Patellaspitzensyndrom – das wurde im vergangenen Jahr zum Unwort des Jahres für sie. Die Sommersaison fiel wegen der Knieschmerzen weitgehend aus. „Mir fehlte der Ausgleich zur Schule“, sagt Hannah Fricke. Sie habe das sehr vermisst: von der Schule nach Hause kommen und dann ab zum Training. „Ich bin nach Hause gekommen – und hatte nichts vor“, sagt sie. Sie habe nicht gewusst, wie sie die zwei Stunden füllen sollte, in denen sie normalerweise trainiert hätte. Zumindest nicht in dem Sinne, dass es wirklich erfüllend geworden wäre. Sie hatte sich gegen eine Stoßwellen-Behandlung entschieden, mit der sie eventuell die Saison hätte bestreiten können. Stattdessen begab sie sich in eine alternative Therapie in der Paracelsus-Klinik, dem Medizinpartner des SV Werder. Alle zwei Wochen ging es zur sogenannten Sklerosierung beim Chefarzt Alberto Schek. Dazu sei eine Elektrolyse-Behandlung gekommen, sagt sie.
Es dauerte, aber es wurde. Hannah Fricke, eine der größten Bremer Nachwuchshoffnungen in den olympischen Sportarten, sprintet und springt wieder. Mitte Dezember hüpfte sie im Dreisprung, im Hop, Step, Jump, schon wieder fast so weit wie vor der Verletzung. Anfang Januar überflog sie im Hochsprung 1,67 Meter, das war ebenfalls fast so hoch wie früher. Und am vergangenen Wochenende sprang sie beim Neujahrssportfest ihres Vereins 5,33 Meter weit und rannte tags darauf beim Meeting des Bremer LT über 60 Meter Hürden erstmals unter neun Sekunden (8,99 sek.).
Kurzerhand entschied sie mit ihrem Trainer und Vater Roman Fricke, fürs kommende Wochenende für die deutschen Mehrkampfmeisterschaften in der Leverkusener Halle nachzumelden. Weil es keine Vorleistung aus der vergangenen Saison gibt, musste dafür ein Sonderantrag beim DLV gestellt werden, Bundestrainer Kai Dockhorn schrieb dafür die Begründung, warum die Bremerin als 21. Athletin in der Konkurrenz im Fünfkampf der U 18 antreten sollte. Die Formalien sind durch, Hannah Fricke darf in Leverkusen ebenso starten wie in der Frauen-Klasse Wiebke Oelgardt aus ihrer Trainingsgruppe. Sie war ebenfalls sehr lange verletzt. „Ich setze mir keine konkreten Ziele für Leverkusen, ich schau’ einfach mal, was ’rauskommt“, sagt Hannah Fricke.
Für sie ist erst einmal viel wichtiger, dass sie wieder beschwerdefrei trainieren kann. „Na, hast du was gemerkt im Knie?“, frage ihr Vater, einst selbst ein erfolgreicher Leichtathlet, sie bisweilen nach dem Training. Sie könne das verneinen, sagt seine Tochter. Nur manchmal, nach besonders harten Einheiten, spüre sie etwas beim Treppensteigen oder ähnlichen Kniebelastungen. Aber im Training und im Wettkampf könne sie die langwierige Verletzung verdrängen.
„Ich kann das komplett vergessen und nehme da keine Rücksicht mehr drauf“, sagt Hannah Fricke. Sie schaut zuversichtlich Richtung Leverkusen – und hat ohnehin Wochen vor sich, deren Programm sich spannend anhört. Die Schülerin der elften Klasse, die 2025 ihr Abitur ablegen will, ist dabei, wenn demnächst ein Schüleraustausch ansteht. Mit einem eher seltenen Ziel: Es geht für drei Wochen nach Kamerun.