Am vergangenen Wochenende starteten die Langläufer Janina Beck und Thomas Adick als 2er Staffelteam beim Berliner Mauerweglauf. Die Gesamtdistanz dieses symbolträchtigen Laufes beträgt 100 Meilen, also ungefähr 161 Kilometer.
Am vergangenen Wochenende starteten die Langläufer Janina Beck und Thomas Adick als 2er Staffelteam beim Berliner Mauerweglauf. Die Gesamtdistanz dieses symbolträchtigen Laufes beträgt 100 Meilen, also ungefähr 161 Kilometer.
Es gibt wohl kaum einen anderen Ultramarathon mit so engem Bezug zur jüngeren deutschen Geschichte. Denn gelaufen wird entlang der früheren Grenze, 100 Meilen rund um das westliche Berlin. Wo früher eine Mauer stand, sind jetzt Hunderte Läuferinnen und Läufer aus aller Welt unterwegs. Ein sportliches Zeichen der Erinnerung an die Teilung Berlins und ihre Opfer zwischen 1961 und 1989. Nach Erkenntnissen der Stiftung Berliner Mauer kamen zwischen 1961 und 1989 mindestens 138 Menschen an der früheren Grenze ums Leben, darunter 100 DDR-Bürger bei Fluchtversuchen. Der Mauerweglauf erinnert an diese Menschen und Schicksale. Aus diesem Grund trägt auch die Finisher-Medaille jedes Jahr das Konterfei eines Maueropfers, in 2017 das von Dorit Schmiel.
Dorit Schmiel, von Freunden auch „Dorle“ genannt, wird im Kriegsjahr 1941 in Berlin geboren. Sie wächst im Ost-Berliner Stadtbezirk Pankow auf, lernt den Beruf der Schneiderin und arbeitet in einem volkseigenen Betrieb. Mit dem Bau der Mauer 1961 wachsen Unmut und Unzufriedenheit, ein Jahr später beschließt sie gemeinsam mit Freunden, die DDR zu verlassen. Meldungen von geglückten Fluchtaktionen – unter anderem die eines Cousins – bestärken Dorit in der Absicht, ebenfalls die Flucht zu wagen. In der Nacht vom 18. auf den 19. Februar 1962 ist es soweit: Im Pankower Ortsteil Rosenthal nähern sich die fünf Freunde der mit Stacheldraht gesicherten Grenze, auf der anderen Seite liegt der West-Berliner Bezirk Reinickendorf. Mit einer Drahtschere schneiden sie zunächst ein Loch in den ersten Zaun, kriechen danach durch Matsch und Schnee gen Westen. Kurz vor Erreichen der beiden letzten Zaunreihen beginnt das Drama, die Flüchtenden werden von Grenzposten entdeckt. Ohne Vorwarnung wird das Feuer eröffnet. Dorit wird dabei von einer Kugel in den Bauch getroffen, auch einer ihrer Freunde wird verletzt. Dorit blutet stark, weint vor Schmerzen. Im Volkspolizei-Krankenhaus in Berlin-Mitte, in das sie gebracht wird, erliegt Dorit ihren schweren inneren Blutungen. Die anderen Flüchtlinge werden von einem DDR-Gericht zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt. Die an der Tat beteiligten Grenzsoldaten werden nach der „Wende“ zu Freiheitsstrafen verurteilt, diese jedoch zur Bewährung ausgesetzt.
(Quelle: LG Mauerweg Berlin e.V.)
Zum sportlichen Teil: vor einigen Monaten entschlossen sich Thomas Adick, der im letzten Jahr sein Debüt im Ultramarathon in Berlin feierte, und Janina Beck als grün-weißes Staffelduo an den Start zu gehen. Für Janina Beck, die den ersten Abschnitt über 71 Kilometer zu meistern hatte, war es der erste Ultramarathon ihres Lebens. Bei relativ schlechten Wetterbedingungen lief sie zum eigenen Erstaunen „ziemlich konstantes Tempo über nahezu die gesamte Strecke. Lediglich auf den letzten 7 Kilometern waren aufgrund einiger Steigungen auch Gehpausen notwendig“, so Beck. Nach etwas mehr als 7 Stunden Laufen erreichte die Werderanerin überglücklich den Wechselpunkt 2 in Sacrow, wo Thomas Adick bereits auf seinen Einsatz wartete. Vor ihm lag eine zu laufende Gesamtdistanz von 91 Kilometern.
Bis zum Wechselpunkt 3 in Teltow lief alles nach Plan für den „Läufer aus Leidenschaft“. Dort angekommen wurde die Nachtausrüstung, bestehend aus reflektierender Weste und Stirnlampe angelegt. Bedauerlicherweise fing es kurz danach, ab km 38 an zu regnen, was Adick den ohnehin schon anstrengenden Lauf zusätzlich erschwerte: „Die einsetzende Dunkelheit und die ehemaligen Postenwege, die nicht nur aus Asphalt oder Betonplatten, sondern teilweise auch aus Trampelpfaden querfeldein bestehen, waren nachts kein wirklich besonderer Spaß“, so Adick.
Nach gut 65 Kilometern legte Thomas Adick eine längere „Zwangspause“ ein, da er durch den Regen und das nasse Trikot sehr ausgekühlt war. Eingewickelt in eine Wolldecke und später in eine Rettungsdecke ging er langsam 6 Kilometer weiter bis sich der Körper wieder erholt hatte. Trotz immer größerer Müdigkeit kam Adick zu keinem Zeitpunkt des Rennens der Gedanke ans aufgeben, es galt für ihn das Motto „Augen zu (bzw. besser nicht) und durch“.
Nach insgesamt 13:39:01 Stunden kam Thomas Adick überglücklich im Ziel an, der 100 Meilen von Berlin waren bezwungen. „Diese knapp 91 Kilometer am Stück durch Regen, Acker, Wald und Nacht waren für mich eine wahnsinnig große Erfahrung. Obwohl die Verpflegungspunkte in der Regel nur gut 6 Kilometer auseinander lagen kam mir jeder Kilometer am Ende vor wie ein eigener Marathon. Vorgenommen hatte ich mir, die Strecke in 11 Stunden zu laufen, die 6 Kilometer zu Fuß in der Rettungsdecke sowie die lange Umziehpause haben aber einfach viel Zeit gekostet. Im Endeffekt ist das aber auch nebensächlich.“
Von insgesamt 17 Zweier-Staffeln kam das Werder-Duo auf einen guten 7. Platz. Das Sechstplatzierte Team kam gut 2,5 Stunden vorher ins Ziel, dahinter folgten die restlichen 2'er Staffeln fast im 15 Minuten Takt. Insgesamt zogen Janina Beck und Thomas Adick ein äußerst zufriedenes Fazit: „Es war ein toller Lauf in Berlin, mit super Betreuung an der Strecke. Man läuft entlang von orangen Stelen - jede für ein Maueropfer. Die große Distanz lässt einen nochmal bewusst werden, was für ein Wahnsinn hier in der Geschichte betrieben worden ist. Unser Respekt gilt heute allen Läufern, die es innerhalb des Zeitlimits geschafft haben die Strecke zu absolvieren. Es war mit Sicherheit nicht das letzte Mal, dass wir hier am Start waren.“