Leistungssport erfordert eine Menge Energie. Sie habe das mit der Sprinterei, mit zumeist sechsmal Training pro Woche, schon primär für sich gemacht. Weil sie das wollte, weil sie ihre Zeiten verbessern, ihr Limit erfahren wollte. „Hört sich jetzt blöd an“, sagt sie, „aber ich habe das nicht gemacht, um unbedingt an die deutsche Spitze zu kommen.“ Was nicht zu verwechseln wäre mit dem hohen Anspruch, den sie an sich selbst stellte, mit dem hohen Aufwand, den sie betrieb. Sie sei die Sache mit hohem Ehrgeiz angegangen. Ihr Trainer Andrei Fabrizius kann das definitiv bestätigen.
Sie hätte praktisch das halbe Leben und den ganzen Alltag um den Sport herumgebaut, sagt sie. Urlaub, Schlaf, Essen – alles von Training und Wettkämpfen beeinflusst. Selbst der Menstruationszyklus verläuft bei Leistungssportlerinnen immer auch mit dem Seitenblick auf die Anforderungen des Sportkalenders. Und je größer der Raum wird, den der Sport einnimmt, desto größer wird vermutlich die Ungewissheit, wie man ohne ihn klarkommt. Sandra Dinkeldein sagt, dass es ihr gut gehe, das sagt sie bestimmt auch nicht nur so dahin. Aber sie räumt ein, dass die Entscheidung noch immer nicht so richtig bei ihr angekommen sei. Und wie es ihr gehen wird, wenn sie in der nächsten Saison nur auf der Tribüne statt im Startblock sitzt, wisse sie auch nicht. „Mit dem Sport“, sagt sie, „hatte ich einen Ort, an den ich jeden Tag hingegangen bin, meine Leute getroffen habe.“
Sandra Dinkeldein ist ein Beispiel für all jene ambitionierten Athleten, die fast, aber nicht ganz bis an die Spitze gekommen sind – und für die der Absprung vom Wettkampfkarussell oft eine Mischung aus Erschütterung und Erleichterung darstellt. Sie sind einerseits froh, den Leistungsdruck oder die Enttäuschungen nach unbefriedigenden Ergebnissen los zu sein. Andererseits fragt irgendwann irgendwas im Hinterkopf, warum es nie noch ein bisschen höher, schneller oder weiter gegangen ist. Dinkeldein hält die Bremer Landesrekorde über 100 Meter (11,58 Sekunden) und 200 Meter (23,63 Sekunden). Sie stand ein paarmal im Finale der deutschen Meisterschaften, aber eben nie ganz weit vorn. Ihre beste Platzierung in der Weltrangliste war Rang 135.