Politik und Fußball in Bremen

Naja, auch das "Meinetwegen können sich alle Gewaltbereiten irgendwo auf einer Wiese treffen und sich prügeln" ist im Prinzip auch nicht weit genug gedacht.
Klar werden dabei Unschuldige / Unbeteiligte außen vor gelassen etc.
Aber es ist ja zu vermuten, dass es auch Verletzte gibt. Jetzt kommt der Einwand "Ja, aber die machen das doch freiwillig" usw.
Nur was macht man mit Verletzungen, wenn es nicht gerade eine Bagatelle ist? Zum Arzt gehen. Hier fallen Behandlungskosten an, die in der Regel die Krankenkasse trägt. Anzeigen gibt es nicht, daher auch keine Regressmöglichkeit des Sozialversicherungsträgers. Wer zahlt es also am Ender? Der Beitragszahler, der sich dann über steigende Zuzahlungen ärgert.

 

Bremer Senat + DFB/DFL handeln beide idiotisch:

Ich kann nachvollziehen, dass das Land Bremen nicht einsieht, allein für die Polizeieinsätze aufzukommen, während die DFL viel Geld aus der Vermarktung einstreicht. Aber der Alleingang war das Dämlichste, was man machen konnte. Den Schaden haben die Fans und die Stadiongesellschaft.

Ich kann auch nachvollziehen, dass DFB und DFL Angst haben, dass das Bremer Beispiel Schule macht, wenn sie Bremen so einfach davonkommen lassen. Aber diese Erpressermethoden auf Kindergartenniveau sind einfach nur lächerlich.

 

Es gibt keine Möglichkeit, dass sich solche Horsts irgendwo die Köppe einschlagen können, ohne dass irgendwer da mit reingezogen wird.

 

Richtig und die haben auch beim Fußball nichts zu suchen.

Allerdings deckt sich das von Polizei und Politik gezeichnete Bild - Zunahme von Gewalt und ausufernde Kosten - in eklatanter Weise nicht mit dem Erfahrungswert, dass Fußball heute ein gesellschaftliches Familienereignis ist, zu dem immer mehr Frauen, Kinder usw. gehen und das gerade im Bezug auf die Bundesliga immer sicherer wird, eben auch, weil die Vereine in Fanprojekte und Fanbetreuung investieren, weil es gerade auch in Bremen einen direkten Dialog zwischen Fans und Verein gibt.

Wer dann immer nur von ausufernden Polizeikosten redet und von Fangewalt, der steckt mit seinem Weltbild noch immer im Hoolzeitalter und der Situation in den 80ern und frühen 90ern fest. Insgesamt, wenn ich heute zum Fußball gehe, sehe ich sehr sehr wenig Gewalt und Gewaltbereitschaft und größere Fangruppen, die gemeinsam zum Stadion ziehen, lassen sich leicht polizeilich begleiten.

Ebenso irrt sich, wer meint, man müsse im wesentlichen auf "einschüchterung" setzen. Vor den letzten Derbies gab es von den beteiligten Vereinen immer Aufrufe zur Deeskalation. Darum geht es und nichtdarum, durch aggressives Auftreten der Polizei, durch Drohung und einschüchterung weiteresGewaltpotential zu wecken. Diese falsche, veraltete Strategie hat bereits dazu geführt, dass viele Fans inzwischen die Polizei fast mehr hassen als die gegnerischen Fans und dass die Stimmung zwischen Fans und Polizei teilweise vergiftet ist. Wenn dann Gewalt zwischen Fans und Polizei auftritt, dann sagen die Polizisten natürlich, dass sie noch mehr Polizei brauchen und dann wird das alles immer teurer, obwohl die Fans im Querschnitt immer friedlicher werden. Da muss man dann eben auch mal als Innenpolitiker die Eier haben, der Polizeiführung zu sagen, dass man den Privatkrieg gegen bestimmte Fans nicht mitträgt, geschweige denn finanzieren will.

 

An Sicherheit sollte niemals gespart werden. Dem einzelnen zivilisierten Bürger ist es egal, ob 50 mehr Polizisten eingesetzt werden, als vielleicht am Ende nötig gewesen wären. Ich will ein positives und gutes Sicherheitsgefühl haben, egal wo ich bin.

Ich kann mich dran erinnern, wie ich eines Abends vom Auswärtsspiel von Werder aus Hannover zurückfuhr und den Anschlusszug in Minden verpasste. Zur gleichen Zeit spielte Schalke in Wolfsburg, was zur Folge hatte, dass wir im Mindener Bahnhof auf Horden von Schalkern trafen, die uns nur weil wir nicht den gleichen Fußballverein favorisieren, durch den Bahnhof jagten. Weit und breit keine Polizei zu sehen.

Das ist ein Grund sich aufzuregen, aber nicht über angeblich aggressiv wirkende Reiterstaffeln (über den polizeitaktischen Sinn und Zweck von Reiterstaffeln kann man hingegen diskutieren). Lieber zuviel als zu wenig Polizei.

 

Bei solchen Szenarios wie der Begegnung mit anderen Fans auf Provinzbahnhöfen wirst Du nur sehr selten Polizei sehen. Die hängen ja alle an den Stadien herum.

 

Richtig. Zum Glück ist der Fußball ein Familienereignis mit einem breit gefächterten Publikum.
Und wird wissen auch beide, dass die Politik wenn sie von zunehmender Gewalt spricht auch gerne mal den Typ mit Schal vor dem Gesicht meint, der auf dem Zaun sitzt und ein Bengalo zündet. Was je nach Definition von Gewalt - meiner z.B. - völliger Bullshit ist.
Dazwischen und dem brutalen Riot rivalisierender Hools gibt es aber Zwischenstufen. Eine ist unter anderem dieser dumme, moderne Schwanzvergleich des "Materialzockens". Jedes Wochenende werden in den diversen Ligen Schals, Zaunfahnen, Schwenkfahnen, Shirts etc. präsentiert. Sicherlich auch oft auf Kosten einer blutigen Nase geraubt.
Wer geht da zur Polizei und erstattet Anzeige? Ich kann da keine Zahlen liefern aber sicherlich gibt es da unzählige Raubdelikte, die in keinerlei Statistiken einfließen.
Um auf deinen anderen Punkt einzugehen: Großartige Sache die diversen Fanprojekte etc, diese leisten eine großartige Arbeit, die ich nicht missen möchte.
Es dürfte aber nicht messbar sein, wieviel Gewalt durch deren Arbeit verhindert werden konnte und wieviel durch alleinige Präsenz der Polizei und aber auch immer bessere Kameraüberwachung, Identifikationsmöglichkeiten etc.
Unter den Gruppen Im Fußballumfeld, die der Gewalt zugeneigt sind dürften einige sein, die sich von aller präventiven Arbeit durch Projekte aller Art unbeeindruckt zeigen. Die erreichst du damit nicht. Ähnlich wie diejenigen, die nicht auf Demos gehen der Sache wegen sondern weil "geil auf Gewalt".

Klar ist das Bild ein ganz anderes als in den 80ern oder auch 90ern. Aber nicht nur im Fußball, seinem Umfeld und den Szenen.
Zum Glück sehe auch ich wenig Gewalt, die Gewaltbereitschaft ist aber sehr wohl da. Pöbeln (übrigens gerne hinter einer massiven Polizeikette, aber das nur am Rande) gehört da zum guten Ton für diverse Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene, um den starken Mann zu markieren.
Jetzt kommt sicher der Einwand "Ja ist denn dieses dumme Pöbeln für dich schon Gewalt?". Nein, ist es nicht. Aber Provokation und Reaktion, gegenseitiges Aufschaukeln und schon ergibt sich Eigendynamik.

"Einschüchterung" ist für mein Verständnis die falsche Vokabel. Präsenz zeigen, passive Sicherheit, das ist es.
Und da bin ich wieder bei meinem Punkt von vorhin, gewisse Einzelpersonen und Gruppen wirst du mit keinem Deeskalationsaufruf dieser Welt erreichen, das ist doch naiv.
Und der von dir angesprochene Hass der Polizei gegenüber: Das gehört doch mittlerweile auch zum guten Ton des Möchtegern-Badboy. ACAB Shirt oder Sticker, Provokation der Beamten. Bei Bildern von Fanmärschen etc. ist man doch insgeheim froh um jeden Beamten mehr weil das so schön martialisch aussieht und der eigenen Gruppe was "gefährliches" gibt.
In der Vielzahl der Fälle ist es so, dass wer nichts doofes macht auch nichts von der Polizei zu befürchten hat. (Ja, ich weiß auch um Gegenbeispiele). Und wer dahingehend nichts zu befürchten hat braucht auch keinen Hass auf die Cops zu haben.

Die Polizei macht jedes Wochenende ihren Job. Nicht immer gut, aber wer kann das von sich behaupten, fehlerlos zu sein?
Und wie ich in diesem Thread schonmal schrieb wollte ich nicht Wochenende für Wochenende aufs Maul bekommen abwechselnd von Faschos, Autonomen, Fußball-Krawalltouristen, Rockern, Demonstranten,....

 

Gerade das macht doch den Reiz aus.

 

Das kurzfristig angesetzte Testspiel zwischen Werder und Hannover findet am 6.8 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt:

http://www.focus.de/regional/bremen...reinbaren-testspiel-ohne-fans_id_4027573.html

Für die Polizei wäre dieses ein (demnächst kostenpflichtiges) Hochsicherheitsspiel gewesen.

Wie und ob dieses im Zusammenhang zu der Entscheidung neulich steht kann ich nicht beurteilen. Ein Signal, dass man im Zweifel eben keine Einnahmen für Gastronomie etc. bringen wird könnte es aber schon sein, insbesondere da in diesem Fall Werder selbst die Rechnung erhalten hätte.

 

Natürlich steht das Spiel im Zusammenhang mit der Entscheidung. Das Spiel ist eine Provokation und ein Schlag ins Gesicht der Bremer Landesregierung. Völlig unnötige Aktion von Werder, so ein Spiel anzusetzen!!! Wenn sie einen starken Gegner hätten haben wollen, dann hätten sie auch Mainz oder Freiburg fragen können, das Spiel in Verden oder Nienburg oder wer weiß wo austragen können, ohne riesen Ärger mit der Polizei....

 

und der kommt völlig zu recht, falls es denn wirklich absicht ist.

 

Bremer Landesregierung abwracken!

 

Man kann ja über die sagen was man will, aber ich finde es 100% richtig dass die Vereine für den Polizeieinsatz zahlen müssten. Nur leider fürchte ich, dass in solch einem Fall die Eintrittskarten fürs Stadion noch teuer werden, da Werder die zusätzlichen Kosten wieder auf uns Fans abwälzen würde...

 

und warum findest du das?

 

Weil ich der Meinung bin, dass der Veranstalter für solche Einsätze zahlen muss.

 

und warum das? wenn die polizei demnächst meint, bei einem hochrisikogefahrderby 5000 polizisten auf pferden einzusetzen, soll werder dann auch dafür bezahlen? obwohl der verein weder für den einsatz verantwortlich ist, noch den grund für den einsatz oder den einsatz an sich verhindern kann?

 

Also erstens ist Werder für den Grund verantwortlich, da es sich um ein Werder-Spiel handelt. Zweitens kann Werder den Einsatz verhindern, indem sie dieses dämlich Spiel gegen Hannover absagen!!

Und natürlich muss der Einsatz im Verhältnis stehen und es muss ein enge Absprache zwischen Verein und Polizei geben. Aber eins ist klar, ohne das Spiel gäbe es keinen Einsatz, als ist Werder auf jeden Fall zur Rechenschaft zu ziehen. Warum soll der Steuerzahler dafür zahlen?? Wenn Du eine Party organisierst zahlt dann Dein Nachbar die Getränke???

 

Ich möchte jetzt mal etwas provokatives in die Runde werfen. Eines vorweg, ich bin seit langem Fan von Werder, wohne aber nicht in Bremen oder Umgebung, sondern rund 300 Km weg. Und ich lese schon seit langem im Forum und schreibe auch gelegentlich mal ein paar Gedanken von mir zu bestimmten Themen. Also was mir immer wieder aufgefallen ist, dies ist der Tenor das sich die Bremer oft als das gallische Dorf im Fußballgeschäft gefühlt haben. Und jetzt wo eure Landesregierung dies auch einmal für sich in Anspruch nimmt, da ist es euch auf einmal auch nicht recht. Das Verhalten beider Seiten, nämlich des Senats, aber auch des DFB ist sehr diskussionswürdig. Und natürlich kann die Landesregierung von Bremen jetzt nicht einfach sagen, okay wir nehmen unsere Entscheidung so einfach zurück. Dies würde ja heißen sie lässt sich erpressen von einem Sportbund, also bei allem Verständnis, da hört für mich mein Demokratieverständnis auf.

 

nein, genausowenig wie ich für polizeieinsätze aufgrund von prügeleien bei der anreise meiner gäste zahle.

der steuerzahler soll deshalb dafür zahlen, weil die einsätze auf öffentlichem gebiet passieren und ein verursacher für die einsätze auch schwer in verantwortung gezogen werden kann. deshalb ist bei veranstaltungen der einzig vernünftige weg, die durch polizeieinsätze enstandenen kosten auf die steuerzahler aufzuteilen.

 

Also, ich war zu meinen Punkzeiten schon mal tierisch froh, mich am Berliner Hbf hinter einer aufmarschierten Reihe von Polizisten verbergen zu können, die zwischen mir und meinen Freunden und angetrunkenen Hansa Fans standen, deren Mannschaft gerade gegen Hertha verloren hatte (ja, das ist schon etwas her).
Solange die Polizei für den öffentlichen Raum eine Verantwortung hat, solange werden da bei Fußballspielen Kosten entstehen. Die Fanprojekte haben einiges bewirkt, aber wie jemand weiter oben schrieb, gibt es dazu keine messbare Zahl. Und die Leute, die weniger aufgrund des Fußballs als aufgrund der Reibereien vor Ort sind, wird man m.E. nach schwer in solche Projekte einbinden können. Dazu die Gruppendynamik.
In einer für Werder weiterhin schwierigen Zeit finde ich es von der Bremer Regierung aber ziemlich unüberlegt, dieses Fass aufzumachen. Man kann sich ja Gedanken machen, wie man das Polizei Aufkommen möglichst gering hält, dafür aber an den richtigen Stellen einsetzt und so ggf weniger Kosten entstehen. Da aber selbst Lokalpolitiker kleinerer Städte völlig sinnbefreite Entscheidungen treffen, bin ich nicht sicher, dass in Bremen langfristig gedacht wird.
Am Ende zahlen wohl doch wieder die Fans, die einfach nur Fußball gucken möchten...