Im dritten und letzten Teil der Analyse des Turmendspiels aus der 6. Partie Kasparov--Karpov des WM-Kampfes 1984 kommen wir nun endlich zum tatsächlichen Partieverlauf.
Im dritten und letzten Teil der Analyse des Turmendspiels aus der 6. Partie Kasparov--Karpov des WM-Kampfes 1984 kommen wir nun endlich zum tatsächlichen Partieverlauf.
Im Mittelpunkt stehen zwei folgenschwere Entscheidungen, zunächst eine von Karpov und später eine von Kasparov. Beide griffen fehl - wenn man denn den Maßstab absoluter Objektivität anlegt.
Einstieg ist der Abgabezug Karpovs zur anstehenden Hängepartie, der nur allzu natürlich aussieht, aber eben objektiv den Gewinn aus der Hand gibt. Er ist sogar so natürlich, dass Kasparov in seinem Buch "Kasparov On Modern Chess, Part Two (2008)" auch mehr als 20 Jahre später und mit den inzwischen erstarkten Engines zur Verfügung die zwangsläufige Gewinnführung nicht erkannte.
Die sechs Züge nach Wiederaufnahme der Partie waren so gradlinig, dass man annehmen kann, Kasparovs Analyseteam hätte sie noch auf dem Schirm gehabt. Wie dem auch sei, nun war es an Kasparov, eine grundsätzlich falsche Entscheidung zu treffen. Die hier noch mögliche Rettung war ihm jedoch auch in seinem Buch noch entgangen. Die Partie selbst dauerte dann noch 20 Züge, aber es gab nichts mehr zu korrigieren und der Vormarsch des letzten noch verbleibenden Bauerns auf dem Brett nach insgesamt 70 Zügen war nicht mehr aufzuhalten.
In Rückbesinnung der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Turmendspiel ist mein Erstaunen zurückgekommen, wie eine Spielanleitung mit einigen wenigen geometrischen Grundregeln zu derart komplizierten Problemstellungen führen kann. Angesichts dessen könnte abseits dieser fast philosophischen Kontemplation der gewöhnliche Turnierspieler (unterhalb GM-Niveaus) fast zu der Schlussfolgerung verleitet werden, dass es, auch bei aller Ambitioniertheit, für ihn reicht, wenn er sein diesbezügliches Studium auf 6- bis 7-Steiner beschränkt; aus allem, was darüberhinaus geht, könne er allgemein verwertbare Erkenntnisse kaum mehr erwarten. Defätismus, Entschuldigung für mangelnde Arbeitsbereitschaft, nüchterne (aber auf was beruhende) Kosten-Nutzen-Abschätzung?