Handball-Leidenschaft wird beim SV Werder Bremen über Generationen vererbt: Katja Tiedemann kam als Kind durch ihre Mutter Karin zum Handballsport und hat den Familien-Staffelstab mittlerweile an ihre Tochter Lotta weitergegeben.
Handball-Leidenschaft wird beim SV Werder Bremen über Generationen vererbt: Katja Tiedemann kam als Kind durch ihre Mutter Karin zum Handballsport und hat den Familien-Staffelstab mittlerweile an ihre Tochter Lotta weitergegeben.
Dabei ist „weitergegeben“ nicht ganz korrekt. Vielmehr hält Katja Tiedemann den Staffelstab weiterhin auch selbst fest in der Hand. Denn trotz bald vier Jahrzehnten Handballsport hat die 44-Jährige noch lange nicht genug. „Ich habe schon immer gesagt, dass ich aufhöre, wenn mir alle anderen in der Mannschaft weglaufen“, lacht sie. In Werders 3. Frauen-Mannschaft, die in dieser Saison in der Bremen-Liga antritt, ist das offensichtlich noch nicht der Fall…
Dass Katja Tiedemann im Alter von sechs Jahren mit dem Handball begann, war nur schwer zu verhindern. Schließlich waren Mutter Karin und Vater Rolf begeisterte Handballer. „Dadurch bin ich in der Sporthalle groß geworden“, sagt sie und ist spürbar dankbar dafür, dass auch sie schon früh mit dem Handball-Virus, der sie bis heute nicht losgelassen hat, infiziert wurde. Auch wenn sie im Rückblick schmunzelnd den Kopf schüttelt, welche Ausmaße die Handball-Leidenschaft ihrer Eltern damals annahm. Mutter Karin stand schon kurz nach der Geburt ihrer Tochter wieder in der Trainingshalle – was soweit sicher auch für die damalige Zeit Ende der 1970er Jahre nicht ungewöhnlich ist. Aber: Da Vater Rolf Trainer der Mannschaft war, wurde die kleine Katja abends ins Bett gebracht, dann wurden die Nachbarn informiert, mit der Bitte, ein wenig die Ohren offenzuhalten, ob es von nebenan verdächtige Geräusche gab, und dann rauschten die Eltern ab zum Training.
Katja Tiedemann kann heute darüber lachen. Und ist doch froh, dass ihr Partner Gerrit die Leidenschaft für den Handball nicht teilt und sich stattdessen verständnisvoll um die Kinder kümmert, wenn sie mal wieder sportlich unterwegs ist. Und das ist ziemlich häufig der Fall. Denn für Katja Tiedemann war Handball schon immer mehr, als „nur“ Spielerin einer Mannschaft zu sein. Seit langem engagiert sie sich als Schiedsrichterin und verfolgt darüber hinaus seit jeher leidenschaftlich gerne als Zuschauerin die Spiele der anderen Werder-Teams. Zudem hat sie frühere Bedenken über Bord geworfen: „Ich hatte zwar schon immer Lust, mal eine Mannschaft zu trainieren, dachte aber, dass ich für die Kleinen zu ungeduldig bin.“ Mittlerweile jedoch unterstützt Katja Tiedemann die Mannschaft ihrer Tochter Lotta als Trainerin. Und: „Es macht riesigen Spaß.“
Also läuft ein Handball-Tag bei Tiedemanns gerne mal so ab: Um kurz vor 15.00 Uhr steigen Mutter, Tochter und der kleine Juri, der im vergangenen Jahr zur Welt kam, im heimischen Syke – knapp 25 Kilometer von der Hansestadt entfernt – ins Auto, um zum E-Jugend-Training in der Klaus-Dieter-Fischer-Halle zu fahren. Wenn das Training um 15.30 Uhr beginnt, kommt Oma Karin und schiebt den kleinen Juri im Kinderwagen ein bisschen durch Bremen. „Klappt das mal nicht, dann finden wir hier trotzdem immer einen Babysitter“, ist Katja Tiedemann dankbar für die Unterstützung. Nach Training und Duschen geht es wieder nach Hause, wo die drei gegen 18.00 Uhr ankommen. Und schon eine dreiviertel Stunde später sitzt Katja Tiedemann wieder im Auto, um zum Training ihrer Mannschaft zu fahren. Ist der Zeitplan durch unerwartete Unwägbarkeiten nicht zu halten, „dann treffen wir uns schon mal auf halber Strecke zwischen Bremen und Syke“. Papa Gerrit kommt mit leerem Auto entgegen, übergibt das Fahrzeug und fährt mit den Kindern wieder nach Hause.
Zwar begann Katja Tiedemann einst bei der SG Bremen-Ost mit dem Handball („Weil Mama da spielte“), doch mit neun Jahren wechselte sie zum SV Werder, „weil wir damals in Hastedt wohnten und die Halle viel schneller zu erreichen war“. 1995 entschied sie sich für einen Abstecher auf die andere Weserseite zum ATSV Habenhausen, „denn ich war im zweiten A-Jugend-Jahr die einzige verbliebene Spielerin des Jahrgangs 1978…“. Seit 2000 spielt Katja Tiedemann wieder für den SV Werder, zunächst viele Jahre in der 2. Mannschaft. Mit 30 Jahren wechselte sie in die 3. Mannschaft.
Schon früh war Tochter Lotta bei den Spielen stets dabei und fand bald ebenfalls Gefallen am Handball. „Es hat mir von Anfang an Spaß gemacht“, sagt sie. „Auch weil ich bei Werder viele Freundinnen gefunden habe.“ Wie für ihre Mutter gehört auch für Lotta der Besuch der Heimspiele der ersten Mannschaft in der 2. Bundesliga fest zum Wochenend-Programm. Aufmerksam sitzt sie dann auf der Tribüne – mit leuchtenden Augen und dem Wunsch, dort irgendwann selbst einmal dabei zu sein. Wie es sich anfühlt, vor einem großen Publikum Handball zu spielen, das durfte Lotta Tiedemann dabei im Sommer schon erleben, als sie mit ihrer Mannschaft beim Beachhandball-Turnier in Cuxhaven den ersten Platz belegte und das Finale im eindrucksvollen ‚Stadion am Meer‘ gewann.
Zwar kann Katja Tiedemann für ihre Tochter nicht als Vorbild in Sachen Leistungssport herhalten („Bei Mama zuzuschauen, ist manchmal etwas langweilig“, lacht Lotta), aber – noch viel wichtiger – in Sachen Treue zum Sport. Denn obwohl sie als Jugendliche von zwei schweren Knieverletzungen insgesamt zweieinhalb Jahre außer Gefecht gesetzt wurde, „habe ich nie aufgehört, sondern immer weiter gespielt“. Und das wird wohl auch noch eine Zeit lang so weitergehen. Sehr zur Freude von Papa Gerrit: „Wenn eine längere Trainingspause ist, dann fragt er schon mal: ‚Wann seid ihr endlich wieder beim Handball?‘“ Denn der Lehrer und leidenschaftliche Musiker „ist dann ganz gerne mal mit seiner Gitarre alleine zu Hause“, lacht Katja Tiedemann, der der Handball manchmal sogar übermenschliche Kräfte verliehen hat. Zumindest wenn man der Presse glaubt, denn die titelte einst: ‚Katja Tiedemann rettet Weihnachten‘. Dabei hatte sie ‚nur‘ bei einem Spiel ihrer Mannschaft wenige Tage vor Weihnachten kurz vor dem Abpfiff das Siegtor erzielt.