Das hat es in der Ära Schaaf bisher nur ganz, ganz selten gegeben. Gleich auf sieben Positionen wechselte der Bremer Coach die Startelf im Vergleich zum vergangenen Bundesligaspiel. Die vielleicht größte "Austauschaktion" zwischen Pflichtspielen der Grün-Weißen in den vergangenen zehn Jahren. Die bereits erreichte Qualifikation bot den Bremern diese verlockende Möglichkeit: "Es war für uns wichtig diese Situation zu nutzen, um Spielern, die verletzungsbedingt nicht so zum Zug kamen, Spielpraxis zu geben um sie für die nächsten Wochen weiterzubringen. Außerdem war natürlich der Gedanke da, Rücksicht auf das eine oder andere "Wehwehchen" zu nehmen, gewisse Probleme bei Naldo oder Mesut heute auch noch zu reizen", verriet Cheftrainer Thomas Schaaf.

Unmissverständlich machte der Coach jedoch auch klar, dass bei allen Personalplanungen der Erfolg oberste Priorität genoss. "Jeder unserer Spieler hat hohe Ansprüche an sich, jeder will sich präsentieren. Und man kann sagen, dass die Mannschaft engagiert zu Werke gegangen ist und bewiesen hat, wie konzentriert wir auf diese Partie hingearbeitet haben. Sie hat gezeigt, dass wir nicht so gedacht haben, wie es der eine oder andere Vorbericht uns Nahe legen wollte. Dieses Spiel war uns nicht egal. Nacional hat alles versucht, wir hatten sie dennoch gut im Griff und hätten sogar schon vor dem Gegentreffer das dritte oder vierte Tor machen können", unterstrich Schaaf, das für ihn auch die Höhe des Sieges in Ordnung ging. Trainerkollege José Augusto Araújo erkannte den verdienten Sieg der Grün-Weißen neidlos an. "Wir haben hier gegen einen Mitfavoriten auf den Titel gespielt. Das war eine ganz starke Mannschaft. Wir haben unser bestes Gegeben, aber unser Traum ist nun ausgeträumt."

Vize-Kapitän Per Mertesacker, einer der vier verbliebenen Stammspieler in der Startelf, zog eine positive Bilanz: "Die Partie heute war wichtig für das ganze Team. Wir mussten auch mal Spieler reinwerfen, die in der Vergangenheit nicht so häufig gespielt haben. 50 bis 60 Minuten haben wir das Spiel kontrolliert, müssen aber insgesamt noch einen Tick sicherer aufspielen. Leider haben wir es verpasst, die Chance zum 3:0 zu nutzen. Nach dem 1:2 kamen wir noch einmal kurzzeitig in Schwierigkeiten."

Welche der Spieler die Chance am Donnerstagabend am besten für sich nutzen konnten, wollte Thomas Schaaf nach dem Abpfiff nicht verraten: "Wir werden uns jetzt hinsetzen und noch einmal ganz genau schauen, welche Aufschlüsse uns diese Partie gibt." Doch die glücklichsten Akteure des Abends waren wohl zweifellos Doppeltorschütze Markus Rosenberg, Marcelo Moreno und Pflichtspiel-Debütant Sebastian Mielitz.

Der Schwede grinste nach seinen ersten 90 Minuten seit dem 13. Mai glücklich: "Das war heute ein Superspiel. Am Anfang war alles sehr eng gegen die defensiv eingestellten Portugiesen. Sie haben uns wenig Platz gelassen. Durch das 1:0 sind dann mehr Räume entstanden, in denen ich mich bewegen konnte. Das dritte und vierte Tor muss ich eigentlich auch noch machen. Aber es war nun mal mein erster Einsatz nach langer Verletzungspause über 90 Minuten. Das spüre ich bestimmt auch morgen noch. Aber mit zwei Toren im Rücken wird das einfacher." Sein südamerikanischer Sturmpartner zeigte sich ebenfalls zufrieden: "Ich bin froh, dass mir der Trainer die Chance gegeben hat von Beginn an zu spielen und freue mich darüber, dass ich der Mannschaft mit meinem Tor helfen konnte."

Mindestens genau so glücklich war Sebastian Mileitz über sein erstes Pflichtspiel bei den Profis. "Kurz und knapp: Es war super! Es hat großen Spaß gemacht vor so einer Kulisse zu spielen. Ich muss der Mannschaft aber auch ein großes Lob aussprechen, sie hat es mir wirklich so einfach wie möglich gemacht", so "Miele", der zugab, dass sich die Aufregung in den vornagegangenen 24 Stunden stetig gesteigert hatte. "Für mich ist heute ein Traum in Erfüllung gegangen. Davon träumt doch jeder kleine Junge. Früher stand ich noch oben in der Kurve und habe runtergeschaut. Das war heute also schon etwas Emotionales, aber nach zehn Minuten, zwanzig Minuten hat sich das Ganze gelegt.

Schade, dass gleich der erste Schuss aufs Tor dann auch drin war." Auch dass er selbst den Freistoß zum Gegentreffer verursacht hatte, wurmte den jungen Keeper ein bisschen. "Ich wollte den Ball bereinigen und habe ein wenig gezögert, dann bin ich ein wenig übermotiviert rangegangen. Ich hätte die Szene auch besser lösen können."

Das Lob der sportlichen Leitung war Mielitz und Rosenberg am Ende sicher: "Bei Sebastian hat man schon gesehen, wie sehr er sich über diese Chance gefreut hat. Er hat diese Möglichkeit gut für sich genutzt. Er hat seine Sache gut gemacht, war immer aktiv, hat immer mitgespielt. Daran hatten wir aber auch nie Zweifel", so Schaaf. Vielleicht folgt die nächste Vertretung für den erkrankten Tim Wiese ja schon am Sonntag. Der Trainer dazu: "Ob er auch am Wochenende wieder zum Einsatz kommt, wird sich zeigen. Tim geht es besser, aber mal sehen ob es reicht."

Klaus Allofs wies daraufhin, dass Sebastian Mielitz sogar eine ganz entscheidende Aktion hatte. "Beim Stand von 1:2 hat Sebastian den Ball sehr gut gehalten. Das hätte der Ausgleich sein können. Da haben wir es uns unnötig schwer gemacht. Aber am Ende konnten wir durch die beiden Tore alles wieder ins rechte Licht rücken."

Trotzdem wird die Startelf vom Donnerstagabend ohne Leistungsträger wie Özil, Marin, Almeida und Naldo nicht in zwei Wochen in Bilbao antreten. Werder steht als als Gruppen-Erster noch nicht fest. Die Entscheidung fällt am 16.12.2009 in Bilbao. "Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn wir heute schon als Erster in der Gruppe durchgewesen wären. Jetzt müssen wir konzentriert in Bilbao an die Sache herangehen. Das wir eine interessante Aufgabe", erklärte Allofs. Per Mertesacker dazu: "In Bilbao erwartet uns eine neue Herausforderung. Da müssen wir schauen, dass wir den Gruppensieg perfekt machen."

von Michael Rudolph und Marco Niesner