Collin Colbow ist deutscher Meister in der U18!

Collin siegt in der "Königsklasse"
Schach
Sonntag, 18.06.2023 / 09:46 Uhr

Jari Reuker

Wie jedes Jahr fanden über Pfingsten wieder die Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften in Willingen statt. Unsere Bremer Delegation, unter der erfahrenen Leitung von Ulrike Schlüter, schickte in allen Altersklassen sowie den offenen Turnieren die stärksten Bremer ins Rennen. Hoffnung auf den ersten Bremer Titel seit 2015, als Dmitrij Kollars die U16 gewann, durfte sich vor allem Werders Bundesligatalent Collin Colbow machen, der als deutsche Nummer Eins auch die Setzliste in der U18 anführte. Die Erfahrung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, wie schwer es ist, der Favoritenrolle in der Königsklasse gerecht zu werden.

Ich selbst war als Betreuer dabei und berichte von Collins Turnierverlauf. Der Leser ist herzlich eingeladen, in den Diagrammstellungen seine Fortsetzungen zu finden!

Wie schwierig es in diesem Turnier ist, zeigte sich auch sofort in der ersten Runde. Sein Gegner Pascal Nied wählte die grundsolide Berliner Mauer, welche schon viele ambitionierte Weißspieler zur Verzweiflung gebracht hat. So zunächst auch Collin: Nach der Eröffnung konnte er keinerlei Vorteil vorweisen und es schien nicht wirklich ein Plan in Sicht, die schwarze Stellung zu knacken. Doch dann wurde Schwarz mit 25... Td7? kurz nachlässig:

Collin nutzte die Gelegenheit und öffnete die Stellung mittels 26.f4!. Im Falle von 26...exf4 27.Sg4 wären die weißen Drohungen vernichtend. Schwarz wählte stattdessen 26... Sd4 und nach 27.Lxd4 exd4 28.Sg4 gab Schwarz etwas überraschend auf. Er hatte die Variante 28...Kg7 29.Sxf6 Kxf6 (sonst hängt der Turm auf d7) 30.e5+ Lxe5 31.fxe5 Kg7 32.e6 mit weißem Gewinn berechnet, doch an der Stelle hätte Schwarz noch 32...Df3+! und die Lage ist nicht so klar. Deswegen hatte Collin stattdessen das vorausschauende 29.Kg2! geplant, wonach die schwarze Stellung kaum zu verteidigen gewesen wäre.

Nach diesem kniffligen Auftakt ging es am selben Tag gleich weiter gegen Jeremy Hommer, der vor zwei Jahren immerhin unter anderem vor Collin die U16 gewonnen hatte. Die Zeit zur Vorbereitung war knapp, doch es gelang uns, Jeremy in seinem Alapin-Sizilianer zu überraschen. Direkt aus der Eröffnung heraus sicherte Collin sich das Läuferpaar und verwertete diesen Vorteil anschließend technisch fein zum Sieg.

 

In der dritten Runde kam der gefährliche Kieler FM Keyvan Farokhi wie üblich bis an die Zähne mit Varianten bewaffnet ans Brett und blitzte die ersten 20 Züge seiner Vorbereitung raus, was ihm ein haltbares Endspiel mit Minusbauern einbrachte. Er trat auch im Folgenden nicht fehl und trotzte Collin das erste Remis ab. Auch die nächste Partie gegen Cedric Chassard brachte frühe Vereinfachungen mit sich, und ohne wirkliche Chancen auf mehr stand bald ein weiteres Remis zu Buche. Es ist nicht immer einfach, starke Spieler zu schlagen, die friedlich gestimmt sind!

Der zweitgesetzte ukrainische FM Bogdan Bilovil konnte unterdessen alle seine Partien gewinnen und war somit bereits auf einen Punkt davongezogen. In der fünften Runde kam es also zum großen Showdown unter dem Motto „To be the best, you have to beat the best“. Beide Kontrahenten zeigten sich in einer modernen Variante des Vorstoß-Franzosen glänzend vorbereitet und erreichten schnell eine Stellung, in der Weiß zwei Bauern sowie das Läuferpaar gegeben hatte, um Schwarz einzuschnüren und den König zu belagern. Nun auf sich allein gestellt in einer messerscharfen Stellung, die für beide Seiten nicht einfach zu navigieren ist, wählte Schwarz das wacklige 21...Dc4?!:

Collin erhöhte den Druck mit 22.Sc5!, wonach der Springer nicht geschlagen werden kann aufgrund von 23.Txd8+! Kxd8 24.Sxe6+! mit Damengewinn. Schwarz steht mit dem Rücken zur Wand, und nur das wundersame 22...0-0! 23.Sxd7 Da4! hätte ihn in der Partie gehalten. Stattdessen wählte er die menschliche Fortsetzung 22...Lb5? 23.Sxb5 axb5 24.Sb7! 0-0 25.Sxd8 Dc7:

Schwarz hatte sich darauf verlassen, mit diesem Doppelangriff seine Figur zurückzugewinnen und rechnete wohl mit 26.Dxh6 nebst Dauerschach. Doch Collin hatte weitergesehen, und entkorkte eine geniale Kombination: 26.Dg3+! Kh8 27.Df4! Dxb8 28.Sc6! Dc7 29.Df6+ Kg8 30.Se7+ nebst Damengewinn. Er verwertete seine Mehrdame energisch zum Sieg.

Eine großartige Partie, mit der Collin sich wieder an die geteilte Spitze setzte.

Die anschließende Partie gegen FM Kevin Haack sollte zur turnierentscheidenden werden. Der Hesse kannte sich in seinem Katalanen genau aus und wählte einen gefährlichen Aufbau, mit dem Collin nicht ganz vertraut war. Die schwarze Stellung war nicht einfach zu behandeln, und mangels besserer Ideen wählte Collin einen fürchterlichen Zug, der seinem Gegner einen Gewinn ermöglichte. Diesen fand Kevin auch, doch im Anschluss verpasste er die genaueste Fortsetzung und ließ Collin so noch in der Partie. Schwarz konnte sich in ein miserables Endspiel mit Minusqualität retten, was noch gewisse Rettungschancen versprach. Dann jedoch fing Collin an, seinen Gegner zu überspielen, und im Handumdrehen war Weiß derjenige, dessen Überleben am seidenen Faden hing:

Hier hatte Weiß die letzte Chance, den schwarzen Springer mittels 37.f3! zu vertreiben. Nach 37.Tb4? machte Collin jedoch kurzen Prozess: 37...c3! Nach 38.Txb3 c2 ist der Bauer von keinem der weißen Statisten mehr aufzuhalten! 38.Kd1 Sd2 39.e3 Kf6 40.f3 Ke5 41.Tb8 b2 42.Kc2 b1=D 0:1

Da wiederum Farokhi auch Bilovil ein Remis abknöpfte, brachte dieser Sieg Collin erstmals in alleinige Führung. Diese galt es mit Weiß gegen Markus Albert zu verteidigen. Hierzu wählten wir die Reti-Eröffnung, welche schnell zu einem harmlos anmutenden Endspiel führte. Zuschauer und Kommentatoren gleichermaßen verbuchten die Partie sofort als baldiges Remis, nicht ahnend, dass die Stellung noch Teil unserer Vorbereitung war und große Gefahren für Schwarz birgt. Markus musste dies auch feststellen, im Stile Ulf Anderssons massierte Collin seine Stellung und ließ ihm keine Chance.

Mit nach wie vor einem halben Punkt Vorsprung ging es für Collin in Runde 8 gegen FM Jonas Gallasch. Dieser überraschte früh mit dem scharfen f3-Nimzoinder, welchen wir überhaupt nicht auf dem Schirm hatten. Ein wenig Improvisation von Collin ging auf wie Hefeteig, mit energischem Spiel erreichte er eine Stellung mit Mehrbauern. Es ging jedoch nach wie vor taktisch zu, und auch wenn ein Gewinn zum Greifen nahe schien, war die zähe Verteidigung letztendlich nicht zu überwinden und der Punkt wurde geteilt. Glücklicherweise erreichte auch Bilovil nichts gegen Hommer, sodass Collin seinen Vorsprung in die Schlussrunde mitnahm.

In dieser musste er mit Weiß gegen denjenigen ran, der ihn letztes Jahr in derselben Farbkonstellation geschlagen und dadurch früh jegliche Meisterschaftshoffnungen gedämpft hatte: Jakob Weihrauch. In unseren Kalkulationen sollte hierbei auch ein Remis wahrscheinlich zum Titel ausreichen, da Collin immerhin auch 1,5 Buchholzpunkte vorne lag. Auch klar war jedoch, dass dieser Vorsprung im Falle ungünstiger Ergebnisse alles andere als stabil sein würde. Daher entschieden wir uns, den g3-Najdorf des Vorjahres zu wiederholen: Das Ziel war eine risikolose Stellung, ohne dabei gleich alle Gewinnchancen aufzugeben. Und dieser Plan funktionierte gut: Collin kannte sich besser aus und erreichte bald eine sehr vielversprechende Stellung.

Schwarz hat Schierigkeiten mit seinem b4-Bauern und kein Gegenspiel in Sicht. Er griff zum Verzweiflungsschlag 18...d5?!

Intuitiv sollte dieser Zug nicht funktionieren können, doch angesichts der Turniersituation war er keine so schlechte praktische Wahl, setzte er doch Collin unter Druck. Nach 19.exd5 e4 wäre zum Beispiel 20.Dxe4 Lxb2 21.Dxb4 Lxa1 22.Txa1 stark gewesen, 20.Db3 war jedoch ebenfalls eine gute Lösung. Nach 20...De5 21.Dxb4 Dxb2 hatte Weiß die Chance, den Deckel zuzumachen:

Doch ausgerechnet hier, sicherlich auch seiner Nervosität zuzuschreiben, übersah er den simplen Gewinnzug 22.Dxe4!, wonach Weiß im Grunde einfach zwei Mehrbauern hat, vollkommen. Zu schnell hatte er sich in die Varianten nach 22.Tab1 Dxb4 23.Txb4 Lxd5 vertieft, welche jedoch zu nichts als Vereinfachungen und einem baldigen Remis führten.

So war also noch Zittern angesagt. Bilovil besiegte tatsächlich Gallasch und schloss punktetechnisch zu Collin auf, sodass die Entscheidung durch die Buchholz fallen musste. Es war eine knappe Angelegenheit, doch letztlich ging Collin mit einem Buchholzpunkt Vorsprung über die Ziellinie und machte so den Meistertitel perfekt!

Der krönende Abschluss seiner Jugendzeit, die sich mit seinem 18. Geburtstag, den er während und vor allem noch nach dem Turnier feierte, dem Ende zuneigt. Großer Respekt gebührt auch Bogdan Bilovil, der abgesehen von seiner Niederlage gegen Collin nur zwei Remis abgab und so den Titel nur denkbar knapp verfehlte.

Alle Partien von Collin zum Nachspielen:

 

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