"Ich bin in der Jugend unter dem Radar geschwommen"

Felix Agu im Interview des Monats

Nahaufnahme von Felix Agu auf dem Weg zum Training des SV Werder Bremen.
Felix Agu wechselte im Sommer 2020 zum SV Werder Bremen (Foto: nordphoto).
Interview
Mittwoch, 03.03.2021 / 12:13 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Ein Jahr 3. Liga, ein Jahr 2. Bundesliga beim VfL Osnabrück, dann verließ Felix Agu seine Heimatstadt und kam im Sommer zum SV Werder. Im ersten Teil des großen WERDER.DE-Interviews spricht der 21 Jahre alte Außenverteidiger über Jubel in Marseille, Training für den linken Fuß und seine Bewunderung für Jay-Jay Okocha.

WERDER.DE: Felix, wie hast du deine ersten acht Monate beim SV Werder erlebt?

FELIX AGU: „Es war das erste Mal für mich seit meinem elften Lebensjahr, dass ich zu einem neuen Verein gekommen bin, also an sich schon eine ganz neue Erfahrung. Dazu ist die Bundesliga natürlich etwas ganz anderes als alles, was ich vorher erlebt hatte. Bei Werder ist alles deutlich größer als beim VfL Osnabrück. Dort hatten wir den Trainingsplatz auf der einen und das Stadion auf der anderen Seite der Stadt. Hier sind wir immer im Stadion, die Kabine beim Training ist dieselbe wie am Spieltag. Das hat mich sehr beeindruckt. Und auf dem Platz stand ich beim Trainingsauftakt auf einmal mit Spielern wie Ömer Toprak und anderen, die Champions League gespielt haben. Ich wurde super aufgenommen, habe mittlerweile auch Spielzeit bekommen und bin daher zufrieden und wirklich stolz, dass ich es bis hierhin geschafft habe.“

Großer Schritt an den Osterdeich

WERDER.DE: Du hast dich sehr früh für Werder entschieden, zu einem Zeitpunkt, als lange noch nicht feststand, ob der Verbleib in der ersten Liga gelingt…

FELIX AGU: „… weil ich fest davon überzeugt war, dass es klappt. Am Ende war es dann etwas knapper als erwartet (lacht). Aber unabhängig davon war klar, dass Werder eine gute Adresse ist. Und wenn es in die zweite Liga gegangen wäre, hätten wir dort zu den Top-Teams gehört. Das Umfeld und die Möglichkeiten hier sind einfach ganz andere als in Osnabrück. Und die räumliche Nähe zu meiner Heimatstadt hat mir die Entscheidung noch etwas leichter gemacht.“

WERDER.DE: Wie hast du das entscheidende Rückspiel der Relegation verfolgt?

FELIX AGU: „Ich war im Urlaub in Nizza. Wir wollten an dem Tag einen Freund, der noch später dazukam, vom Flughafen in Marseille abholen. Vor der Landung saßen wir in einem Restaurant, ich habe auf dem Handy das Spiel verfolgt und habe ganz schön gezittert und mitgefiebert. Nach dem Abpfiff gab es natürlich großen Jubel, sogar die Köche haben sich mitgefreut… (lacht).“

WERDER.DE: Den Sprung in den Profifußball hast du beim VfL Osnabrück geschafft. Welche neue Seite hast du bei Werder in den ersten Monaten kennengelernt?

FELIX AGU: „Man merkt hier noch viel stärker, dass Bundesliga-Fußball nicht einfach nur Sport, sondern eben auch ein Riesengeschäft ist. Es geht extrem um Leistung, darum, dass am Wochenende alle 100 Prozent ihrer Leistung abliefern können. Das ist das, was zählt. Darauf ist alles ausgerichtet. In gewisser Weise war das natürlich auch in der zweiten und dritten Liga so. Aber hier spürt man es noch etwas stärker.“

WERDER.DE: Sind die Anforderungen auf deiner Position hier andere als beim VfL?

FELIX AGU: „Eigentlich nicht. Durch unsere taktische Ausrichtung mit Dreierkette sind die Außenverteidiger oder äußeren Mittelfeldspieler sehr stark in die Offensive eingebunden. So war es in Osnabrück auch. Auch dort wurde von mir erwartet, dass ich viele Wege nach vorne mache und so meine Schnelligkeit einbringe.“

Ich habe einfach versucht, immer dranzubleiben, zu lernen, mich durchzukämpfen.
Felix Agu

WERDER.DE: Spielst du lieber links oder rechts?

FELIX AGU: „Als Rechtsfuß eigentlich rechts (lacht). Aber ich fühle mich auf beiden Seiten wohl und habe interessanterweise in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich häufiger auf der linken Seite gespielt.“

WERDER.DE: Wie kam es dazu?

FELIX AGU: „In der dritten Liga hat sich bei uns der Linksverteidiger verletzt, und die Trainer hielten es für eine gute Idee, mich dort einzusetzen. Ich habe meine Sache ganz gut gemacht und anschließend weiter dort gespielt. Irgendwann haben mein damaliger Trainer Daniel Thioune und sein Co-Trainer Merlin Polzin gesehen, dass das eine echte ‚Waffe‘ fürs Team sein kann (lacht). Wir haben dann viel meinen linken Fuß trainiert, damit ich auch damit mehr Optionen habe. Als Rechtsfuß war ich vorher auf der linken Seite immer viel zur Mitte gezogen. Aber als der linke Fuß immer besser wurde, konnte ich auch zur Außenlinie gehen und war so noch schwerer auszurechnen. Nach dem Aufstieg in die zweite Liga habe ich tatsächlich in den ersten Spielen rechts gespielt, bin dann aber wieder auf links gewechselt. Und hier bei Werder bin ich durch die Verletzung von ‚Ludde‘ auch zuerst links zum Einsatz gekommen.“

WERDER.DE: Warum bist du als Kind zunächst beim Osnabrücker SC gelandet, um dort mit dem Fußball spielen zu beginnen?

FELIX AGU: „Ich bin in der Wüste aufgewachsen, das ist ein Stadtteil von Osnabrück. Der Trainingsplatz des OSC war zu Fuß von zu Hause nur fünf Minuten entfernt, also habe ich dort gekickt. Mit zehn Jahren bin ich dann gemeinsam mit zwei Freunden zum VfL gewechselt. Dort gab es damals auch gar keine jüngeren Mannschaften.“

WERDER.DE: Wen hast du als Kind bewundert?

FELIX AGU: „Ich finde, dass Jay-Jay Okocha den Fußball in Deutschland geprägt und verändert hat mit seinen unglaublichen Tricks und Dribblings. Ihm habe ich sehr gerne zugeschaut. Er ist Nigerianer wie mein Vater. Dadurch habe ich zu ihm irgendwie eine Verbindung gehabt. Er war schon so etwas wie ein Idol für mich. Später habe ich dann auch zu David Alaba aufgeschaut.“

Agu: "Dann wurde der Traum tatsächlich wahr"

WERDER.DE: Und mit welchem Club – außer dem VfL Osnabrück – hast du sympathisiert?

FELIX AGU: „Am meisten habe ich auf Manchester United geschaut. Zu Hause gab es aber auch viele Werder-Spiele, denn mein Vater ist großer Werder-Fan. Er sagt: Als er nach Deutschland kam, gefiel ihm einfach der Name, seitdem liebt er Werder (lacht).“

WERDER.DE: Mit dem VfL Osnabrück hast du sowohl in der A-Jugend- als auch in der B-Jugend-Bundesliga gespielt. Wie waren damals die Duelle mit dem SV Werder?

FELIX AGU: „Meistens gingen die Spiele nicht gut für uns aus… Ich kann mich zum Beispiel an eine 1:7-Niederlage in der B-Jugend hier in Bremen erinnern. Aber ich weiß auch noch, dass wir mit der U19 mal 3:0 bei Werder gewonnen haben. Das war natürlich ein ganz besonderer Erfolg für uns beim großen SV Werder.“

WERDER.DE: Seit wann hattest du das Ziel, irgendwann in der ersten Mannschaft des VfL aufzulaufen?

FELIX AGU: „Es war schon immer mein Traum, in Osnabrück Profi zu werden oder zumindest den Sprung in die erste Mannschaft zu schaffen. Aber ich habe anfangs nicht wirklich daran geglaubt, dass das tatsächlich klappen könnte. Ich war in der Jugend nicht unbedingt viel besser als die anderen, so dass ich hätte denken können, dass ich Profi werde. Ich habe einfach versucht, immer dranzubleiben, zu lernen, mich durchzukämpfen. Ich war körperlich eher ein Spätentwickler, habe aber in der U19 noch etwas zugelegt. Und als Daniel Thioune, der zwischenzeitlich auch mein U19-Trainer war, zu den Profis hochgegangen ist, war bald absehbar, dass auch mein Weg dorthin führen könnte. Und dann wurde der Traum tatsächlich wahr.“

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WERDER.DE: Aber Profi zu werden war nicht der Antrieb für dich, um als Jugendlicher Fußball zu spielen?

FELIX AGU: „Es war einfach ein Hobby, das ich sehr geliebt habe. Beim VfL in der Jugend zu spielen, war auch etwas anderes als zum Beispiel bei Werder. Gefühlt war der Profifußball dort ziemlich weit entfernt. Aber es hat mir Spaß gemacht, daher habe ich immer weitergespielt. Ich konnte mit meinen Freunden zusammen sein, habe natürlich auch versucht, mich zu verbessern. Erst in der U17 kam dann immer mehr der Ehrgeiz dazu, weil ich gesehen habe: Vielleicht ist es möglich, bis in den Profifußball zu kommen.“

WERDER.DE: Der Wechsel ins Leistungszentrum eines Bundesligisten war nie eine Option?

FELIX AGU: „In meinem ersten U19-Jahr wäre es möglich gewesen. Aber vorher war es nie ein Thema. Ich bin in der Jugend tatsächlich etwas unter dem Radar geschwommen (lacht). Vielleicht ist es manchmal sogar besser für die Entwicklung, in einem kleineren Verein in Ruhe seinen Weg zu gehen, anstatt schon als Kind einen zu großen Leistungsdruck zu haben. Für mich war es zumindest genau das Richtige.“

Im zweiten Teil des großen WERDER.DE-Interviews spricht Felix Agu übersein erstes Bundesliga-Tor, Kindheitserinnerungen an Nigeria und seinen ehemaligen Trainer Daniel Thioune.

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