Jermaine Greene arbeitet seit 2011 in der Fanbetreuung des SV Werder. Seit einigen Wochen ist er zudem offizieller Antidiskriminierungs-Beauftragter der Grün-Weißen. Fußball ist seit jeher seine Leidenschaft. Und Musik. Und, und, und…
Jermaine Greene arbeitet seit 2011 in der Fanbetreuung des SV Werder. Seit einigen Wochen ist er zudem offizieller Antidiskriminierungs-Beauftragter der Grün-Weißen. Fußball ist seit jeher seine Leidenschaft. Und Musik. Und, und, und…
„Wenn ich früher am Wochenende alleine zu Hause war, hat mich meine Mutter gefragt, ob ich krank bin“, lacht Jermaine Greene. „Ich war ständig unterwegs.“ Das ist auch heute noch so. Nur sind es jetzt die WG-Mitbewohner, die den mittlerweile 34-Jährigen nur selten zu Gesicht bekommen – zumindest vor der Corona-Pandemie. Denn Greene liebt es, unter Leuten zu sein, Menschen kennenzulernen, sich für andere zu engagieren.
Im kleinen Städtchen Williamsburg (Virginia) an der Ostküste der USA geboren, kam Jermaine Greene 1992 im Alter von sechs Jahren mit seiner Mutter, die sich von seinem US-amerikanischen Vater getrennt hatte, nach Deutschland und wuchs in Göttingen auf. Für die Mutter die Rückkehr zu ihrer Familie, für Jermaine Greene der Umzug in ein zuvor unbekanntes Land mit vielen neuen Eindrücken. „Vielen positiven glücklicherweise“, erinnert er sich. „Einer der prägendsten war, dass die anderen Kinder versucht haben, mir so schnell wie möglich Deutsch beizubringen.“ Schließlich hatte der Neuankömmling in den USA bereits die Schule besucht. Und seine Mutter setzte sich dafür ein, dass er dies in Deutschland ebenfalls durfte. Die Voraussetzung dafür: Er musste schnell die neue Sprache lernen. Also halfen die Mitschüler nach Kräften.
Jermaine Greenes Integration in der neuen Heimat fand jedoch nicht nur in der Schule, sondern zu einem großen Teil auf dem Bolzplatz im Göttinger Stadtteil Grone statt. „Egal, ob Jungs oder Mädchen – Fußball war für alle das zentrale Thema. Wer nicht kickte, gehörte nicht dazu“, erzählt Greene, der damals nicht nur seine Leidenschaft für den Fußball entdeckte, sondern auch bereits für den SV Werder. „Es war der einzige Bundesliga-Verein in grün. Mit dem Nachnamen Greene war schnell klar, dass ich dafür eine große Sympathie hatte“, schmunzelt er.
Weder der Fußball, noch der SV Werder ließ Jermaine Greene seitdem je wieder los. Zwar begann seine Karriere im Vereinsfußball erst in der D-Jugend beim ESV Rot-Weiß Göttingen, und das ohne jegliche Leistungssport-Ambitionen, „weil ich eigentlich nie Lust auf Training, aber immer Lust auf den Bolzplatz hatte“. Doch seitdem gehörte er immer einem Fußballverein an und ist seit 2012 bei der TSG Seckenhausen-Fahrenhorst vor den Toren Bremens aktiv. „7. Herren, als Back-up-Spieler“, verrät Greene. „Die Jungs wissen: Wenn Not am Mann ist, bin ich da.“ Sein Fokus ist klar: „Ich möchte gerne kicken. Und je älter man wird, desto weniger gibt es diese Möglichkeit auf dem Bolzplatz. Aber besonders wichtig ist mir die Gemeinschaft – mit einer guten, positiven Stimmung.“ Daher engagierte er sich bei der TSG auch bereits als Trainer und ist derzeit stellvertretender Spartenleiter Fußball.
Dass aus der Sympathie für den SV Werder mehr wurde, hat Jermaine Greene der berühmten Stecktabelle im kicker-Sonderheft zu verdanken: „Zur Saison 1997/98 habe ich das Heft von meinem Onkel bekommen. Und um die Tabelle zu aktualisieren, musste ich mich von da an Woche für Woche damit beschäftigen, wie die Spiele ausgegangen sind.“ Zugegeben: Es war nicht die beste Werder-Zeit damals. „Vor der ‚Ära Schaaf‘ war ich in Göttingen ein Exot unter Bayern- und Dortmund-Fans. Ich musste für meine Leidenschaft kämpfen, mich rechtfertigen. Das hat die Verbundenheit zu Werder noch verstärkt.“
Nach Abitur, Zivildienst und zwei Semestern Lehramtsstudium in Geschichte und Philosophie an der Uni Oldenburg absolvierte Jermaine Greene eine Ausbildung zum Sozialassistenten und studierte anschließend Soziale Arbeit in Kassel. „Ich wollte gerne mit Jugendlichen arbeiten und fand, dass es eine coole Nische für mich sein könnte, Soziale Arbeit und Fußball zu kombinieren, vielleicht in einer Tätigkeit beim Verband“, verrät er. „Aber bevor ich mich beim DFB oder bei der DFL für ein Praktikum bewerbe wollte, habe ich einfach mal bei Werder gefragt, ob es etwas für mich gibt.“ So kam Jermaine Greene im Sommer 2010 zum ersten Mal zu den Grün-Weißen und sagt über sein Praktikum im damaligen Sozialmanagement: „Eine schöne Zeit, aber auch ok, als es vorbei war.“ Denn die Vorstellungen vom angedachten Einsatzbereich erfüllten sich letztlich nicht.
Dennoch konnte er wertvolle Kontakte knüpfen, die sich einige Monate später auszahlten. Bereits 2011 kam Jermaine Greene für ein weiteres Praktikum nach Bremen, nun in die noch junge Abteilung Fanbetreuung, und war dort „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Eine Stelle wurde frei – und Greene so zum Fanbetreuer des SV Werder. Mit der Aufgabe, die Betreuung der Fan-Clubs weiter zu professionalisieren, ihr soziales Engagement zu fördern und eines der Gesichter des SV Werder im Kontakt zu den Anhängern zu sein. Ein Job ganz nach seinem Geschmack: „Da es in ganz Deutschland Werder-Fan-Clubs gibt, hatte ich die Chance, ein bisschen ‚rumzukommen‘ und viele interessante Menschen kennenzulernen“, schwärmt Greene über seine Anfangszeit als Fanbetreuer.
"Ich möchte zeigen, dass man schwul sein und Fußball spielen kann. Und für jeden Menschen, den ich davon überzeugen kann, lohnt sich dieser Einsatz.“Jermaine Greene
Dabei gab er seinem Job schnell ein ganz eigenes Profil, engagierte sich zudem von Beginn an besonders in der Antidiskriminierungsarbeit der Grün-Weißen. „Werder war für mich schon immer mehr als die Fußball-Bundesliga-Mannschaft – eine offene und tolerante Gemeinschaft, mit klaren Wertevorstellungen und einem politischen Rollenbild, das auch nach außen gelebt wurde“, findet Greene, der beobachtet hat, „dass es in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren eine zunehmende Politisierung gab“. Diese, so sagt der 34-Jährige, habe auch bei ihm persönlich stattgefunden, daher „bin ich sehr glücklich, dass die Antidiskriminierungsstelle des SV Werder nun offiziell bei uns in der Fanbetreuung verankert ist“.
Jermaine Greene bringt einen reichhaltigen Erfahrungsschatz in diese Arbeit ein, auch einen ganz persönlichen: Im Jahr 2016 bekannte er sich öffentlich zu seiner Homosexualität. „Für mich war das eine große Entlastung“, macht er deutlich. „Denn dadurch habe ich mir ein offenes Leben erkämpft.“ Dabei möchte Greene Vorbild sein und andere dazu ermutigen, seinem Beispiel zu folgen, denn: „Ich habe viele Geschichten von Menschen gehört, die in der Jugend Fußball gespielt und dann aufgehört haben, weil sie sich in ihrem Umfeld nicht wohlfühlten. Das ist einfach schade. Ich möchte zeigen, dass man schwul sein und Fußball spielen kann. Und für jeden Menschen, den ich davon überzeugen kann, lohnt sich dieser Einsatz.“
Seine Stimme erhebt Jermaine Greene jedoch nicht nur im Kampf gegen Diskriminierung und für eine vielfältige, tolerante Gesellschaft, sondern auch als Sänger auf der Bühne. Als Kind wuchs er in den USA mit dem sonntäglichen Gospelgesang in der Kirche auf, nahm mit 18 Jahren erstmals Gesangsunterricht, trat später bei Hochzeiten auf, gründete seine erste Band. Und nach einigen Jahren in Bremen „bekam ich Lust, mal wieder in einer Band zu singen“. Zwei Jahre lang dauerte seine Suche nach geeigneten Mitstreitern, seit 2016 ist Jermaine Greene Sänger der deutschsprachigen Bremer Indie-Pop-Band „Konfeddi“. Ihr Ziel: „Wir wollen bei Festivals spielen und mit unserem Publikum eine gute Zeit verbringen.“ Es ist ein zeit- und kostenintensives Hobby – und soll auch Hobby bleiben. „Aber wir würden uns nicht dagegen wehren, wenn die Festivals immer größer werden oder mal ein Song durch die Decke geht‘“, schmunzelt Jermaine Greene.
Er macht keinen Hehl daraus, dass er extrem dankbar für seinen bisherigen Lebensweg ist: „Ich bin sehr froh, in Deutschland zu sein. Denn in den USA hätte ich zum Beispiel sicher nicht die finanziellen Möglichkeiten gehabt, zu studieren“, sagt er. „Außerdem wurde ich hier immer überall so akzeptiert, wie ich bin, und habe nie ernsthafte Diskriminierung erfahren.“ Auch ein Leben ohne die Grün-Weißen kann sich Greene nicht vorstellen: „Werder ist für mich nicht nur Arbeit, sondern auch Hobby und Liebe“, betont er. „Dadurch tut es natürlich besonders weh, wenn etwas nicht so gut läuft, weil man nicht einfach nach Hause geht und das abschüttelt.“ Doch an seiner großen Identifikation mit dem SV Werder hat auch der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga nichts verändert. Für Jermaine Greene steht fest: „Ich könnte nicht Fanbetreuer in irgendeinem anderen Verein sein.“