Brauer: "Investieren seit Jahren in Sicherheit und Willkommenskultur"

Tarek Brauer über Sicherheit im Weserstadion, Pyrotechnik und Gewalt im Fußball

Tarek Brauer im Portrait. Er steht im Umlauf des Weserstadions
Tarek Brauer spricht im Interview über Polizeikosten und Pyrotechnik (Foto: WERDER.DE).
Interview
Donnerstag, 17.10.2024 / 15:30 Uhr

Das Interview führte Yannik Cischinsky

Am Freitag findet in München das ‚Spitzengespräch zu Gewalt im Fußball‘ statt. Mitglieder der Sport- und Innenministerkonferenz treffen Bundesinnenministerin Nancy Faeser sowie Vertreter*innen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Konkret soll es darum gehen, wie die Gewalt in den Bundesligastadien verhindert werden kann.

Im Vorfeld werden Forderungen nach härteren Strafen wie Punktabzug oder der kollektive Ausschluss von Fans beispielsweise bei Gewalt und dem Einsatz von Pyrotechnik. Im zweiten Interview blickt Werders Geschäftsführer Organisation & Personal, Tarek Brauer, unter anderem auf die Sicherheitsinfrastruktur im Weserstadion, den Umbau des Gästebereichs und die Zusammenarbeit mit Behörden und Polizei in Bremen.

WERDER.DE: Tarek, momentan wird lautstark über Gewalt und Sicherheit in deutschen Fußballstadien diskutiert. Kannst du diese öffentliche Debatte nachvollziehen?

Tarek Brauer: „Ich verstehe, dass heutzutage viele Themen eher emotional statt sachlich diskutiert werden, und dass sich der Fußball aufgrund seiner Breitenwirkung gut für politische Agenden und auch populistische Botschaften eignet. Wichtig ist aber, dass wir differenziert hinsehen. Wenn Herr Herrmann von einer Zunahme an Straftaten spricht, ist das offenkundig insbesondere auf die Zunahme des unerlaubten Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände zurückzuführen. Das ist nicht schön, sollte aber nicht zur Annahme und Schlagzeile verleiten, dass die Bundesliga ein Gewaltproblem habe. Gewalttaten und Verletztenzahlen sinken seit Jahren bei gleichzeitig steigenden Zuschauerzahlen. Hier zeigt sich, dass die Bemühungen der Klubs erfolgreich sind. Wir unternehmen bei Werder seit Langem große Anstrengungen, um die Sicherheit und die Aufenthaltsqualität im Stadion immer weiter zu verbessern und allen Besucher*innen ein sicheres und angenehmes Stadionerlebnis zu bieten. Und wenn es Handlungsbedarf gibt, dann handeln wir, wie nicht zuletzt die Verlegung des Gästeblocks im Weserstadion zeigt.“

Ideen der Fans sind in den Umbau eingeflossen

WERDER.DE: Der Umbau war ein kleiner Meilenstein, in den drei Millionen Euro investiert wurden. Wie fällt dein Fazit nach den ersten drei Heimspielen aus?

Tarek Brauer: „Der Umbau war ohne Frage dringend notwendig und er hat die Erwartungen bis dato absolut erfüllt. Wir haben von allen Seiten, sprich den Gästefans, den Fanbetreuer*innen der Gastteams, der Polizei und den Ordnungskräften sehr viel positives Feedback zum Block und zur neugestalteten Einlasssituation erhalten. Besonders die sehr guten Rückmeldungen der Gästefans freuen uns, weil neben der Sicherheit auch die Willkommenskultur im Fokus stand.“

WERDER.DE: Inwiefern hat sich die Willkommenskultur für Gästefans denn verbessert?

Tarek Brauer: „Ein Schlüsselelement waren die offenen Gespräche mit unseren Fans, insbesondere denjenigen, die immer wieder alle zwei Wochen die Gästebereiche in anderen Stadien besuchen. Sie können aus eigener Erfahrung am besten beurteilen, was für sie wichtig ist und was eine Willkommenskultur ausmacht. Viele Ideen sind in die Umsetzung eingeflossen.“

WERDER.DE: Kannst du Beispiele nennen?

Tarek Brauer: „Beim Zuschnitt des Gästeblocks wurde uns empfohlen, den unteren Bereich nicht zu spitz zulaufen zu lassen. Das wirkt sich auf das Zusammengehörigkeitsgefühl aus. Für die sogenannten ‚Fahnenwachen‘, die sich in den vergangenen Jahren etabliert haben, haben wir nun neben dem Gästeblock zwei feste Plätze reserviert. Am Zaun haben wir zusätzliche Anbringungsmöglichkeiten für die Banner geschaffen. Zudem gibt es beim Einlass einen separaten Zugang für Fans, die ihre Materialien wie Banner, Megafone oder Schwenkfahnen kontrollieren lassen müssen. Das mag auf den ersten Blick wie Kleinigkeiten wirken, aber bereits die ersten Spiele haben gezeigt, dass die Gästefans das zu schätzen wissen.“

WERDER.DE: Positiv aufgenommen wurde auch die verbesserte Aufenthaltsqualität vor dem neuen Gästeblock…

Tarek Brauer: „Die Situation außerhalb des Weserstadions lässt sich unter mehreren Gesichtspunkten betrachten. Zum einen haben wir die Aufenthaltsqualität mit einem gastronomischen Angebot auf dem Alfred-Ries-Platz aufgewertet. Zum anderen haben wir durch die Verlegung des Einlasses in den Südwesten des Stadions die Begegnungen von Heim- und Gästefans auf dem Kassenvorplatz deutlich reduziert und die Situation dort entzerrt."

Wollen wir ernsthaft darüber diskutieren, dass der sportliche Wettbewerb darüber entschieden wird, ob und wie oft Pyrotechnik gezündet wird?
Tarek Brauer, Geschäftsführer Organisation & Personal

WERDER.DE: Im Zentrum aller Sicherheitsdebatten stehen immer auch die Ordnungskräfte. Wie bewertest du ihre Arbeit im Weserstadion?

Tarek Brauer: „Dazu muss man sich zunächst die Aufgabenverteilung vor Augen führen. Während die Landespolizei außerhalb des Stadions und die Bundespolizei auf den Reisewegen der Fans, beispielsweise an Bahnhof und Flughafen, für die Sicherheit verantwortlich ist, ist der Ordnungsdienst – im Auftrag des SV Werder als Veranstalter - für die Sicherheit innerhalb der Stadiontore zuständig und setzt das Hausrecht durch. Diese Verpflichtung nehmen wir sehr ernst. Wir haben je nach Gegner 550 bis 800 qualifizierte Ordnungskräfte im Einsatz. Alle sind durch ein verpflichtendes, fußballspezifisches Schulungsprogramm des DFB, der ‚Qualifizierung Sicherheits- und Ordnungsdienst (QuaSOD)‘, geschult.“

WERDER.DE: Die Ordnungskräfte arbeiten für die elko & Werder Security, die Leitung des Ordnungsdienstes liegt aber beim SVW, richtig?

Tarek Brauer: „Ja, die Leitung des Ordnungsdienstes am Spieltag ist mit Ole Braun bewusst bei uns verankert. Sie liegt ebenso in Händen des SV Werder wie die Veranstaltungsleitung mit Lars Mühlbradt und die Arbeit unserer Leiterin Sicherheit und Sicherheitsbeauftragten, Kirsten König. Hier sind wir hervorragend aufgestellt."

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WERDER.DE: Gilt das nur für die Werder-Heimspiele?

Tarek Brauer: „Nein. Wir sind auch bei jedem Auswärtsspiel der Männer-Bundesliga zugegen. Das ist vor allem bei der Vermittlung zwischen Sicherheitsstruktur vor Ort und unseren mitreisenden Fans sehr hilfreich.“

WERDER.DE: Inwiefern unterstreicht die DEKRA-Zertifizierung mit Top-Bewertungen das gute Sicherheitsmanagement des SV Werder?

Tarek Brauer: „Wer die Heimspiele im Weserstadion besucht, kann sich auf ein Sicherheitsmanagement auf ‚sehr hohem Niveau‘ verlassen. In den vergangenen Jahren haben wir die DEKRA Zertifizierung, die im Auftrag des DFB durchgeführt wird, stets mit Prädikat abgeschlossen und gehören zu den Top3-Standorten in Deutschland. Zuletzt ist die Prüfung übrigens beim 1. Heimspiel dieser Saison gegen Borussia Dortmund erfolgt. Der neue Gästeblock und unsere professionellen Prozesse sind dort wieder besonders positiv bewertet worden. In der Vergangenheit wurden auch insbesondere innovative Lösungen während der Corona-Pandemie oder unser Awareness-Konzept hervorgehoben und waren zugleich Vorlage für die Umsetzung andernorts. Dass die Arbeit der Kolleg*innen in dieser Form gewürdigt wird, freut mich sehr.“

WERDER.DE: Zwischen dem Land Bremen und der DFL sowie Werder gibt es bekanntermaßen unterschiedliche Auffassungen in puncto Polizeikosten. Belastet dieser Rechtsstreit, der voraussichtlich im Herbst vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden wird, die Zusammenarbeit mit Polizei und Behörden?

Tarek Brauer: „In erster Linie belastet diese Thematik schon heute unser Konto. Denn die DFL hat im ersten Schritt entschieden, uns 50 Prozent der Kosten in Rechnung zu stellen. Die weiteren 50 Prozent sollen folgen, wenn das Bundesverfassungsgericht zugunsten der Stadt Bremen entscheidet. Für uns bedeutet das eine Zusatzbelastung von circa 500.000 Euro je betroffenem Spiel. Insgesamt sprechen wir bereits über einen Betrag von knapp zwei Millionen Euro. Diese Belastung trifft uns in der Bundesliga nicht nur exklusiv, sie addiert sich auch zu den Kosten von über 100.000 Euro je Spiel, die wir als Veranstalter für Ordnungsdienst und Sicherheit am und im Stadion ohnehin aufwenden. Das ist für uns ein erheblicher Faktor und Wettbewerbsnachteil.

Wir sind aber professionell genug, diesen Rechtsstreit, bei dem wir unterschiedliche Auffassungen vertreten, und die operative Zusammenarbeit zu trennen. Deshalb leidet die Zusammenarbeit mit Polizei und Behörden darunter nicht und ist meines Erachtens sehr gut und vertrauensvoll. Neben den Sitzungen im Vorfeld eines Heimspiels haben wir auch spieltagsunabhängige Austausch- und Diskussionsformate wie zum Beispiel der Örtliche Ausschuss Sport und Sicherheit (ÖASS). Hier sitzen Polizei, Feuerwehr, Werder, Innensenator, Fan-Projekt, Sanitätsdienst und Ordnungsamt mehrfach im Jahr an einem Tisch. Diese Runden helfen sehr, um Perspektiven auszutauschen und andere Sichtweisen zu verstehen.

Wichtig ist mir aber auch zu betonen, dass dieses Verständnis für die andere Seite an Grenzen kommt, wenn mit wenig zielführenden Forderungen nach Punktabzug bei Pyroeinsatz Effekthascherei betrieben wird. Wollen wir ernsthaft darüber diskutieren, dass der sportliche Wettbewerb darüber entschieden wird, ob und wie oft Stadionbesucher*innen Pyrotechnik zünden? Ich denke, wir tun alle gut daran, die seit Jahren aufgebaute vertrauensvolle Zusammenarbeit als wichtiges Fundament zu bewahren. Darum sollten sich alle Seiten redlich bemühen.“

Wichtig, dass die Arbeit der Vereine gesehen wird

WERDER.DE: Inwiefern könnte das DFL-Projekt ‚Stadionallianzen‘, das vom Senator für Inneres und Sport, Ulrich Mäurer, auch in Bremen forciert wird, die Sicherheitslage rund um Heimspiele im Weserstadion weiter verbessern?

Tarek Brauer: „Ziel der Stadionallianzen ist es ja, mehrere Fußballstandorte in einem Bundesland miteinander zu vernetzen, gemeinsam Abläufe kritisch zu hinterfragen und daraus Strategien und Synergien zu entwickeln. Es stellt sich schon die Frage, ob dieser Mehrwert am Standort Bremen mit nur einem Verein in den ersten drei Ligen, nur einer Genehmigungsbehörde, nur einer Polizeibehörde erreicht werden kann. Aber wir sind natürlich offen für jedes Austausch- und Diskussionsformat. Das Ziel muss sein, die Effizienz zu erhöhen, Ressourcen und damit Kosten auf allen Seiten zu reduzieren, ohne dass die Sicherheit leidet. “

WERDER.DE: Wie sieht der spieltagsbezogene Austausch zwischen allen, für die Sicherheit verantwortlichen Stellen, aus?

Tarek Brauer: „Rund um die Spieltage gibt es diverse Abstimmungsrunden. Einige Tage vor jedem Bundesligaspiel der Männer und der Frauen, anlassbezogen auch bei U23-Spielen, gibt es die Organisations- und Sicherheitsbesprechungen mit Bundes- und Landespolizei, Feuerwehr, Sanitätsdienst, der Bremer Weser-Stadion GmbH, Fan-Projekt, Fanbeauftragten, Veranstaltungs- und Sicherheitsleitung sowie allen weiteren relevanten Fachbereichen des SV Werder, wie beispielsweise Kommunikation. Hier werden unter anderem die Sicherheitseinschätzungen vorgenommen.“

WERDER.DE: Und am Spieltag selbst?

Tarek Brauer: „45 Minuten vor Spielbeginn gibt es das sogenannte Kurvengespräch, in dem Bilanz der Anreise gezogen wird und die Abreise durchgesprochen wird. Diese Runde besteht aus Polizei, Feuerwehr, den Fanbeauftragten beider Mannschaften, Vertreter*innen der Fan-Projekte beider Mannschaften sowie der Veranstaltungs- und Sicherheitsleitung. 30 Minuten nach Spielende findet das Debriefing statt. Dieses intensive Invest von Zeit und Arbeit in stringente Prozesse, regelmäßigen Austausch und die Zusammenarbeit ermöglicht es uns, sehr schnell zu handeln und ist sicherlich ein Grund für die vergleichsweise niedrige Zahl an Gewalttaten.“

WERDER.DE: Wie sie ja auch in den ZIS Jahresberichten dargestellt werden...

Tarek Brauer: „Exakt. Wir müssen uns vor Augen führen, dass statistisch pro Heimspiel am Osterdeich ein bis zwei Personen verletzt werden – bei 42.000 Zuschauer*innen. Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen. Ich verabscheue Gewalt in jeder Form und jeder einzelne Fall ist einer zu viel! Aber wir müssen auch konstatieren, dass diese Zahlen im Promillebereich liegen. Der Vergleich zu anderen Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest wurde ja schon zur Genüge angestellt…“

WERDER.DE: Welche Hoffnungen hast du an das Spitzengespräch am Freitag?

Tarek Brauer: „Inhaltlich möchte ich nicht vorgreifen. Ich wünsche mir aber, dass es den Parteien gelingt, eine konstruktive und differenzierte Debatte auf Sachebene zu führen. Wir investieren seit Jahren in unsere Sicherheitsinfrastruktur und die Willkommenskultur im Weserstadion. Wir werden dies selbstverständlich auch weiter tun und gemeinsam mit DFL, den anderen Klubs, Fans, Sicherheitsbehörden und Politik diskutieren und eruieren, wie wir das Stadionerlebnis noch sicherer machen können. Uns ist aber auch wichtig, dass die Arbeit der Vereine im Sicherheitsmanagement und auch der Fanarbeit, zu der Anne ja vieles gesagt hat (zum Interview mit Anne-Kathrin Laufmann), gesehen wird. Populismus und Skandalisierung hilft uns nicht weiter.“

 

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