„Diesem Tag zu entfliehen, ist sehr schwer“

Werder-Mitarbeiter Arne Scholz über seine DFL-Reise nach Israel

Arne Scholz steht an einer gedeckten Tafel.
Arne Scholz war Anfang Mai in Israel (Foto: World Jewish Congress/Shahar Azran).
WERDER BEWEGT
Montag, 20.05.2024 / 10:00 Uhr

Das Interview führte Moritz Studer

Vor 226 Tagen überfiel die Hamas Israel und die Menschen, die sich zu dieser Zeit im Land aufhielten. Noch immer werden Geiseln im Gaza-Streifen gefangen gehalten, zu denen auch Hersh Goldberg-Polin gehört, der durch seine Verbindungen in die Fanszene des SV Werders das Gesicht der Solidarität des SVW geworden ist. Auf Einladung des World Jewish Congress war Arne Scholz, Mitarbeiter im Bereich Fankultur und Antidiskriminierung bei Werder Bremen, mit einer DFL-Delegation in Israel vor Ort. Im WERDER.DE-Interview beschreibt Scholz ein Land, das am 7. Oktober 2023 nachhaltig erschüttert wurde.

WERDER.DE: Moin Arne, DFL-Kommunikationsdirektor Tobias Kaufmann hat von Eindrücken gesprochen, die bleiben. Was sind das für Eindrücke?

Arne Scholz: Das Land ist zwar sonnig, warm und schön wie zuvor, gleichzeitig aber auch tief erschüttert. Es ist nach dem 7. Oktober ein stückweit stehen geblieben. Diesem Tag zu entfliehen, ist sehr schwer, weil es überall in den Städten viele Banner für die Freiheit der Geiseln und Demonstrationen gegen die aktuelle Regierung gibt. Eigentlich war auch eine Fahrt zu dem Ort des Massakers geplant, die aber wegen eines Bombenalarms abgesagt wurde.

WERDER.DE: Was war das Eindrücklichste auf dieser Reise?

Arne Scholz: Wir haben mit Überlebenden des Angriffs der Hamas viele eindrückliche und belastende Gespräche geführt. Die Berichte aus den Kibbuzimen sind unvorstellbar. Sie direkt von den Überlebenden zu hören, ist schon etwas, das mich nachhaltig beschäftigt. Bedrückend und eindrücklich waren die Gespräche mit Überlebenden des Holocausts, die uns auf dieser Reise vom World Jewish Congress ermöglicht wurden.

WERDER.DE: Dass der SV Werder mit Dir auf dieser Reise vertreten war, hat vor allem mit dem großen Engagement des Vereins seit dem Terrorangriff der Hamas zu tun. Wie hat sich dieses über die vergangenen Monate entwickelt?

Arne Scholz: Einen Tag nach dem Überfall der Hamas haben wir den Angriff über unsere Website verurteilt. Daraufhin kamen sehr schnell Anfragen aus der Fanszene, die Menschen kennen, die direkt und unmittelbar davon betroffen sind und uns gebeten haben, unsere Reichweite zu nutzen. Wir haben in unserem Stadionprogramm darauf hingewiesen, uns gegen Antisemitismus weltweit gerichtet und aufgerufen, für die Familien der Opfer zu spenden. Diese Spenden wurden von der Werder-Stiftung mit jeweils 2.000 Euro für die Familien von Inbar und Hersh aufgestockt.

Ihnen fehlt ein Freund, den sie einfach nur wieder zurückhaben wollen.
Arne Scholz über die Werder-Fanszene

Es war uns wichtig, das Engagement unserer Fanszene zu unterstützen. Ich bin sehr froh, dass sich unsere Geschäftsführung geschlossen dazu entschieden hat im Rahmen der Kampagne #SportSpeaksUp den Geiseln der Hamas eine Stimme zu geben und sich für ihre Freilassung einzusetzen. Außerdem haben wir direkten Kontakt zu Hapoel Jerusalem und Maccabi Haifa aufgebaut und dem sehr abstrakten Prozess mit dem Video von Rachel (Anm. d. Red.: Mutter von Hersh) ein Gesicht gegeben.

WERDER.DE: In der Ostkurve ist seit dem Ausbruch des Krieges ein Banner für Hersh Goldberg-Polin zu sehen, dazu die vermehrte Aufforderung, die Geiseln freizulassen. Welche Rolle spielt die Werder-Fanszene in der Verbindung nach Israel?

Arne Scholz: Die Banner für die Freilassung der Geiseln oder die Choreo für Inbar sind die Bilder, die in Israel gesehen werden und große Aufmerksamkeit bekommen. Hier trägt die Fanszene sehr viel zur Außenwahrnehmung bei. Wir als Verein unterstützen unsere Fanszene dabei, Zeichen zu setzen. Die Fans sind diejenigen, die die Verbindung zu den Geiseln und ihrer Geschichte haben und wir nutzen unsere Möglichkeiten, um die größtmögliche Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema zu schaffen. Denn ihnen fehlt ein Freund, den viele persönlich kennen und den sie einfach nur wieder zurückhaben wollen.

WERDER.DE Du hast dich stark für das Engagement Werders eingesetzt. Inwiefern hat dich das Schicksal von Hersh persönlich getroffen?

Arne Scholz: Es ist skurril, weil ich ihn nie getroffen habe. Er ist aber eine Person, die für mich unfassbar vertraut wurde, weil ich mittlerweile so viel zu ihm gemacht habe. Ich habe viele Videos gesehen, wo die Eltern Persönliches von ihm teilen und habe viel mit seinen Freund:innen hier in Bremen gesprochen. Dadurch entsteht das Gefühl, dass er ein eigener Freund geworden ist. Es ist aber schon eine belastende Arbeit, sich immer wieder mit diesem Thema zu beschäftigen und das Leid mitzubekommen, das ein Zivilist erfährt, der in einen Krieg reingezogen wurde. Das geht immer wieder an die Substanz. 

Wir wünschen uns alle, dass das Leid der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten möglichst schnell endet.
Arne Scholz

WERDER.DE: Auf der anderen Seite steht das militärische Vorgehen Israels im Gaza-Streifen sehr in der Kritik. Wie bewertet Werder dieses Vorgehen?

Arne Scholz: Wir haben es beim Gladbach-Spiel ganz gut gesagt: Natürlich ist die Lage im Gaza-Streifen katastrophal und für die Zivilbevölkerung unfassbar schwer auszuhalten. Es ist immer wichtig zu gucken, woher das im Detail kommt. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Freilassen der Geiseln ein elementarer Schritt ist, diesen Krieg zu beenden. Wir wünschen uns alle, dass das Leid der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten möglichst schnell endet. Allerdings wollen wir uns als Werder Bremen auch gar nicht anmaßen, eine abschließende Beurteilung der aktuellen Situation vorzunehmen oder blind alles gut zu finden, was passiert. Die Forderung nach der Freilassung der Geiseln ist keine, die sich in den Konflikt einmischt. Es sollte doch vielmehr selbstverständlich sein nach einem Terroranschlag, bei dem Menschen entführt wurden, deren Freilassung zu fordern.

WERDER.DE: Im Januar wurde in Israel der erste Werder-Fanclub gegründet. Wie werden die Anteilnahme und das Engagement des Vereins dort wahrgenommen?

Arne Scholz: Die größte Reichweite haben wir durch die sozialen Medien. Wir haben mittlerweile aber auch häufigen Kontakt mit israelischen Medien, so war zuletzt ein israelisches TV-Team bei einem Heimspiel in unserem Stadion. Die Medien in Israel sind mittlerweile sehr aufmerksam darauf geworden und zeigen die Solidarität, die es im Moment hier vor allem von den Fans, aber auch von uns, gibt. Wenn sich durch diese Aufmerksamkeit Fußballfans im Nahen Osten Werder zuwenden, ist das toll, es geht uns aber nicht darum, neue Fans zu gewinnen, sondern unsere volle Solidarität für die Opfer zu zeigen und unser Möglichstes zu tun, um Hilfe zu leisten.

WERDER.DE: Ende April gab es nach über 200 Tagen Gefangenschaft das erste Lebenszeichen von Hersh. Wie wichtig ist es, an ihn und die vielen anderen Geiseln zu erinnern?

Arne Scholz: In Israel ist es allgegenwertig, dass die Menschen dort in Gefangenschaft sind und unter den unmenschlichsten Bedingungen größtes Leid erfahren. Als Werder Bremen haben wir die Möglichkeit abseits des Fußballs, auf Themen hinzuweisen, die uns wichtig sind. Mit unserer Strahlkraft haben wir die Hoffnung, dass das auch in der Politik gesehen und dadurch einen kleinen Anteil dazu beitragen kann, eine Lösung zu finden. Wir hoffen, dass auch von politischer Seite alles dafür getan wird, die Leute wohlbehalten wieder nach Hause zu bringen.

WERDER.DE: Das hoffen wir auch. Vielen Dank für das spannende Gespräch, lieber Arne!

 

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