So fiel pünktlich um 14 Uhr der erste Startschuss in Bremen in der neuen Corona-Zeitrechnung über die 100 Meter. Es wurde nur jede zweite Bahn besetzt, im Start- und Aufwärmbereich und auf der Tribüne mussten die Abstände eingehalten werden. Auch im Zielgericht galt: Abstand halten. Über diese und weitere Hygiene-Maßnahmen wachte Werders Hygiene-Beauftragter Folko Fichtner. Er musste über die mehr als vier Stunden lediglich einige, wenige Ermahnungen aussprechen. Womit bewiesen wurde: Ja, tatsächlich, Leichtathletik geht auch in diesen besonderen Corona-Zeiten. „Alle sind scharf darauf, endlich wieder starten zu können, und viele Chancen auf Qualifikationsnormen für die Deutschen Meisterschaften im August und September wird es nicht geben. Wir sind mit unserem Meeting auch ein wenig Vorreiter für ganz Deutschland“, sagte Philipp Mehrtens, Präsident des Bremer Leichtathletik-Verbandes. In die Freude des BLV-Chefs stimmte auch Fabian Linne vom SV Werder nach seinem 100-Meter-Finale ein: „Es ist gut, dass es die Möglichkeit gibt wieder laufen zu können. Das zeigen auch die guten Ergebnisse bisher und die vielen Teilnehmer. Bei uns im Team sind alle heiß auf Wettkämpfe, denn dafür trainieren wir ja.“
Sie hatten ja auch quasi durchtrainiert beim SVW, außer ganz zu Beginn des Lockdowns im März. „Wir sind voll im Soll“, betonte Sportwart Andrei Fabrizius, der sich an diesem Sonnabendnachmittag voll auf seine männlichen Sprinter konzentrieren konnte. Im Hinblick auf die wahrscheinlich noch stattfindenden Deutschen Meisterschaften der Erwachsenen und der Jugend werden die Top-Sprinterinnen des SV Werder, Sandra Dinkeldein und Svea Kittner, erst im Juli ins Wettkampfgeschehen eingreifen. Also galt das Augenmerk zunächst Noah Olabisi der im Vorlauf über 100 Meter lockere 10,96 Sekunden auf die Bahn zauberte. Die erste Zeit unter der magischen Zehn-Sekunden-Marke bot jedoch Tobias Morawietz vom VfL Wolfsburg mit 10,94 Sekunden auf, im Finale wurde der Niedersachse allerdings wegen eines Fehlstarts disqualifiziert. So gewann Noah Olabisi den Endlauf in 10,71 Sekunden, jedoch bei zu starkem Rückenwind von 2,7 Metern pro Sekunde. „Das wäre in diesem Jahr die EM-Norm in der U18 gewesen, wenn die EM stattfinden würde“, so Andrei Fabrizius. Ebenfalls eine Norm, nämlich die für die auch abgesagte U16-DM in Bremen, knackte in der Altersklasse M15 100-Meter-Sieger Bastian Lanitz vom SV Werder mit 11,71 Sekunden bei zulässigem Rückenwind. „Beide Zeiten zu diesem Zeitpunkt in dieser Saison zeigen in die richtige Richtung“, freute sich Andrei Fabrizius.
Bei den Männern gelang Fabian Linne nach 10,88 Sekunden im Vorlauf über 100 Meter und anschließenden 10,74 Sekunden als Zweiter im B-Finale ein super Einstieg ins Wettkampfgeschehen. „Es ging besser als gedacht“, kommentierte der Bremer. „Ich hatte es mir komisch vorgestellt, wenn neben mir eine Bahn frei bleibt und ich keinen Nebenmann habe. Aber dann war es doch weniger ungewohnt, und eine Hundertstelsekunde über Bestzeit ist ein guter Anfang.“ Sieger des A-Finales wurde Philipp Trutenat vom TV Wattenscheid 01 in 10,27 Sekunden. Er ist Doppel-Europameister über 4x100 Meter aus 2017 und 2019 und verbesserte seine persönliche Bestleistung um vier Hundertstelsekunden. Bei der weiblichen Jugend U20 sorgten Siegerin Talea Prepens in 11,58 Sekunden und die Zweitplatzierte Lilly Kaden vom FC Schalke 04 mit 11,61 Sekunden für Glanzlichter.
Den Schlusspunkt nach weiteren Rennen über 400 und 300 Meter in den diversen Altersklassen bildete die halbe Stadionrunde über die 200 Meter. Fabian Linne möchte Anfang August bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig in seiner Paradedisziplin gerne ins Finale laufen. Eine Qualifikationsnorm gibt es zurzeit noch nicht, das Teilnehmerfeld wird laut des Hygiene-Konzeptes des Deutschen Leichtathletik-Verbandes wohl auf 16 Teilnehmer beschränkt werden. „Also wissen wir ungefähr, was Fabian laufen muss“, so Andrei Fabrizius. Eine niedrige 21er-Zeit sollte es sein. Daraus wurde zunächst nichts, denn Fabian Linne musste das Rennen ausgangs der Kurve abbrechen. Trotz dieses nicht optimalen Schlussakkords war es eine gelungene Bremer Leichtathletik-Premiere im Jahr 2020.