WERDER MAGAZIN: Herr Dr. Hess-Grunewald, ist die Situation, die durch das Coronavirus entstanden ist, die bisher größte Herausforderung Ihres Berufslebens?
DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: "Das kann man so sagen. Die Vielfalt der Themen ist enorm. Wir haben sehr gravierende wirtschaftliche Herausforderungen mit der großen Aufgabe, Werder Bremen durch dieses schwierige Fahrwasser zu führen. Wir haben mediale Konflikte, weil wir all unser Handeln öffentlich rechtfertigen müssen. Wir haben starken gesellschaftlichen Widerhall, weil der Profifußball mit seiner vermeintlichen Sonderstellung stark in den Fokus der Kritik gerückt ist. Das ist eine Gemengelage, die wir so noch nicht hatten. Dazu kam viele Wochen die gespenstische Situation im Stadion. Die Geschäftsstelle war für den Publikumsverkehr geschlossen, zwei Drittel unserer Mitarbeiter waren in Kurzarbeit. Wir mussten sehr aufwendig Spiele ohne Zuschauer organisieren, und wir haben sportlich die gewaltige Aufgabe, den Abstieg zu verhindern. Aber wir stellen uns den Herausforderungen und versuchen uns mit viel Engagement und Herzblut dieser Situation entgegenzustellen. Ob es uns am Ende gelingen wird, allem gerecht zu werden und allen kritischen Stimmen zu begegnen, das werden wir sehen."
WERDER MAGAZIN: Ist es gleichzeitig auch die größte Herausforderung in der Geschichte des SV Werder Bremen?
DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: "Ganz sicher eine der größten, aber es gab auch in der Vergangenheit bereits besondere Herausforderungen. Sei es 1978, als wir die Lizenz für die Bundesliga-Teilnahme nur unter erheblichen Auflagen bekommen haben, oder 1980 der Abstieg in die zweite Liga, nach dem sich vieles neu sortieren musste. Aber der Blick zurück zeigt: Werder ist jedes Mal gestärkt aus diesen Krisen hervorgegangen. Ich hoffe, dass das auch jetzt so sein wird."
WERDER MAGAZIN: Was genau war und ist denn die größte Herausforderung?
DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: "Tatsächlich die Gesamtgemengelage. Egal, ob die Entscheidung für Kurzarbeit, die sich ständig verändernde Infektionslage, die Frage der Fortsetzung des Spielbetriebs, die Spiele ohne Zuschauer, die Kritik aus Fankreisen, Kritik an der Geschäftsführung, wir würden nicht aktiv handeln – jedes Thema für sich fordert einen, weil man sich reflektieren, sich legitimieren muss. Und weil man Antworten finden muss. Es kamen viele Dinge zusammen. Natürlich gab es dabei auch Zielkonflikte, so dass man nicht allen gerecht werden konnte. Niemand hat sich zum Beispiel auf Spiele ohne Zuschauer gefreut. Aber nur diese Spiele sichern uns erstmal das finanzielle Überleben über den Sommer hinaus."
WERDER MAGAZIN: Warum hat sich die Geschäftsführung entschieden, die finanziellen Nöte so transparent offenzulegen und genaue Zahlen der drohenden Verluste zu nennen?
DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: "Weil uns klar war, dass es auf wenig Akzeptanz stößt, wenn man von den Fans Opfer verlangt, ohne zu erklären, worum es genau geht. Deshalb haben wir ganz konkret gesagt, dass wir eine riesige finanzielle Herausforderung zu bewältigen haben und es tatsächlich darum geht, ob wir mittelfristig weiterhin als Fußball-Bundesligist überleben können. Um diese Situation nachvollziehbar zu machen und daraus auch ein Verständnis zu wecken und vielleicht sogar eine Akzeptanz, dafür war Transparenz unabdingbar."
WERDER MAGAZIN: Den Clubs wurde vorgeworfen, dass sie zu schnell in finanzielle Not geraten...
DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: "Das ist bei näherem Hinsehen aber nicht zutreffend. Auch bei anderen wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen ging es in der Coronakrise sehr schnell um Kurzarbeit bis hin zur Inanspruchnahme von Staatshilfen – in einem Zeitraum nicht kürzer als der, den die Clubs der DFL und auch wir gesehen haben. Zum anderen: Wenn finanzielle Mittel, die seriös fest eingeplant waren – wie TV-Erlöse und bereits vereinnahmtes Geld aus Ticket-verkäufen – auf einmal nicht mehr zur Verfügung stehen oder sogar wieder zurückgegeben werden müssen, dann kann das kein Unternehmen verkraften. Wenn wir davon ausgehen, dass wir allein in der noch laufenden Saison bis zu 25 Millionen Euro als Risiko vor uns herschieben – Geld, das wir eigentlich fest auf der Habenseite hatten – und das bei einem Gesamtumsatz von etwa 120 Millionen Euro, dann kann sich jeder ausrechnen, dass das kein Unternehmen – auch nicht Werder Bremen – einfach wegstecken kann."
WERDER MAGAZIN: Wie immer wurde alles, was der Profifußball macht, auch in den vergangenen Wochen von der Öffentlichkeit genau beobachtet. Es gab sehr extreme Wahrnehmungen und Äußerungen. Was hat Sie am meisten gestört?
DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: "Tatsächlich die vielfach populistische Wahrnehmung, die dazu geführt hat, dass man unsere Erklärungen und Einschätzungen nicht mit der nötigen Seriosität behandelt hat. Beim Verhalten der Bundesliga-Clubs und ihrem Bestreben, die Saison fortzusetzen, ging es um mehr als wirtschaftliche Beweggründe. Es ging um existenzielle Gründe. Und man muss wissen: …"
Das komplette Interview gibt es im aktuellen WERDER Mitglieder-Magazin Nr. 343 – Vereinsmitglieder des SV Werder Bremen erhalten das Magazin wie gewohnt exklusiv per Post oder als e-Paper.