Hat dir dein Bauchgefühl auch vor der Saison 2003/2004 den Double-Sieg vorausgesagt?
Nein, das konnte man nicht ahnen. Damals hatte uns mit Frank Verlaat wieder ein Leistungsträger verlassen, Frank Rost und Torsten Frings waren gerade ein Jahr weg. Dieser Start-Ziel-Meisterschaftssieg war etwas ganz Außergewöhnliches. Vom ersten Spieltag an wurde die Begeisterung in der Stadt größer und größer. Als bekannt wurde, dass Ailton und Mladen Krstajic nach Schalke wechseln, gab es einen kleinen Dämpfer, der aber schon beim nächsten Spiel wieder von der Titel-Euphorie ausgeglichen wurde. Das war eine optimale Saison.
Hast du in dieser Saison auch deinen wichtigsten Treffer geschossen? Jedenfalls hat man dich nie wieder so jubeln sehen wie nach dem Siegtor in Gladbach.
Das war schon ein außergewöhnliches Tor, nicht schön, aber sehr wichtig. Ich habe den Ball mal wieder aus eins, zwei Metern über die Linie gedrückt. Aber es war kurz vor Schluss, wir waren in Unterzahl, das war schon sehr emotional. Aber mein Tor in Hamburg im UEFA-Pokal-Halbfinale würde ich auf eine Stufe stellen. Da war das Gefühl da, etwas Wichtiges beigetragen zu haben zu dieser sehr guten internationalen Saison, zu diesen verrückten Derby-Wochen.
Der Treffer sicherte euch den Einzug ins Finale. Außerdem gilt es hier noch einmal festzuhalten, dass du dieses Tor gemacht hast und nicht die berühmte Papierkugel!
Diese Szene wird auch noch lange in meiner Erinnerung bleiben. Die "Papierkugel-Ecke" kam herein, Hugo verlängert, Fäustel wehrt ab und dann Trochowski und ich im Kampf um den Ball und dann war er drin. Ich dachte in dieser Sekunde nur: entweder gehst du richtig hin und hast Erfolg, oder du zögerst, triffst nicht und gehst mit einem Nasenbeinbruch nach Hause. Die Erfahrung hatte ich bei Werder ja auch schon zwei Mal gemacht.
Hast du noch andere technische Daten deiner Karriere im Kopf außer zwei Nasenbeinbrüche, 16 Bundesliga-Tore, je einmal Meister und Pokalsieger, Vize-Weltmeister und Vize-Europapokalsieger?
(lacht wieder) … drei Eigentore, vier Mannschaftsbusse und neun Trainer verschlissen, der zehnte, Thomas Schaaf, arbeitet noch.
Du hast mit zehn Trainern im Profifußball gearbeitet, obwohl du jetzt zehn Jahre mit Thomas Schaaf verbracht hast? Da würde aber niemand drauf kommen, das könnte mal eine knifflige Frage bei "Wer wird Millionär?" sein. Kannst Du noch alle aufzählen?
In Nürnberg gab es zu meiner Zeit bei der Trainerbesetzung das Kontrastprogramm zu Werder. Es fing bei mir 1994 mit Rainer Zobel an, als ich aus der Jugend zu den Profis kam. Zwei Spieltage vor der Winterpause kam Dieter Renner, nach der Winterpause Günter Sebert bis zum Sommer. Zur neuen Saison startete Hermann Gerland seine Arbeit, der wiederum wurde drei, vier Spieltage vor Saisonende entlassen. Es kam Willi Entenmann mit dem wir in die Regionalliga gegangen sind und wieder in die 2. Bundesliga aufsteigen konnten. Dort wurde er nach drei, vier Spieltagen wieder entlassen und Felix Magath übernahm das Amt. Er führte uns in die erste Liga, konnte sich jedoch dann im Laufe der Vorbereitung auf die erste Liga mit der Vereinsführung nicht auf einen Vertrag einigen und ist gegangen. Willi Reimann kam bis kurz vor der Winterpause und musste dann aus gesundheitlichen Gründen seiner Frau aufhören. Thomas Brunner kam für ein paar Spiele und in der Winterpause übernahm dann Friedel Rausch bis zum Sommer. Das waren neun Trainer in vier Jahren.
Gab es Übungsleiter in Deiner Karriere, denen Du besonders dankbar bist?
In zehn Jahren mit Thomas Schaaf hatte ich ein sehr gutes, vertrauensvolles Verhältnis, wie man es sich nur wünschen kann, aber es gab auch einige andere, die sehr großen Anteil an meiner Karriere haben. Das fing schon in Grombühl an. Bei Nürnberg möchte ich Reinhold Hintermaier nennen. Ein Österreicher, der mit 39 in Nürnberg noch gespielt hat und im Pokalfinale 1982 mal aus 40 Metern ein Tor schoss, ein super Fußballer. Er war mein A-Jugend-Trainer und ist dann relativ kurzfristig Amateurtrainer und Co-Trainer bei den Profis geworden. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich da keine Chance bekommen. Er hat sich sehr für mich eingesetzt.
Warum war Dein Profi-Start so schwierig?
Ich hatte nach der A-Jugend fünf Einsätze bei den Profis, hatte mich dann aber verletzt. In der Rückrunde war dann ein neuer Trainer da und ich hatte überhaupt keine Chance, weil ich zusätzlich auch mein letztes Lehrjahr absolviert habe und eigentlich nur abends bei den Amateuren mittrainieren konnte oder Urlaub nehmen musste, um mal bei den Profis dabei sein zu können. Reinhold Hintermaier hat mich in dieser Zeit immer wieder bestärkt. Meine erste richtig gute Profi-Saison habe ich dann aber auch Hermann Gerland zu verdanken. Er hat mich nach ein paar Spielen reingeworfen und mich immer wieder gefördert.
Du hast Nürnberg also viel zu verdanken und bist dem Club verbunden geblieben.
Ja, klar! Ich habe dort insgesamt acht prägende Jahre gespielt. Aber es ist auch normales Fanverhalten. Ich bin in Würzburg aufgewachsen und habe schon ganz früh den Nürnbergern die Daumen gedrückt. Ich freue mich, dass sie jetzt die Relegation geschafft haben und würde mich freuen, wenn sie den Aufstieg in die erste Liga wieder packen.
Das Interview führte Michael Rudolph