"Fast täglich rief Thomas Schaaf bei mir an"

Kapitän Frank Baumann erinnert sich, warum er sich für 1999 für Werder entschieden hat: "Thomas Schaaf hat nicht locker gelassen, rief fast täglich bei mir an".
Profis
Mittwoch, 27.05.2009 / 18:45 Uhr

Nach seiner zehnten Saison bei Werder Bremen hat Frank Baumann seinen Rücktritt von der aktiven Karriere bekannt gegeben. Nach dem DFB-Pokal-Finale ist Schluss. Doch nach 15 Profijahren bleibt er Werder erhalten, im Januar 2010 wird er als Assistent von Klaus Allofs ein Büro in der Werder-Geschäftsstelle beziehen. In einem langen Exklusiv-Interview mit WERDER.DE sprach er über die Veränderungen und über seine lange Karriere. Heute Teil 2!

 

 

Frank, vor neun Jahren bist du zum damals jüngsten Kapitän der Bundesliga gewählt worden. Kannst du dich noch daran erinnern? Es war eine Abstimmung, die du knapp gegen Frank Rost gewonnen hast.

Natürlich das war schon ein Moment, der mir sehr viel bedeutete. Es war eine riesige Anerkennung für mich als jungen Spieler, der auch erst ein Jahr zuvor zu Werder gekommen war. Es gab die Situation, dass die Kapitänsrolle vakant war und mehrere ältere Spieler aus unterschiedlichen Gründen dieses Amt nicht ausfüllen wollten und jüngeren Teamkollegen die Chance geben wollten. Es standen dann einige zur Wahl und dazu gehörten auch ‚Fäustel’ und ich. Es war ein ganz knappes Ergebnis. Ich denke Fäustel wäre es auch gern geworden, aber er hat es mich nie spüren lassen, er hatte es akzeptiert.

 

Was viele nicht wissen, Dein Wechsel zu Werder war Liebe auf den dritten Blick? Kannst Du das erklären?

Das ist sehr blumig umschrieben, aber es stimmt, es war ein Wechsel mit einigen Anläufen. Ich hatte schon zwei, drei Jahre vorher sehr engen Kontakt zu Werder. In meinem ersten Zweitligajahr in Nürnberg, habe ich eine sehr, sehr ordentliche Saison gespielt. Leider sind wir dennoch abgestiegen, was aber auch daran lag, dass wir mit einem Punktabzug gestartet waren. In dieser Zeit fragte Bremen an, genau so wie sechs, sieben andere Teams. Aber schon damals zog mich einiges nach Bremen. Komischerweise war trotz aller Offerten nur zu Gesprächen in Bremen und saß dann in der damaligen "Villa Verde", dem Stadion-Restaurant, mit dem Vorstand zusammen, mit Dr. Franz Böhmert, Klaus-Dieter Fischer und Willi Lemke, der damals noch Manager war. Das war ein richtig gutes Gespräch. Da hat mich Werder schon sehr beeindruckt.

 

Doch aus diesem Date wurde dann nichts.

Ja, ich hatte mich dann doch dazu entschieden, in Nürnberg zu bleiben. Wir waren abgestiegen und ich wollte das mit ausbügeln. Aber gerade weil der Besuch in Bremen eigentlich sehr gut war, habe ich mich dann entschlossen einen Brief zu schrieben, in dem ich meine Entscheidung erklärt habe. Ich glaube, da stand sogar drin, dass man vielleicht später noch einmal zusammenkommen könnte.

 

Und im zweiten Versuch war eigentlich auch schon wieder alles vorbei, bevor es begonnen hatte.

Stimmt. Das war ein ganz langer Anlauf 1999. Werder hatte erneut Kontakt zu mir aufgenommen. Wir hatten das erste Spiel mit Nürnberg in der Rückrunde gegen Werder und Felix Magath hat nach der Partie ein Gespräch mit mir geführt. Da habe ich ihm gesagt, dass ich mich entschieden hatte, weiter in Nürnberg zu bleiben. Ich war von unserem Klassenerhalt überzeugt und Bremen steckte auch unten mit drin. Es gab keine Veranlassung für einen Wechsel.

 

Doch dann kam das legendäre Abstiegsfinale 1999, in das Nürnberg mit Riesenvorsprung hineinging und dann doch noch sensationell abstieg.

Stimmt, die Bremer hatten sich schon zwei Spieltage vor Schluss gerettet und Nürnberg war abgestiegen. Vier Mannschaften zogen damals am letzten Spieltag noch an uns vorbei und ich hatte die Riesen-Torchance uns zu retten. Einige können sich bestimmt erinnern, auf diese Szene werde ich ja heute noch angesprochen. Plötzlich waren meine Pläne alle wieder über den Haufen geworfen.

 

Na das war ja karrieretechnisch ein Horrorsommer mit Happyend.

So könnte man es sagen. Ich wusste dann nicht, was ich machen soll. Einerseits hatte ich das Gefühl, dass ich viel verspielen könnte, wenn ich mit Nürnberg in die zweite Bundesliga gegangen wäre. Ich hatte immerhin schon ein paar Einsätze in der damaligen A2-Nationalmannschaft und wusste, dass ich jetzt den nächsten Schritt machen musste. Andererseits fühlte ich mich schon so wie drei Jahre zuvor dem 1. FC Nürnberg verbunden und hatte ein schlechtes Gewissen wegen der ominösen Torszene. Außerdem wollte mich Nürnberg trotz allem unbedingt halten und machte noch einmal alles möglich.

 

Warum hat dann die Waage zu Werder ausgeschlagen?

In den beiden Tagen nach dem Abstieg haben dann sieben, acht Erstligisten angerufen, darunter auch Thomas Schaaf. Und er hat nicht locker gelassen. Fast täglich rief er danach bei mir an. Eine Woche später haben wir uns am Frankfurter Flughafen getroffen und er hat einen sehr guten Eindruck gemacht. Obwohl er erst ganz frisch als Bundesliga-Trainer arbeitete, die Führungsmannschaft bei Werder gerade im Umbruch war, hatte er ein ganz klares Konzept und wusste genau, was er wollte. Er hat mir damals gesagt, dass er sehr aggressiv spielen will, sehr offensiv. Das hat sich gut angehört. Ein paar Tage später fiel dann meine Entscheidung.

 

Kurios, dass ausgerechnet Otto Rehhagel fast deine Karriere bei Werder verhindert hätte.

Ja, er wollte mich damals nach Kaiserslautern holen. Das war eines der anderen Angebote. Wir hatten uns in Frankfurt getroffen und es sprach viel für einen Wechsel in Pfalz. Meine Eltern und mein Berater hatten mir dazu geraten. Aber wie immer in meiner Karriere habe ich das dann allein aus dem Bauch heraus entschieden. In Kaiserslautern war mir einfach zu viel Unruhe in der Führung. Ich wusste dagegen, dass Werder ein über Jahre seriös geführter Verein war. Sie hatten zwar sportlich ein paar Probleme, aber die Mannschaft hatte auch ein gewisses Potenzial. Außerdem war früh klar, dass sie trotz Abstiegskampf im UEFA-Pokal starten würden, weil sie im DFB-Pokal-Finale gegen den FC Bayern spielten.

 

Eine weitere grandiose Bauchentscheidung hast du 2002 getroffen, als du ein sehr gutes Angebot aus Leverkusen hattest und dennoch nicht gegangen bist. Immerhin wechselten andere Leistungsträger wie Frank Rost und Torsten Frings zu „großen“ Klubs, um dort Titel zu holen. Woher hattest Du diese Sicherheit, dass die Entwicklung bei Werder so durch die Decke gehen würde?

(lacht) Naja, vielleicht habe ich ja auch ein bisschen Ahnung vom Fußballgeschäft. Auch damals sprach wirklich vieles für Leverkusen. Sie standen im Champions-League-Finale, im DFB-Pokal-Finale, sind fast Meister geworden, sie wollten mich unbedingt haben und es wäre finanziell lukrativ gewesen. Aber ich war damals davon überzeugt, dass wir bei Werder zu dieser Zeit unter unseren Möglichkeiten gespielt haben, dass da mehr drin sein wird.

 

Hat dir dein Bauchgefühl auch vor der Saison 2003/2004 den Double-Sieg vorausgesagt?

Nein, das konnte man nicht ahnen. Damals hatte uns mit Frank Verlaat wieder ein Leistungsträger verlassen, Frank Rost und Torsten Frings waren gerade ein Jahr weg. Dieser Start-Ziel-Meisterschaftssieg war etwas ganz Außergewöhnliches. Vom ersten Spieltag an wurde die Begeisterung in der Stadt größer und größer. Als bekannt wurde, dass Ailton und Mladen Krstajic nach Schalke wechseln, gab es einen kleinen Dämpfer, der aber schon beim nächsten Spiel wieder von der Titel-Euphorie ausgeglichen wurde. Das war eine optimale Saison.

 

Hast du in dieser Saison auch deinen wichtigsten Treffer geschossen? Jedenfalls hat man dich nie wieder so jubeln sehen wie nach dem Siegtor in Gladbach.

Das war schon ein außergewöhnliches Tor, nicht schön, aber sehr wichtig. Ich habe den Ball mal wieder aus eins, zwei Metern über die Linie gedrückt. Aber es war kurz vor Schluss, wir waren in Unterzahl, das war schon sehr emotional. Aber mein Tor in Hamburg im UEFA-Pokal-Halbfinale würde ich auf eine Stufe stellen. Da war das Gefühl da, etwas Wichtiges beigetragen zu haben zu dieser sehr guten internationalen Saison, zu diesen verrückten Derby-Wochen.

 

Der Treffer sicherte euch den Einzug ins Finale. Außerdem gilt es hier noch einmal festzuhalten, dass du dieses Tor gemacht hast und nicht die berühmte Papierkugel!

Diese Szene wird auch noch lange in meiner Erinnerung bleiben. Die "Papierkugel-Ecke" kam herein, Hugo verlängert, Fäustel wehrt ab und dann Trochowski und ich im Kampf um den Ball und dann war er drin. Ich dachte in dieser Sekunde nur: entweder gehst du richtig hin und hast Erfolg, oder du zögerst, triffst nicht und gehst mit einem Nasenbeinbruch nach Hause. Die Erfahrung hatte ich bei Werder ja auch schon zwei Mal gemacht.

 

Hast du noch andere technische Daten deiner Karriere im Kopf außer zwei Nasenbeinbrüche, 16 Bundesliga-Tore, je einmal Meister und Pokalsieger, Vize-Weltmeister und Vize-Europapokalsieger?

(lacht wieder) … drei Eigentore, vier Mannschaftsbusse und neun Trainer verschlissen, der zehnte, Thomas Schaaf, arbeitet noch.

 

Du hast mit zehn Trainern im Profifußball gearbeitet, obwohl du jetzt zehn Jahre mit Thomas Schaaf verbracht hast? Da würde aber niemand drauf kommen, das könnte mal eine knifflige Frage bei "Wer wird Millionär?" sein. Kannst Du noch alle aufzählen?

In Nürnberg gab es zu meiner Zeit bei der Trainerbesetzung das Kontrastprogramm zu Werder. Es fing bei mir 1994 mit Rainer Zobel an, als ich aus der Jugend zu den Profis kam. Zwei Spieltage vor der Winterpause kam Dieter Renner, nach der Winterpause Günter Sebert bis zum Sommer. Zur neuen Saison startete Hermann Gerland seine Arbeit, der wiederum wurde drei, vier Spieltage vor Saisonende entlassen. Es kam Willi Entenmann mit dem wir in die Regionalliga gegangen sind und wieder in die 2. Bundesliga aufsteigen konnten. Dort wurde er nach drei, vier Spieltagen wieder entlassen und Felix Magath übernahm das Amt. Er führte uns in die erste Liga, konnte sich jedoch dann im Laufe der Vorbereitung auf die erste Liga mit der Vereinsführung nicht auf einen Vertrag einigen und ist gegangen. Willi Reimann kam bis kurz vor der Winterpause und musste dann aus gesundheitlichen Gründen seiner Frau aufhören. Thomas Brunner kam für ein paar Spiele und in der Winterpause übernahm dann Friedel Rausch bis zum Sommer. Das waren neun Trainer in vier Jahren.

 

Gab es Übungsleiter in Deiner Karriere, denen Du besonders dankbar bist?

In zehn Jahren mit Thomas Schaaf hatte ich ein sehr gutes, vertrauensvolles Verhältnis, wie man es sich nur wünschen kann, aber es gab auch einige andere, die sehr großen Anteil an meiner Karriere haben. Das fing schon in Grombühl an. Bei Nürnberg möchte ich Reinhold Hintermaier nennen. Ein Österreicher, der mit 39 in Nürnberg noch gespielt hat und im Pokalfinale 1982 mal aus 40 Metern ein Tor schoss, ein super Fußballer. Er war mein A-Jugend-Trainer und ist dann relativ kurzfristig Amateurtrainer und Co-Trainer bei den Profis geworden. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich da keine Chance bekommen. Er hat sich sehr für mich eingesetzt.

 

Warum war Dein Profi-Start so schwierig?

Ich hatte nach der A-Jugend fünf Einsätze bei den Profis, hatte mich dann aber verletzt. In der Rückrunde war dann ein neuer Trainer da und ich hatte überhaupt keine Chance, weil ich zusätzlich auch mein letztes Lehrjahr absolviert habe und eigentlich nur abends bei den Amateuren mittrainieren konnte oder Urlaub nehmen musste, um mal bei den Profis dabei sein zu können. Reinhold Hintermaier hat mich in dieser Zeit immer wieder bestärkt. Meine erste richtig gute Profi-Saison habe ich dann aber auch Hermann Gerland zu verdanken. Er hat mich nach ein paar Spielen reingeworfen und mich immer wieder gefördert.

 

Du hast Nürnberg also viel zu verdanken und bist dem Club verbunden geblieben.

Ja, klar! Ich habe dort insgesamt acht prägende Jahre gespielt. Aber es ist auch normales Fanverhalten. Ich bin in Würzburg aufgewachsen und habe schon ganz früh den Nürnbergern die Daumen gedrückt. Ich freue mich, dass sie jetzt die Relegation geschafft haben und würde mich freuen, wenn sie den Aufstieg in die erste Liga wieder packen.

 

Das Interview führte Michael Rudolph

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