Unsichtbarer Freistoß belohnt "hartes Stück Arbeit"

Er zog mit seinem Tor quasi dem ganzen Stadion einen Jubel-Mantel an: Weihnachtsmann und Siegtorschütze Naldo.
Profis
Sonntag, 17.12.2006 / 23:36 Uhr

Der neu verlegte Rasen war nicht schuld, sagte Simon Jentzsch hinterher. Es war auch nicht das Flutlicht, und genauso wenig der nasse Ball. "Ich habe diesen Freistoß einfach nicht gesehen", musste der Wolfsburger Keeper zu Protokoll geben – weit über 100 Stundenkilometer können einen Gewaltschuss wie den von Naldo vier Minuten vor Schluss schon mal unsichtbar machen. Die verfrühte Silvester-Rakete setzte noch einmal einen Knalleffekt auf dieses Werder-Wunder-Jahr 2006 und bescherte den Bremern nach einem "harten Stück Arbeit" (Torsten Frings) doch noch die nötigen drei Punkte für den Weihnachtsmeister-Titel.

 

"Wir haben es uns selbst schwer gemacht", sagten Frings und Geschäftsführer Klaus Allofs unisono zu diesem verzwickten Spiel, das Werder in der ersten Hälfte rund um Daniel Jensens Zaubertor noch so bestimmt hatte. "Wir haben zu viele unserer Chancen nicht genutzt", bemängelte Frings zu den ersten 45 Minuten, um gleich auf die größte Möglichkeit zu sprechen zu kommen: "Der Elfmeter war der Knackpunkt, geht der rein, ist alles klar." Doch statt die Überlegenheit zählbar zu machen, baute Werder den Gegner mit Diegos Pfostenschuss auf, so dass VfL-Trainer Klaus Augenthaler einen ganz eigenen Eindruck von der 1. Hälfte formulieren konnte: "Wir hatten die Partie eigentlich gut im Griff." Zumindest kam Wolfsburg zum kuriosen Ausgleich, der den Gastgebern auch nach der Pause noch merklich zusetzte, zumal sie ja nicht gerade eine erholsame Hinrunde in den Beinen hatten. "Die Saison war sehr lang und hart, uns hat zum Ende hin ein bisschen die Kraft gefehlt", räumte Miroslav Klose ein. Die Mannschaft hätte auf die schwierige Situation gegen die tief stehenden Wolfsburger Defensivkünstler lange nicht mit den optimalen Mitteln reagiert, kritisierte Klaus Allofs: "Das Team wollte sich diese Chance auf den Herbstmeister-Titel nicht entgehen lassen, aber uns ist ein bisschen die Zeit weg gelaufen. Wir haben die Geduld verloren und zu viele hohe Bälle gespielt. Eigentlich ist das nicht unser Spiel."

 

Das Fazit von Cheftrainer Thomas Schaaf fiel positiver aus: "Wir haben über 90 Minuten das Spiel bestimmt und die Partie zu Recht gewonnen. Glückwunsch an die Mannschaft, die nie die Ruhe verloren und bis zum Schluss versucht hat, die Lücke zu finden." Eine Sicht, die Torsten Frings bestätigte: "Ich war auch in der 2. Halbzeit davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann das Siegtor fällt. Wir haben immer daran geglaubt, wir sind bis zum Schluss an unsere Grenzen gegangen." Klaus Augenthaler bilanzierte auch hier Überraschendes: "Ich habe insgesamt keinen großen Unterschied gesehen zwischen dem Herbstmeister und dem Zwölftplatzierten der Bundesliga, zumal es für uns sehr schwer war gegen elf Werderaner und einen Mann in gelb."

 

Die Wolfsburger waren unzufrieden mit Schiedsrichter Wolfgang Stark, dem "Auge" Folgendes vorwarf: "Der Elfmeter war sehr umstritten, aber für uns wurde kein Strafstoß gepfiffen, als Mertesacker griechisch-römisch zu Werke ging. Und ich verstehe nicht, warum ein Diego auf diese Art und Weise unsere gelben Karten provoziert." Dieses Urteil über seine Nummer 10 wollte Thomas Schaaf aber nicht akzeptieren: "Ein Spieler wie Diego wird so oft gefoult, dass ich manchmal nicht weiß, wie man ihn schützen soll." Vor allem angesichts der ersten zwei harten Aktionen der Wolfsburger gegen den Brasilianer bat Schaaf um Zurückhaltung und ließ dabei noch unerwähnt, dass zwei Verwarnungen an Wolfsburg wegen Zeitspiel ausgesprochen worden waren.

 

Ganz sicher keinen Einfluss hatten der Referee und sein Team auf den Treffer, der das ganze Stadion in einen leuchtend roten Weihnachtsmantel zu hüllen schien. Zum wiederholten Male in dieser Hinrunde konnte Werder sich auf seine Standards verlassen. Gerade an diesem Tag völlig legitim, fand Klaus Allofs: "Wenn eine Mannschaft so hinten drin steht wie Wolfsburg, dann sind Standards ein wichtiges Mittel, um zum Erfolg zu kommen. Da ist es gut, wenn man einige solcher Freistoßschützen hat." Zum bereits sechsten Mal war Werder per Freistoß erfolgreich, zum dritten Mal verwandelte Naldo mit seinem "sensationellen Schuss" (Klaus Allofs).

 

Der hätte schon knapp zwanzig Minuten vorher fast zum Erfolg geführt. "Da habe ich Simon Jentzsch noch gratuliert, weil er toll gehalten hatte", sagte Naldo, "doch beim zweiten Versuch war ich der Glücklichere." Mit seinem sechsten Saisontor habe er sich ein schönes Geschenk gemacht, freute sich Naldo, der den Treffer seinen Lieben und seinem Verein widmete: "Ich bin überglücklich, das ist ein ganz spezieller Moment. Es war so ein tolles Jahr für Werder, meine Familie und mich." Der Abwehrspieler, der in Sachen Torhunger alle Verteidigerkollegen der Bundesliga weit in den Schatten stellt, glaubt übrigens, die Urgewalt seiner Schüsse läge in seinen Genen begründet: "Ich kenne das Geheimnis nicht, doch auch meine Brüder und mein Onkel haben einen sehr harten Schuss. Ich nehme an, ich habe ihn geerbt."

 

Da stand er dann wieder in den Katakomben des Weser-Stadions und verkörperte so haargenau das, was sein Geschäftsführers Klaus Allofs über ihn sagt: "Naldo ist ein fröhlicher Mensch, er hat sehr viel Spaß am Fußball und lacht immer." Mit Geduld und dieser typischen Naldo-Freundlichkeit stellte sich der Weihnachtsmeisterschütze allen Fragern und Gratulanten und gab strahlend Auskunft über alles, was ihm lieb ist: seine Familie, seinen Fußball und seine Tore.

 

von Enrico Bach und Michael Rudolph

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