Philip Kass, 23 Jahre alt, ist Leichtathlet. Er ist in der vergangenen Saison 5,50 Meter gesprungen, nur drei deutsche Stabhochspringer waren noch höher gekommen. Übertragen auf den Fußball hätte das für einen ordentlich dotierten Vertrag gereicht. In der Leichtathletik ist man damit ein Wackelkandidat für eine weitere Förderung, deren finanzielle Flankierung, zumindest durch die Profifußball-Brille betrachtet, höchst bescheiden ausfällt. Philip Kass, 2015 Bremens Sportler des Jahres, hat aufgehört mit dem Leistungssport.
Der Leistungssport war sein Leben zuletzt. Der ganze Tagesrhythmus, die Ernährung, alles sei darauf abgestimmt gewesen. Sechsmal die Woche Training, manchmal noch häufiger. Er habe dann einfach auf sein Herz gehört. So sagt es Philip Kass, und sein Herz habe ihm quasi eingestanden: Dieses sinnbildliche innere Feuer, das jeder Leistungssportler braucht, um in seinem Metier voranzukommen, lodert nicht mehr. Es sei im vergangenen Jahr bereits nach der Hallensaison losgegangen, erzählt Kass. Die sei so lala gewesen. Bei den deutschen Hallenmeisterschaften sprang er in Dortmund 5,32 Meter. Torben Blech, sein Trainingskollege bei Bayer Leverkusen, sprang 40 Zentimeter höher. Sein Freund Bo Kanda Lita-Baehre, ebenfalls aus Leverkusen, sprang 30 Zentimeter höher.
Philip Kass war 2019 nach Leverkusen gewechselt. In Bremen, in der Trainingsgruppe seines Vaters beim SV Werder, war er mit Abstand der Beste. In Leverkusen, in der Gruppe von Bundestrainerin Christine Adams, war er einer von vielen, da waren quasi Deutschlands Superspringer versammelt. Er wollte das so, er wollte höher hinaus. Er war im Perspektivkader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), er überlegte, in Köln Sport zu studieren. Doch nach dieser Hallensaison, die wegen der Pandemie ohnehin schon keine schillernde war, stellte er sich Fragen. Sagen wir mal: grundsätzliche Fragen. Was will ich eigentlich erreichen? Was ist meine Perspektive? Wie passt das zur täglichen Trainingsquälerei? Und vor allem: Wie passt das zu den Enttäuschungen, wenn die Latte halt wieder zu früh heruntergefallen war im Wettkampf?