"Nie wieder lustige Spieler-Fragebögen ausfüllen!"

Kapitän Frank Baumann galt in den vergangenen zehn Jahren als vorbildlicher Profi für Teamkollegen und Gegner. Jetzt beendet er seine Karriere mit dem DFB-Pokalfinale in Berlin.
Profis
Dienstag, 26.05.2009 / 11:34 Uhr

Nach seiner zehnten Saison bei Werder Bremen hat Frank Baumann seinen Rücktritt von der aktiven Karriere bekannt gegeben. Nach dem DFB-Pokal-Finale ist Schluss. Doch nach 15 Profijahren bleibt er Werder erhalten, im Januar 2010 wird er als Assistent von Klaus Allofs ein Büro in der Werder-Geschäftsstelle beziehen. In einem langen Exklusiv-Interview mit WERDER.DE sprach er über die Veränderungen und über seine lange Karriere. Heute Teil 1!

 

 

Frank, Du hast Deine Entscheidung getroffen! Nach zehn Jahren in Bremen, nach 18 Jahren leistungsorientiertem Fußball bei Werder, dem 1. FC Nürnberg und beim TSV Grombühl beendest Du Deine aktive Karriere. Bist Du Dir wirklich sicher?

Ja, so eine Entscheidung fällst du nicht von heute auf morgen, sie reift in einem längeren Prozess. Die ersten Gedanken dazu, habe ich im Herbst letzten Jahres entwickelt. Im Winter wurde es dann noch ein bisschen stärker, aber je näher die Entscheidung dann rückte, desto schwerer fiel es mir wieder. Aber jetzt bin ich mir sicher, dass es der richtige Schritt ist.

 

Bist Du aufgewacht und hast Dir gesagt, mir ist alles ganz klar, ich höre auf? Kannst Du Dich an den Moment erinnern, in dem die Entscheidung für Dich fiel?

So einen bestimmten Tag kann ich eigentlich nicht benennen, aber es gab vor mehreren Wochen eine Phase, in der ich in verschiedenen Trainingseinheiten das Gefühl hatte, dass ich das für mein Leben jetzt nicht mehr so brauche. Es waren keine besonders anstrengenden oder ungewöhnliche Einheiten, sondern der ganz gewöhnliche Trainingsalltag. Da war ich mir dann sicher. Das ist jetzt so fünf, sechs Wochen her.

 

Hast Du mit diesem Gedanken im Hinterkopf die letzten Halbserie noch einmal ganz bewusst genossen, jedes Stadion noch einmal auf Dich wirken lassen, die Euphorie der Fans aufgesogen?

Genießen ist das falsche Wort, es war noch einmal Motivation genug, alles aus sich rauszuholen, noch einmal alles zu geben. Aber ich wollte den Rücktritt auch nicht zu früh bekannt geben, um so eine hochoffizielle Abschiedstour zu vermeiden. Ich glaube, ich hätte mir da keinen Gefallen getan. Ich war noch nie einer, der sich in den Vordergrund gedrängt hat und das wollte ich jetzt auch nicht. Deswegen war es mir auch ganz recht, dass es jetzt mit den beiden Finals genug andere Dinge zu schreiben und zu senden gab.

 

Das perfekte Schlussbild wäre nun, dass Du am Sonntag noch einmal als Kapitän einen Pokal auf dem Bremen Rathaus-Balkon in die Höhe stemmst.

Ich hätte nichts dagegen, es wäre ein schöner Nebeneffekt. Aber ich höre nicht auf, nur weil es jetzt die Möglichkeit für ein schönes Karriereende gibt. Ich weiß, dass es auch noch ganz anders ausgehen kann, wir nichts in den Händen halten. Dann steht mein Entschluss genau so fest. Aber es ist schon so, dass es ein Ziel von mir war, diese beiden Endspiele zu erreichen, wenn möglich auch die beiden Titel. Den ganzen Trouble darum habe ich bewusster wahrgenommen. Leider auch die Enttäuschung in Istanbul. Vielleicht erfahre ich auch noch einmal die positive Seite eines Endspiels. Wir haben es selbst in der Hand.

 

Wie hat Werder Bremen auf Deine Entscheidung reagiert?

Werder hätte gern mit mir weitergemacht, wenn ich das Signal dazu gegeben hätte. Ich denke aber, dass sie die Entscheidung nicht so sehr überrascht hat, denn natürlich habe ich auch in der Vergangenheit immer mal wieder mit Thomas und Klaus über die Situation gesprochen. Es war ja in den letzten zehn Jahren immer eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit, für die ich mich auch bedanken möchte. Sie haben mir die Chance gegeben hier in den letzten zehn Jahren diese Rolle zu spielen.

 

Kommt Dein Ausstieg nicht sehr früh. Es gibt doch noch viele Spieler, die auch mit 36, 37 Jahren noch aktiv sind.

Da muss ich widersprechen, ich glaube, dass es gar nicht mehr so ist. Vor zehn Jahren hätte ich die Aussage bestätigt, aber heute gibt es höchstens noch ein Handvoll Profis, die mit Mitte 30 oder darüber hinaus noch auf hohem Niveau aktiv sind. Es ist schon ein Trend geworden, früher aufzuhören. Das liegt an der größeren Belastung, an der Entwicklung des Spiels zu mehr Athletik und an der größeren Konkurrenz durch die Aufhebung der Ausländerbeschränkungen.

 

Hattest du Vorbilder oder sogar Berater bei Deiner Entscheidung. Marco Bode hat auch nach einem internationalen Finale mit 32 aufgehört. Du bist nur ein Jahr älter.

Natürlich muss man das mit Menschen aus dem näheren Umfeld besprechen. Da gehört sicher meine Familie dazu, meine Frau, mein Vater, aber auch mein Berater. Letztendlich kann jeder aber auch nur Tipps und wichtige Hinweise geben. Aber ich habe es in meiner Karriere schon immer so gehalten, dass ich meine Entscheidungen nach meinem Gefühl selbst getroffen habe. Und was Wechsel und Vertragsverlängerungen betrifft, habe ich da nicht so falsch gelegen.

 

Jetzt wirst Du in eine neue Rolle schlüpfen. Du sollst ab dem 1. Januar als Assistent von Klaus Allofs bei Werder mitwirken. Hast Du Dir das halbe Jahr Pause gewünscht?

Ja, das war mir in den Gesprächen, die in den vergangenen Wochen liefen, ein großes Anliegen. Ich wollte zeitnah mitwirken, aber auch genug Auszeit bekommen. Ich brauche erst etwas Abstand, ich will den Samstag-Mittwoch-Profi-Rhythmus abschütteln und ins ‚normale’ Leben reinkommen. Diese Zeit werde ich zur Erholung nutzen, aber auch schon zur Weiterbildung. Außerdem möchte ich Abstand vom Bundesliga-Alltag als Spieler bekommen und etwas Distanz zur Mannschaft aufbauen, die mir in meiner neuen Funktion helfen wird. Ich will gut vorbereitet im Januar in die Geschäftsstelle zurückkehren. Doch bald stehen erst einmal fünf Wochen Urlaub mit meiner Familie auf dem Plan. So etwas habe ich noch nie gemacht. Darauf freue ich mich sehr.

 

Wie muss man sich die Arbeitsplatzbeschreibung des Assistenten des Geschäftsführers Profifußball vorstellen? War das Dein Wunsch? Wäre auch ein Platz im Trainerstab eine Option gewesen?

In den Arbeitsbereich bei Klaus Allofs Einblick zu erhalten und ihn zu unterstützen, ist eine große Chance für mich. Ich komme in diesen zweieinhalb Jahren, in denen mein Vertrag läuft, als Lehrling hierher zurück, der sehr davon profitieren wird, von so einem erfahrenen Mann wie Klaus zu lernen. Dennoch will ich schnell in meine neue Aufgabe hineinwachsen. Für die Zukunft werde ich mich aber auch in anderen Bereichen fit machen. Ich werde auch den Trainerschein absolvieren, der auch für die Aufgaben im Sportmanagement nicht schadet. Mal sehen, wie ich das alles unter einen Hut bekomme. Ich könnte mir auch vorstellen nach den zweieinhalb Jahren als Trainer zu arbeiten, man kann sich da nie wirklich festlegen.

 

Was wird dir nach deinem Ausstieg als Profi am meisten fehlen und welche Entbehrung bist du gerne los? Es wird sicher kein schlechtes Gefühl sein, Anfang Juli nicht auf der Fähre nach Norderney zu sitzen?

(lacht) Also die Fahrt mit der Fähre war noch das kleinste Übel. Aber danach folgte natürlich nicht die große Party. Wobei, ich glaube sogar, dass mir diese körperliche Belastung, dieses Auspowern auf dem Trainingsplatz fehlen wird. Auch dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, dieses Zusammensein, die Gespräche und Gepflogenheiten im Massageraum, der gemeinsame Trainingsalltag. Und natürlich auch die Spiele, die gemeinsamen Erfolge werden einem schnell fehlen. Deswegen ist eine Auszeit auch nötig. Ich muss Abstand von diesen ganzen Dingen bekommen.

 

Aber es muss doch auch wirklich positive Seiten des Abschieds geben?

Ich werde nie wieder einen lustigen Fragebogen für Internet oder Sonderhefte ausfüllen, dieses Zeremoniell - meist zu Saisonbeginn - war mir immer ein Graus. Über drei Dinge für einsame Inseln, Potenzielle WG-Mitbewohner oder welche historischen Ereignisse der Weltgeschichte ich gerne verändert hätte, habe ich mir immer nur sehr selten nützliche Gedanken gemacht.

 

Jetzt mal Spaß bei Seite.

Na gut, das Hotel-Hopping wird mir nicht fehlen. In den letzten Wochen ging es ja nur von Hotel zu Hotel und wenn man mal ein wichtiges Spiel gewonnen hatte, konnte man sich gar nicht richtig freuen, weil man drei Tage später wieder auf dem Platz stand. Was uns trotz des verlorenen Endspiels in dieser UEFA-Pokal-Saison geglückt ist, ist doch vielen uns noch gar nicht richtig bewusst. Das wird dir erst im Urlaub in der Sommerpause klar. Immer ging es nur Schlag auf Schlag. Für die Vergangenheit hast du keine Zeit. In den nächsten Monaten werde ich mir die Zeit nehmen, da einiges aufzuarbeiten.

 

Das Gespräch führte Michael Rudolph

 

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