WERDER.DE: Im Podcast mit Micky Beisenherz hast du Katar als ‚Klassensystem wohlhabender Männer‘ bezeichnet. Welche Rolle bleibt der Frau in der katarischen Gesellschaft?
Julia Friedrichs: „In Katar gibt es ein relativ kompliziertes System der männlichen Vormundschaft. Frauen sind darauf angewiesen, dass Männer, erst der Vater und später der Ehemann, ihre Entscheidungen gutheißen. Der Mann ist zudem das finanzielle Zentrum jeder katarischen Familie: Denn, in dem Moment, in dem er heiratet, bekommt er eine üppige Grundausstattung wie ein Grundstück und eine hohe Startprämie.
WERDER.DE: Das sind keine guten Voraussetzungen für Gleichberechtigung…
Julia Friedrichs: „Nun ja, es ist offenkundig, dass Frauen nicht so unterdrückt sind, wie in anderen Staaten der Region. Sie sind oftmals berufstätig und zeigen sich, wenn auch verhüllt, in der Öffentlichkeit. Aber gleichberechtigt sind sie - wie das Beispiel des Vormundschafts-System zeigt, eben nicht. Da das aber in den Familien passiert, ist es kaum möglich von außen zu bewerten, wie frei katarische Frauen in ihren Entscheidungen sind.“
WERDER.DE: Was macht diesen Einblick in das System so schwierig?
Julia Friedrichs: „Ich traue mir nicht zu, zu bewerten, was in den Häusern passiert. Wir haben auch mit Deutschen gesprochen, die schon lange dort wohnen, bei denen immer wieder der Begriff ‚Fassaden-Gesellschaft‘ gefallen ist. Frauen haben nicht die gleichen Rechte – das ist unstrittig. Aber: Sind gut ausgebildet. Bedeutend für die Frage, ob sich Katar wandelt, ist sicher nicht die WM, sondern vielleicht eher wie lange die jungen, gut ausgebildeten Frauen das System in der Form akzeptieren.“
WERDER.DE: Wir haben im Rahmen unserer Berichterstattung rundum die WM mit einer Frau gesprochen, die sehr positiv über die Möglichkeiten für Frauen in Katar gesprochen hat.
Julia Friedrichs: „Wenn es dieses System der Vormundschaft gibt und es läuft gut mit deinem Vormund, dann hast du viele Freiheiten. Das war auch unser Eindruck. Was ist aber, wenn der Vormund nicht damit einverstanden ist, wenn du arbeiten oder ins Ausland gehst oder Basketball spielen möchtest. Welche Möglichkeiten hast du dann? Das sind Momente, wo Rechte wichtig werden, auf die man sich im Zweifel berufen kann. Und einen solchen unabhängigen Rechtsstaat gibt es in Katar nicht.“