Katrin Grüschow ist die dienstälteste Mitarbeiterin des SV Werder Bremen. Im September 1986 – also vor fast 36 Jahren – begann ihre Ausbildung bei den Grün-Weißen. Heute arbeitet sie im Rechnungswesen.
Katrin Grüschow ist die dienstälteste Mitarbeiterin des SV Werder Bremen. Im September 1986 – also vor fast 36 Jahren – begann ihre Ausbildung bei den Grün-Weißen. Heute arbeitet sie im Rechnungswesen.
„Thomas Wolter ist noch länger bei Werder als ich“, will Katrin Grüschow ganz bescheiden gar nicht erst das Gefühl aufkommen lassen, dass ihr zu Unrecht eine eindrucksvolle Rekordtreue zugeschrieben wird. Tatsächlich kam der Ex-Profi bereits im Jahr 1984 als Spieler zu den Grün-Weißen und ist seitdem ununterbrochen in einer Funktion bei Werder tätig. Doch der Geschäftsstellen-Belegschaft gehört niemand länger an als Katrin Grüschow. Sie hat erlebt, wie aus einer Handvoll Mitarbeiter im Laufe der Jahrzehnte knapp 200 wurden. Und wenn die gebürtige Bremerin von ihren Anfängen beim SV Werder erzählt, dann klingt das wie Geschichten aus einer völlig anderen Zeit.
Mitte der 1980er Jahre erkannten die Verantwortlichen der Grün-Weißen, dass einige Arbeitsprozesse deutlich zu erleichtern wären, wenn man vermehrt auf EDV setzen würde. „Denn die gab es noch nicht bei Werder“, erinnert sich Katrin Grüschow. Der damals 20 Jahre alten Abiturientin gefiel die Vorstellung, beim Bundesligisten die ausgeschriebene Ausbildung zur Datenverarbeitungskauffrau zu absolvieren. So zumindest zunächst der Plan. Denn letztlich kam man zu der Überzeugung, dass die Inhalte der Ausbildung zur Bürokauffrau doch besser passen würden.
So begann für Katrin Grüschow am 1. September 1986 in den Katakomben der Südtribüne des heutigen wohninvest WESERSTADION ihre Werder-Karriere. „Eine spannende Zeit, weil es von Beginn an darum ging, dass wir moderner werden“, sagt sie. Grüschow kam, andere gingen, „weil sie nicht mit EDV arbeiten wollten, dabei waren sie zum Teil nur einige Jahre älter als ich“, wundert sich die damalige Neu-Werderanerin, die neben ihrer Ausbildung ein Zertifikat in Wirtschaftsinformatik an der Wirtschafts- und Sozialakademie Bremen erwarb, noch heute.
Nach erfolgreichem Abschluss der Lehrzeit nach knapp zwei Jahren übernahm Katrin Grüschow unter anderem die Verwaltung der Vereinsmitglieder des SV Werder. Denn auch hier hieß die Aufgabe: aus analog mach digital. „Damals wurden die Mitgliedsdaten über Belege erfasst und durch das Bremer Rechenzentrum verarbeitet. Die Auswertung mit den relevanten Daten gab es dann monatlich in großen EDV-Listen zurück“, erzählt Grüschow, die dafür sorgte, dass diese Zettelwirtschaft bald der Vergangenheit angehörte. Die Geschäftsstelle wuchs derweil personell und wanderte in Räumlichkeiten im Westen des Stadions. Der technische Fortschritt war nicht mehr aufzuhalten. In den darauffolgenden Jahren war Katrin Grüschow maßgeblich daran beteiligt, dass auch die Buchhaltung auf EDV umgestellt wurde. Und: „Früher wurden die Dauerkartenkunden in Schnellheftern erfasst, sortiert nach Block, Reihe und Platz“, erzählt Grüschow. „Wir haben die Dauerkarten dann ebenfalls per EDV erfasst.“
Wenn ich das Stadion sehe, dann freue ich mich. Ich bin immer gerne hier. Es ist ein toller Bau. Außerdem verbinde ich damit natürlich viele Erlebnisse.Katrin Grüschow
Auch wenn die Arbeit später nicht mehr so stark vom Pioniergeist ihrer Anfangsjahre bei den Grün-Weißen geprägt war, betont sie: „Langweilig war es nie. Denn die Arbeit verändert sich immer wieder, es kommen neue Kolleginnen und Kollegen.“ Klar, dass dann ganz besonders die fachliche Erfahrung und auch das große Werder-Wissen von Katrin Grüschow gefragt sind. „Mir macht es Spaß, das Wissen weiterzugeben“, sagt sie. „Insbesondere auch an Auszubildende. Es ist schön, wenn sie gerne in unserer Abteilung sind und merken, dass das, was wir im Rechnungswesen machen, durchaus Sinn macht und wie wichtig die Arbeit für das Unternehmen ist.“
Katrin Grüschow macht kein Hehl daraus, dass der SV Werder Bremen als Fußball-Bundesligist ein besonderer Arbeitgeber für sie ist – in der täglichen Arbeit und natürlich aufgrund einmaliger Erlebnisse. Zum Beispiel 2004: „Das Double war ein absoluter Höhepunkt“, gesteht sie. „Die Freude der Menschen auf dem Marktplatz zu sehen und zu erleben, was solche Erfolge bewirken und welche Kraft sie in der Stadt entfalten, war beeindruckend.“ Wie auch der Triumph im Europapokal der Pokalsieger 1992, als die gesamte Belegschaft der Grün-Weißen zum Endspiel in Lissabon reiste. „Ein unvergessliches Erlebnis. Die Geschäftsstelle war drei Tage lang geschlossen, ein echtes Novum“, lacht Katrin Grüschow.
Denn vier Jahre zuvor sah das noch anders aus: Als der SV Werder 1988 vier Spieltage vor Saisonende mit einem 1:0-Erfolg in Frankfurt den Gewinn des Deutschen Meistertitels perfekt gemacht hatte, strömten Tausende zum Bremer Flughafen, um die Mannschaft bei ihrer Rückkehr zu empfangen. Doch Katrin Grüschow musste in der Geschäftsstelle ausharren, denn die sollte immer erreichbar sein. So wollte es der damalige Manager Willi Lemke. „Aber alle, die angerufen haben, haben sich gewundert, dass wir nicht mitfeiern“, erinnert sie sich lachend.
Ein schmerzhafter Moment war der erzwungene Verzicht auf den Empfang am Flughaufen auch deshalb, weil der Kontakt zu den Profis damals für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz selbstverständlich war. Schließlich lagen Geschäftsstelle und Kabine quasi Wand an Wand. Und wer ins Büro von Willi Lemke wollte, „der musste an uns vorbei“, erzählt Grüschow. Fast alle waren dabei stets für einen kleinen Plausch zu haben, lobt sie. Und wenn ein Spieler Polterabend feierte, dann war schon mal die gesamte (noch kleine) Geschäftsstellen-Belegschaft dabei.
Also war früher alles besser? Katrin Grüschow beantwortet diese Frage differenziert. „Dass das Unternehmen so groß geworden ist, war notwendig. Alle Kolleginnen und Kollegen haben ihre Berechtigung“, findet sie. Dabei sei es eine große Herausforderung, sich dennoch regelmäßig auszutauschen, zusammenzukommen, den Informationsfluss zu gewährleisten und die Gemeinschaft zu pflegen. Für Katrin Grüschow ist es selbstverständlich, sich einzubringen. Sie arbeitet zum Beispiel in der Ideenfabrik mit, bei der alle Werder-Abteilungen vertreten sind, junge und bereits etwas ältere, langjährige und neue Mitarbeiter:innen. „Mir ist es wichtig, neben meiner eigentlichen Arbeit mit zu gestalten“, betont sie.
Diese Arbeit erledigt sie mittlerweile aus den Bürotürmen im Norden des wohninvest WESERSTADION, zuvor befand sich die Werder-Geschäftsstelle viele Jahre im Osten. Katrin Grüschow hat somit im Laufe ihrer beruflichen Laufbahn beim SV Werder die Arena am Osterdeich mit ihrem Arbeitsplatz einmal komplett umrundet. „Wenn ich das Stadion sehe, dann freue ich mich“, sagt sie auch nach fast vier Jahrzehnten. „Ich bin immer gerne hier. Es ist ein toller Bau. Außerdem verbinde ich damit natürlich viele Erlebnisse.“ Dabei gibt sie zu, dass die zurückliegenden zwei Jahre Spuren hinterlassen haben: „Corona, dazu der Abstieg, das war anstrengend.“
Die schwierige Zeit schlug auf die persönliche Stimmung und hatte natürlich auch einen Einfluss auf das Arbeitsklima allgemein. Während es in einigen Abteilungen – so auch für Katrin Grüschow im Rechnungswesen – wesentlich mehr Arbeit gab als zuvor, mussten andere Kolleg:innen in Kurzarbeit. „Viele sind nachdenklich und zurückhaltender geworden, nicht mehr mit so viel Spaß zur Arbeit gekommen“, hat sie beobachtet. Mittlerweile sei das jedoch wieder anders. Auch bei Katrin Grüschow selbst: „Jetzt komme ich wieder mit mehr Spaß zur Arbeit. In der vergangenen Saison war das nicht immer so leicht.“
Fast 36 Jahre beim SV Werder – für Katrin Grüschow, die seit einiger Zeit wieder im Bremer Stadtteil Horn-Lehe, in dem sie auch aufgewachsen ist, wohnt, spielt diese Zahl keine allzu große Rolle. „Wenn der Jahrestag ansteht, werde ich jedes Mal daran erinnert“, lacht sie. Für den nächsten Jahrestag, also den 1. September 2022, hat sich ein Wunsch bereits erfüllt: „Dass wir wieder in der ersten Liga spielen.“ Ein weiterer: „Dass wir in unserer Abteilung mal Zeit haben, um alle Themen, die uns beschäftigen, abzuarbeiten.“
Katrin Grüschow hat viele Werder-Erfolge hautnah miterlebt, viele Kolleg:innen kommen und gehen sehen, bei Hunderten Heimspielen im wohninvest WESERSTADION mitgefiebert und den Grün-Weißen aus Überzeugung seit Beginn ihrer Ausbildung stets die Treue gehalten. „Natürlich gab es auch Zeiten, in denen ich nicht so zufrieden war und überlegt habe, was ich sonst noch machen könnte“, gibt sie zu und verrät schmunzelnd: „Vor einigen Jahren habe ich mit einer Kollegin überlegt, ob wir einen Buchladen mit Café eröffnen.“ Dieser Gedanke wurde letztlich verworfen, und heute sagt Katrin Grüschow: „Ich freue mich sehr auf die nächsten Jahre.“