WERDER.DE: Wie verfolgst du die Geschehnisse in Katar, beispielsweise bei Einlasskontrollen in den Stadien?
Christian Rudolph: „In meiner Position als LGBTQ+-Beauftragter des DFB erreichen mich viele Nachrichten dazu. Dabei lese ich eine große Enttäuschung heraus, dass sich sieben große Fußballverbände dem Druck der FIFA beugen. Dass wir bei dem Spiel mitmachen, ist ein Signal, das wir in die Welt senden. Gleichzeitig freue ich mich über die spürbar wachsende Solidarität in der Sportwelt. Die Regenbogenflagge ist jetzt auch in anderen Sportarten immer öfter zu sehen. So soll es sein, wir sollten uns alle verpflichtet fühlen, ein deutliches Zeichen zu setzen. Andererseits könnten sich Vereine oder Verbände, die nicht an der WM beteiligt sind, noch viel stärker bei dem Thema positionieren. Wo ist die Haltung der UEFA, die im letzten Jahr noch die Regenbogen-Armbinde als Zeichen der Vielfalt eingestuft hat? Da müsste meiner Meinung nach noch viel mehr passieren, auch in der Bundesliga.“
WERDER.DE: Wie empfindest du öffentliche Statements und Zeichen für Vielfalt von Bundesligisten wie Mönchengladbach, St. Pauli oder auch Werder, vor dem Hintergrund, dass sich noch kein aktiver Fußballprofi in Deutschland geoutet hat?
Christian Rudolph: „Ich denke schon, dass viele Symboliken ganz wichtig sind. Die haben wir lange nicht gehabt. Gerade zu den wichtigen Jahrestagen, wie dem 17. Mai – dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie - oder dem Pride-Monat, finde ich die Zeichen enorm wichtig. Was ich mir noch stärker wünschen würde, wäre, dass die Botschaften auch von Personen getragen werden. Um deutlicher zu zeigen, dass auch Personen dahinterstehen. Gleichzeitig würde ich mir auch mehr Offenheit in anderen Bereichen der Fußballbranche wünschen. Auch Coming-outs von Vereinsmitarbeiter:innen oder Sportjournalist:innen würden der Akzeptanz von Homosexualität helfen.“
WERDER.DE: Welche Gefühle hat die Äußerung des WM-Botschafters Khalid Salman, dass Homosexualität ein „geistiger Schaden“ sei, bei dir persönlich ausgelöst?
Christian Rudolph: „Komplettes Entsetzen. Zumal diese Aussagen nur ein paar Tage nachdem Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser in Katar war, getätigt wurden. Das hat uns ganz deutlich gezeigt, wie falsch das alles ist und wie aggressiv die PR-Maschine der FIFA versucht, uns die wunderbare Welt des Fußballs zu verkaufen. Sie tun so, als ob sich die Welt nicht weiterdrehen würde. Aber die Welt dreht sich weiter, nur der Weltfußball anscheinend nicht.“