war ein beschwerlicher Königsmarsch unvermeidbar. Tatsächlich reklamierten die Computer bald Remiswege für Schwarz, doch für einen Menschen war die Stellung schwer zu verstehen. Wenig überraschend fand sich der schwarze König schnell in einem Mattnetz wieder und Alexander fuhr mit dieser bärenstarken Leistung den allesentscheidenden Punkt ein!

Auch hier die vollständige Partie mit Davids Kommentar:

 

Wir gewannen also auch den zweiten Kampf knapp mit 4,5 - 3,5 und können mit 4 Punkten sehr zufrieden auf die erste Tabelle schauen. Als nächstes werden wir am 2./3. Dezember in Bremen die Teams aus Solingen und Mülheim empfangen und versuchen, an unseren Start anzuknüpfen!

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