Durchnässt und im Handstand überquerte Wynton Rufer das Spielfeld des Weser-Stadions. Doch nicht nur der Neuseeländer, sondern eine ganze Stadt stand an diesem 8. Dezember 1993 Kopf. Werder Bremen hatte soeben in einem legendären Spiel den RSC Anderlecht mit 5:3 besiegt und den Zuschauern eine atemberaubende Aufholjagd geliefert. Die Belgier erlebten an der Weser ihr "grünes Wunder".
In der Saison 1993/94 war Werder die erste deutsche Mannschaft überhaupt, welche als amtierender Meister, die aus nur acht Mannschaften bestehenden Gruppenphase der neu geschaffenen Champions-League erreichte. Allerdings erwischte Werder keinen guten Start in jene Endrunde. Nach einem 0:3-Rückstand setzte es eine 2:3-Auftaktniederlage beim FC Porto. Am zweiten Spieltag kam es dann zu jenem Heimspiel gegen den RSC Anderlecht. Doch auch hier führten die Belgier nach einem Doppelpack von Boffin und einem Treffer Alberts mit 3:0. Erst in der 66. Minute gelang Rune Bratseth der erste Bremer Treffer an diesem Abend. Ein Tor, welches zu diesem Zeitpunkt bei kaltnassem Bremer Wetter nur noch die Hälfte der ursprünglichen Zuschauerzahl von 29.000 zu sehen bekam. Der Rest hatte bereits resigniert die Heimreise angetreten.
Die, die dageblieben waren, sollten 18 schier unglaubliche Schlussminuten miterleben. Rune Bratseth verkürzte auf 2:3 (72.) und spätestens beim Ausgleich durch Bernd Hobsch (80.) glich das eben noch stille Weser-Stadion einem Tollhaus. Marco Bode besorgte die 4:3-Führung sieben Minuten vor Schluss. Wynton Rufer setzte den 5:3-Schlusspunkt eines unvergesslichen Europapokal-Abends im Weser-Stadions und tanzte im Handstand durch Werders wunderbare Europapokalnacht.
Von Timo Sczuplinski
Bremen, 08.12.1993, Weser-Stadion
SV Werder Bremen - RSC Anderlecht 5:3 (0:3)
Werder: Reck - Bratseth, Beiersdorfer, Borowka, Basler (87. Wiedener), Votava, Herzog (46. Wolter), Eilts, Bode - Hobsch, Rufer
Anderlecht: de Wilde - Emmers, Rutjes, Albert, Crasson, Zetterberg (83. Kooiman), Walem, Boffin, Versavel, Haagdorn, Bosman (70. Nilis)
Tore: 0:1 Albert (16.), 0:2 Boffin (18.), 0:3 Boffin (33.), 1:3 Rufer (66.), 2:3 Bratseth (72.), 3:3 Hobsch (80.), 4:3 Bode (83.), 5:3 Rufer (89.)
Schiedsrichter: Ion Craciunescu (Rumänien)
Zuschauer: 29.000