Während Ellrott und Deicke mit dessen Eltern schon am Sonnabend bei einem guten Essen die Leistungssteigerung feierten und der Läufer Sonntag noch einen draufsetzte, war Noah Olabisi so etwas wie der Gegenentwurf von Tom Deicke. Olabisi war bei der EM jüngst nicht wie erhofft in der Staffel zum Einsatz gekommen, in der vergangenen Woche sagte das deutsche Team dann auch noch die WM-Teilnahme in Kenia wegen Corona ab. Es war der nächste Tiefschlag für Olabisi. Die DM hätte nun zumindest einen versöhnlichen Abschluss bilden können. „Ich bin mit ihm nicht unzufrieden“, kommentierte Andrei Fabrizius die Vorstellung seines Läufers.
Der Werder-Trainer formulierte es einigermaßen salomonisch, weil natürlich auch er wusste, dass für Noah Olabisi mehr drin war. Fabrizius verstand den Schmerz des Sprinters nur zu gut. Olabisis Dilemma waren im Prinzip die unbeständigen Windverhältnisse im Rostocker Stadion. Während in drei der fünf Vorläufe Rückenwind von mindestens 1,0 Metern pro Sekunde herrschte, blies der Wind in Olabisis Rennen den Aktiven mit 1,8 m/s entgegen. Der Werderaner lief trotzdem eine herausragende Zeit von 10,64 Sekunden – das waren nur fünf Hundertstel mehr als seine Bestzeit (10,59). „Unfassbar stark“ – so bezeichnete Fabrizius Olabisis Auftritt. Was die 10,64 Sekunden eigentlich wert waren, erklärte der Trainer genauer – und damit erklärte er zugleich auch den Frust seines Läufers: „Ein Meter Rückenwind bedeutet über 100 Meter eine um etwa eine Zehntelsekunde bessere Zeit.“
Im Umkehrschluss lässt sich ableiten, was Olabisi möglicherweise erreicht hätte, wenn er statt 1,8 m/s Gegenwind nur Windstille oder gar Rückenwind gehabt hätte. Im Halbfinale traf es Olabisi erneut hart: Während sein Lauf bei 0,2 m/s Rückenwind stattfand, waren es im zweiten Lauf 3,5 m/s. Die 10,67 Sekunden des Bremers reichten nur deshalb für die Teilnahme am Endlauf, weil Olabisi als Gesamtneunter für einen verletzten Konkurrenten nachrücken durfte. Gegen die Windverhältnisse kann niemand etwas machen, aber in Rostock bestätigte sich einmal mehr: Sie können über Siege und Medaillen entscheiden. „Ich werde wohl mit Wut im Bauch in die Hallensaison gehen“, verkündete Noah Olabisi nach der für ihn unbefriedigenden DM.
Platz fünf sei im Prinzip zwar okay, aber die 10,70 Sekunden im Finale nicht. Nach 70 Metern hatte er in dem ausgeglichenen Teilnehmerfeld sogar noch auf Rang zwei gelegen. „Dann bin ich etwas panisch geworden“, sagte der 17-Jährige – mit der Folge, dass seine Muskulatur fest wurde und er zurückfiel. Überlegener Meister wurde James Adebola vom SCC Berlin (10,39) vor Maurice Grahl (LAZ Rhein-Sieg/10,62) und Julien-Kelvin Clair (SV Halle/10,63).
Ohne Chance auf eine vordere Platzierung waren zwei weitere U20-Sprinter des SV Werder. Joshua Olabisi und Elvio Kremming blieben mit ihren jeweils gelaufenen 11,41 Sekunden als Siebte ihrer Vorläufe im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Das ließ sich für Joshua Olabisi im Stabhochsprung jedoch nicht resümieren: Nach souverän gemeisterter Anfangshöhe von 4,40 Metern brach er anschließend bei allen drei Versuchen über 4,55 Meter seinen Anlauf ab – und schied als Zehnter sang- und klanglos aus. Für zwei U18-Aktive des SV Werder war ebenfalls nach den Vorläufen Schluss. In seinem erst dritten 400-Meter-Rennen überhaupt war Lasse Rohr die fehlende Erfahrung natürlich noch anzumerken – nach 51,86 Sekunden und Platz fünf schied er aus. Das gleiche Schicksal ereilte Joanna Otoko, die mit ihren 14,79 Sekunden aber im Bereich ihrer Qualifikationsleistung geblieben war.