WERDER.DE: Es gibt vermutlich nichts, was eine solche Strahlkraft hat wie eine Fußball-Weltmeisterschaft. Ist diese WM ein Spiegelbild des weltpolitischen Geschehens?
Ronny Blaschke: „Wir sehen, dass Katar mit der Weltmeisterschaft auf die Landkarte rückt. Es bleibt aber auch vieles unsichtbar. Das Finalstadion wurde von chinesischen Firmen gebaut, die Fußballmacht verlagert sich nach Osten. Katar will sich mehr Sicherheit erkaufen, viele Sponsoren kommen aus China und Katar, was für neue Machtzentren spricht.“
WERDER.DE: Wir haben mit der 25-jährigen Raja Aderdor gesprochen, die in Katar ihren Sport ausüben kann. Du hast mal gesagt, dass ein vier- bis sechswöchiges Fußball-Turnier ein Land nicht dauerhaft verändern kann. Was bleibt möglicherweise trotzdem?
Ronny Blaschke: „Ein bisschen kann es schon Einfluss nehmen, aber nicht grundlegend die Kultur verändern. Zum Thema Frauenrechte habe ich intensiv recherchiert. Es ist durchaus so, dass sich Frauen immer noch ihre Vormundserlaubnis holen. Die Begegnungen, die es gerade in Katar gibt und vorher nie gab, können sicherlich was verändern. Auf der anderen Seite gibt es starke konservative Strömungen. Dieses Land wird uns in der Zukunft in der Weltöffentlichkeit erhalten bleiben, weswegen es Sinn macht, sich mit Katar und seiner Bevölkerung weiterhin auseinanderzusetzen.“
WERDER.DE: Ein symbolträchtiges Bild der WM war, der kleine Block der Niederlande im Viertelfinale, „umzingelt“ von einem blauweißen argentinischen Fanmeer. Haben die europäischen Verbände und ihre Fans überhaupt noch den Einfluss, die FIFA nachhaltig zu verändern?
Ronny Blaschke: „Theoretisch würde es gehen, weil die besten Spieler der Welt immer noch in Europa spielen wollen. Das ist aber alles nicht mehr so leicht voneinander zu trennen, da Klubs teilweise Investoren aus Katar oder Saudi-Arabien gehören. Es ist alles miteinander verwoben, da sind die Verbände in gewisser Weise nur Gehilfen der Politik und der großen Wirtschaftsindustrie.“