Leon Biganzoli ist leidenschaftlicher Handballer im Inklusionsteam der Grün-Weißen. Und auch darüber hinaus engagiert er sich für die Abteilung und den SV Werder.
Leon Biganzoli ist leidenschaftlicher Handballer im Inklusionsteam der Grün-Weißen. Und auch darüber hinaus engagiert er sich für die Abteilung und den SV Werder.
Wenn am späten Samstagnachmittag die Zweitliga-Handballerinnen der Grün-Weißen die Klaus-Dieter-Fischer-Halle betreten, dann ist Leon Biganzoli schon seit einiger Zeit da. Die Spielerinnen klatschen den 25-Jährigen ab und wissen, dass er bereits einiges dafür getan hat, damit ihr Spiel später reibungslos abläuft. Die Tische für die Kasse im Foyer sind aufgebaut, die Trommeln für die Fans stehen an ihrem Platz, das Wasser für die beiden Teams ist bereitgestellt und vieles mehr. „Mir macht das Spaß“, sagt Leon Biganzoli. „Ich verstehe mich gut mit der Mannschaft und merke, dass alle meine Hilfe schätzen. Das bedeutet mir sehr viel.“ Klar, dass er während des Spiels am Rand mitfiebert und die Freude über jeden Sieg riesengroß ist.
Werder spielt im Leben von Leon Biganzoli eine wichtige Rolle. Und das schon von klein auf. In Sichtweite des wohninvest WESERSTADION wuchs er auf, direkt am bekannten Brommy-Platz, wo „wir als Kinder immer gebolzt haben“, erzählt er. Früh besuchte er mit seinem Vater die Bundesliga-Spiele der Grün-Weißen, war als Kind beeindruckt von Johan Micoud und Ivan Klasnic. Später schloss sich der begeisterte Sportler zunächst dem Fußball-Inklusionsteam der Grün-Weißen an, wechselte dann nach einiger Zeit zum Handball, um „mal etwas Neues auszuprobieren“, und erinnert sich strahlend: „Das hat mir sofort Spaß gemacht.“
In einem bunt gemixten Team aus Handballerinnen und Handballern von 13 bis 60 Jahren – mit und ohne Handicap – gehört der Linkshänder, der zumeist im rechten Rückraum zum Einsatz kommt, bei Turnieren beständig zu den besten Torschützen: „Ich freue mich, wenn ich der Mannschaft mit meinen Toren helfen kann, und mag diese tragende Rolle und die Verantwortung.“ Diese Einstellung und die handballerischen Fähigkeiten werden nicht nur von Mitspielerinnen, Mitspielern, Trainer:innen-Team und Verantwortlichen geschätzt, sondern blieben auch darüber hinaus nicht unbemerkt. Bei den Nationalen Spielen von Special Olympics 2022 in Berlin, an denen er mit dem SV Werder teilnahm, spielte sich Leon Biganzoli in den vorläufigen Kader der deutschen Unified-Nationalmannschaft für die Weltspiele 2023. Letztlich reichte es nicht für eine endgültige Nominierung, was zunächst zu verständlicher Enttäuschung führte, dem Werderaner aber den Spaß am Handball nicht nehmen konnte.
„Ich bin auf jeden Fall ehrgeizig“, sagt Leon Biganzoli über sich. „Aber es gibt manchmal Tage, an denen es nicht so gut läuft.“ Dann hadert er gerne einige Zeit mit sich, weiß aber: „Letztlich muss ich es abhaken und es nächstes Mal besser machen.“ Das gilt für den Handball genauso wie für seine zweite Leidenschaft, das Golf spielen. Der 25-Jährige ist Mitglied im Golf-Club Oberneuland und sorgt auch hier bundesweit für Furore. Bereits mehrfach sicherte sich Leon Biganzoli den Deutschen Meistertitel in der Kategorie ‚Mental‘. Er ist Mitglied im ‚Team Germany‘ der Golfer mit Behinderung. Und der Stolz auf das aktuelle Handicap von 11,6 ist spürbar.
Am meisten Spaß macht mir, Dinge zu trainieren, die ich aufgrund meiner Behinderung eigentlich nicht so gut kann oder die mir schwerfallen.Leon Biganzoli
Und doch sind die Erfolge beim Golf nicht alles, was zählt. „Am meisten Spaß macht mir, Dinge zu trainieren, die ich aufgrund meiner Behinderung eigentlich nicht so gut kann oder die mir schwerfallen“, betont er. „Ich habe eine Konzentrationsschwäche, schweife immer mal in Gedanken ab. Aber beim Golf gelingt es mir gut, bei mir zu bleiben. Auch wenn ich mal schlechte Schläge habe. Hier habe ich in den letzten Jahren unglaublich viel dazugelernt.“ Es ist eine beeindruckende Reflexion der eigenen Fähigkeiten. „Manches dauert bei mir etwas länger“, sagt der gebürtige Bremer. Zusammenhänge schnell zu verstehen, fällt ihm häufig schwer. Mitmenschen beobachten, „wie ich manchmal meinen Mund bewege, ohne etwas zu sagen, oder die Augen komisch bewege“. Die Stimmen, die er dabei in seinem Kopf höre, „kann ich beim Golfen wunderbar abschalten“, erklärt er.
Leon Biganzoli sind die Beeinträchtigungen also nicht unmittelbar und jederzeit anzusehen. „Ich bin glücklich darüber, dass ich wie ein ‚normaler‘ Mensch behandelt werde“, sagt er. Die Förderungsgesellschaft für Bildung (FÖG) in Bremen ermöglicht es ihm, seine Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt unter Beweis zu stellen. Die dreijährige Ausbildung zum Fachpraktiker für Lagerlogistik hat Leon Biganzoli kürzlich erfolgreich abgeschlossen.
Stolz ist der junge Werderaner auf seine Familie: Vater Jochen ist ein renommierter Opernregisseur. Derzeit lehrt er als Professor für Musiktheater/Szene an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar. Mutter Anke arbeitet als Logopädin mit Kindern und Jugendlichen. Und seine jüngere Schwester Emma studiert Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule in Münster.
Leon Biganzoli schätzt den Rückhalt der Familie und hat zugleich seinen eigenen Weg gefunden: Jeden Dienstag geht es zum Golf-Training mit der zweiten Mannschaft des GC Oberneuland. Jeden Samstag findet ab 9.00 Uhr in der Werder-Halle Hemelinger Straße das Training des Inklusionsteams Handball der Grün-Weißen statt. Und natürlich verpasst er kein Heimspiel der Zweitliga-Handballerinnen und möglichst auch kein Fußballspiel im wohninvest WESERSTADION. Seit einiger Zeit hat die Fan-Leidenschaft sogar noch größere Ausmaße angenommen, und Leon Biganzoli war bereits mehrfach mit auf Auswärtsfahrt, pflegt so Kontakte zu anderen Fans. Werder wird daher wohl auch in Zukunft eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen. „Hier haben alle ein offenes Ohr für mich“, sagt er glücklich.
Quelle: WERDER MAGAZIN 359, Juni 2024