Gemessen an der Zahl der Chancen waren die Bremer vom Ergebnis aus dem Mai allerdings nicht sehr weit entfernt, gab Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs zu bedenken, der unter anderem auf 20:3 Torschüsse für sein Team verweisen konnte: "Zwischen dem 6:0 im Mai und dem 1:1 heute, war der Unterschied in der Leistung unserer Mannschaft nicht so groß. Nur damals war fast jeder Ball drin. Wenn wir unsere ersten Chancen genutzt hätten, wer weiß was heute passiert wäre."
Die Tormöglichkeiten haben die Grün-Weißen jedoch nicht genutzt. Thomas Schaaf hatte es so gesehen: "Jeder hat sich voll rein gehängt und wir haben einen Riesendruck erzeugt. Doch immer war noch ein Bein oder der Pfosten dazwischen, wir konnten das Ding einfach nicht über die Linie drücken." Vize-Kapitän Fabian Ernst seufzte: "Es gibt solche Tage, an denen will der Ball einfach nicht rein. Wir haben alles probiert. Wir brauchen uns keine großen Vorwürfe zu machen."
Die defensive Orientierung der Hamburger machte den Werderanern das Toreschießen schwer. Ümit Davala beschrieb die Spielweise des Gegners so: "Wir hatten heute nicht den Raum für unser Spiel. Der Gegner hat alles sehr eng gemacht, die standen doch mit neun Spielern hinten drin." Geschäftsführer Klaus Allofs konnte sich sogar zu einem Lob an die Hamburger durchringen: "Der HSV hat unsere erste Druckphase gut überstanden, weil er sehr gut stand. Ich habe selten einen so disziplinierten und kampfstarken HSV erlebt, wie diesmal."
Noch schwerer wurde es dann für die Grün-Weißen durch das Gegentor. Der HSV schöpfte trotz den Werder-Drucks neuen Mut und zog sich noch weiter zurück. Fabian Ernst ärgerte sich maßlos über den Treffer: "Das Tor haben wir den Hamburgern geschenkt. Es war völlig unnötig." Torhüter Andreas Reinke beschrieb den Treffer, der in einer missglückten Kopfball-Rückgabe von Johan Micoud seinen Ausgangspunkt hatte, so: "Joe' köpfte auf einmal zurück. Ich versuche das Ding noch zu retten." Für seinen weiten Ausflug aus dem Tor sah der Keeper keine Alternative: "Wenn ich Mpenza nicht entgegen laufe, dann geht er allein auf das Tor zu. So hatten wir wenigstens noch einmal einen weiteren Zweikampf um den Ball zu klären. Wir hätten die nachfolgende Flanke an der Außenlinie verhindern können." Um ein Haar hätte Fabian Ernst sogar den abschließenden Kopfball abwehren können. Ernst: "Ich stand auf der Torlinie und bin dann rausgelaufen, um ihn zu bedrängen. Ich hatte gehofft, dass Jarolim ihn ein wenig schlechter trifft."
Über das zweite Tor der Partie konnten sich die Bremer naturgemäß mehr freuen. Christian Schulz, der erst vor einer Woche gegen Nürnberg seine Torpremiere feierte, konnte seinen Wert in der Torschützen-Liste nun verdoppeln. Entsprechend groß war die Freude bei "Schulle": "Das war überragend. Ich gehe zusammen mit 'Baumi' hoch zum Kopfball, er bekommt ihn nicht, die Kugel tropft vor mir auf und ich haue ihn mit rechts ins Netz." Dass die Kugel bei der Ballannahme seinen Unterarm berührte, hatte "Schulle" zunächst überhaupt nicht mitbekommen: "Ich habe die Fernsehbilder noch nicht gesehen. Ich weiß nicht, ob ich den Ball berührt habe. Aber das spielt auch keine Rolle, weil es auf keinen Fall mit Absicht passiert ist. Der Ball kam so überraschend aus so kurzer Distanz, dass du nicht mehr reagieren kannst."
Weil es bei dem Tor von Christian Schulz blieb, war die Stimmung der Bremer etwas getrübt. Fast alle Grün-Weißen ärgerten sich am Ende über fehlende Punkte. "So wie wir uns reingehängt haben, haben wir zwei Punkte verloren", stellte Andreas Reinke fest. Ein kleiner Trost lieferte den Bremern der Blick auf die Bundesliga-Tabelle. Jede Mannschaft hat in dieser Saison schon mindestens drei Mal verloren. Valérien Ismaël sagte dazu: "Die Bundesliga ist ausgeglichener als in der vergangenen Saison. Es wird bis zum Ende spannend bleiben." Fabian Ernst sieht in der Lauerstellung auf Platz sechs und mit nur zwei Punkten Rückstand auf einen Champions-League-Platz eine gute Ausgangssituation: "So können wir das Feld von hinten aufräumen und der Fokus ist nicht so sehr auf uns gerichtet."
von Michael Rudolph und Norman Ibenthal
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