WERDER.DE: Moin Timo, was bringt die Kölner eigentlich mehr aus dem Häuschen: Wenn der FC ein Spiel gewinnt oder die Karnevalsession?
Timo Schultz: Das ist eine fiese Frage (lacht). Für mich war der Heimsieg gegen Frankfurt mit Abstand das Wichtigste, zwei Mal das „Trömmelche“ zu hören, das war top. Danach durfte ich an der FC-Sitzung teilnehmen und war am Rosenmontag auf dem Wagen, wo dir 100.000 Menschen zu jubeln, die es gut mit dem FC meinen. Das ist schon ein besonderes Erlebnis.
WERDER.DE: Beim angesprochenen Rosenmontagszug sahst du schon sehr fröhlich und heimisch aus. Wie viel „Kölsche Jung“ steckt in dir als Ostfriese?
Timo Schultz: Ich würde noch nicht so weit gehen, dass in mir schon ein kleiner „Kölsche Jung“ steckt, ich kann aber schon diverse Karnevalssongs mitsingen (schmunzelt). Die Stimmung ist wie zwei Wochen Freimarkt – nur nicht auf der Bürgerweide, sondern in der ganzen Stadt und verkleidet. Wenn du zum Training fährst, überholt dich Pippi Langstrumpf und an der Ampel gehen drei Dinosaurier über die Straße. Jetzt ist aber wieder Ruhe und wir können uns voll auf Fußball konzentrieren.
WERDER.DE: Klingt aber auch nach einer guten Möglichkeit zum Teambuilding.
Timo Schultz: Klar! Der 1. FC Köln ist ein eingetragener Karnevalsverein. Wenn wir über Teambuilding, Identität eines Vereins oder Kultur einer Stadt sprechen, dann ist das zu 100 Prozent der FC. Das gehört dazu und das sollen die Spieler auch mitkriegen.
WERDER.DE: Deine ostfriesische Heimat hast du zum ersten Mal mit 17 verlassen. Damals bist du nach Bremen gewechselt. Wie ist dir diese Zeit bei Werder in Erinnerung geblieben?
Timo Schultz: Für mich hieß es das erste Mal: Raus aus Ostfriesland und rein ins Internat. Die Zeit war total aufregend, mit 17 zu so einem großen Verein zu wechseln und auf höchstem Level Fußball zu spielen. Ich habe mein Abitur an der Hamburger Straße in Bremen gemacht. Es war eine tolle Zeit, bei einem coolen Verein, die mich geprägt hat. Ich komme immer wieder gerne ins Weserstadion oder freue mich, wenn ich alte Weggefährten treffe.
"Ich habe mich wie zu Hause gefühlt - das macht Werder auch aus."
Timo SchultzWERDER.DE: Für den Sprung zu den Profis hat es auch aufgrund großer Konkurrenten wie Dieter Eilts nicht gereicht. Was konntest du aus Bremen dennoch für deine weitere Karriere mitnehmen?
Timo Schultz: Vor allem die Art und Weise von Thomas Schaaf, unter dem ich ein paar Jahre trainieren und spielen durfte. Er hat jedem Spieler immer ein gutes Gefühl gegeben, jeden Tag gerne zum Training zu kommen und trotzdem inhaltlich an seinen Themen dranzubleiben. Wenn du, wie ich damals, aus einem kleinen Verein kommst, ist das alles erstmal neu. Trotzdem habe ich mich wie zu Hause gefühlt und dieses familiäre macht Werder auch aus.
WERDER.DE: Mit Thomas Schaaf sprichst du eine große Trainerpersönlichkeit an. Wann ist denn dir dein Trainertalent das erste Mal bewusst geworden?
Timo Schultz: Mir hat es schon als Jugendlicher Spaß gemacht, die Pampersliga in Esens in Ostfriesland zu trainieren. Fußball hat mich schon immer fasziniert. Als Spieler habe ich dann schon das Denken gehabt, was ich über meine eigene Leistung noch machen kann, um das Spiel zu gewinnen. Bei St. Pauli war ich schließlich der verlängerte Arm vom Trainer und die Offiziellen haben mir damals nahegelegt, schnell meine Trainerscheine zu machen. Danach ging es Schritt für Schritt bis zum Fußball-Lehrer und der ersten eigenen Mannschaft.
WERDER.DE: Dieser Weg hat dich nun zum FC in die Bundesliga geführt. Wie groß war die Erleichterung über den ersten Sieg im Oberhaus und die Bestätigung, auf dem Weg in die richtige Richtung zu sein?
Timo Schultz: Das wir als Mannschaft unsere Schritte machen, ist das Entscheidende. Dass wir defensiv stabiler werden und uns noch mehr Chancen herausspielen. Die Erleichterung gegen Frankfurt war immens. Wir wissen aber auch, dass wir einen langen, steinigen Weg vor uns haben, den wir bereit sind zu gehen. Wir haben eine fantastische Mannschaft mit einem riesengroßen Zusammenhalt zur Geschäftsstelle, den Verantwortlichen und den Fans.
WERDER.DE: Mit einem Blick auf die Zahlen habt ihr zuletzt weniger auf Flanken, sondern vermehrt auf das Tempo in euren Reihen gesetzt. Ist das der Verletzung von Davie Selke geschuldet oder Teil deiner Spielidee?
Timo Schultz: Es muss immer eine gesunde Mischung sein. Bis zur Länderspielpause haben wir Gegner, die tabellarisch deutlich über uns stehen. Deswegen ist das aktuell unser Stilmittel, ich will aber auch nicht ausschließen, dass wir wieder mit großen Spielern auflaufen und die mit Flanken füttern. Es ist richtig, dass es im Moment für uns ein guter Weg ist, mit schnellen Spielern zu spielen – wir haben aber auch andere Spielertypen.
WERDER.DE: Werder kommt mit zwei Auswärtssiegen nach Köln, ihr wollt den zweiten Heimsieg in Serie. Was erwartest du für ein Spiel am Freitagabend?
Timo Schultz: Ich gehe von einem engen Spiel aus. Werder hat gerade mit dem Sieg in München viel Selbstvertrauen tanken können. Trotzdem spielen wir zu Hause und das Flutlicht ist an – für beide Mannschaften und die Offiziellen gibt es nichts Schöneres, als in so einem Stadion zu spielen. Wir werden alles dafür geben, dass die drei Punkte in Köln bleiben. Es ist alles angerichtet für ein Fußballfest.
WERDER.DE: Darauf freuen wir uns, Timo. Danke für das Gespräch und bis Freitagabend!