Interview: Winzer "Joe" beendet Auszeit vom Fußball

Mode-Label, Kunstgalerie oder Weinberg? Letztere Idee hat Johan Micoud schon kurz nach seiner aktiven Laufbahn in die Tat umgesetzt.
Profis
Donnerstag, 26.03.2009 / 23:21 Uhr

Zwei Tage war Johan Micoud in seiner ehemaligen Wahlheimat in Bremen zu Gast. Auf seinem Programm: Freunde treffen, Erinnerungen auffrischen und ein langes Gespräch mit WERDER.DE und WERDER.TV. Der Double-Sieger 2004 brachte gute Laune in Übergröße mit und plauderte über Wein und Fußball-Rente. Lesen Sie hier den ersten Teil des Gesprächs.

 

Joe, wir wollen uns gar nicht vorstellen, dass Du nicht mehr auf dem Feld stehst. Keine genialen Steilpässe mehr spielst, dass Du wirklich aufgehört hast?

Doch, genau so ist es. Im Juni des vergangenen Jahres habe ich meine Karriere beendet. Es muss sich aber keiner Sorgen machen, ich habe die Monate danach genossen, habe eine Auszeit vom Fußball genommen. Es ist eine Art neues Leben, das ich jetzt führe. Ich kann mehr bei meinen Kindern sein und weiß, wann sie Schulferien haben. Außerdem kann ich endlich viel reisen und habe das in den letzten acht Monaten auch schon viel gesehen. Ich genieße die freien Momente, habe viel Zeit mit Freunden und sitze jetzt zum Beispiel hier in einer sehr netten Runde in Bremen. Es ist alles wunderbar.

 

Wenn mich vor einiger Zeit jemand gefragt hätte, welchen Weg Du nach Deiner Karriere einschlägst, dann wären mir spontan drei Dinge in den Kopf gekommen: Du kaufst Dir einen Weinberg, gründest ein Mode-Label oder eröffnest eine Kunstgalerie.

(lacht). Oh, du musst nicht weiterrätseln, etwas davon ist es wirklich geworden. Eine dieser drei Alternativen ist tatsächlich eingetreten. Ich besitze jetzt einen Weinberg im Pomerol und versuche dort mit Freunden einen richtig guten Wein zu vertreiben. Diese Idee habe ich mit Freunden schon lange im Kopf, jetzt hat es endlich geklappt. Im Oktober fand unsere erste Weinlese statt. Das war für mich eine neue Erfahrung. Ich habe das alles mit großem Interesse und ganz dicht dran verfolgt. Aber die anderen Möglichkeiten, die Du da genannt hast, werde ich mir merken. Das wäre auch etwas für die Zukunft.

 

Darf man sich den Winzer Johan Miocud mit großem Schlapphut, Gummistiefel und Gartenschere vorstellen der die Reben erntet und anschließend auf den Trauben herumstampft?

Ja, ja, so ungefähr. Wir haben zwar nur eine kleine Parzelle, aber ich bin da richtig mit dabei. Ich weiß genau, wie schnell man sich beim Reben ernten in die Finger schneiden kann. Da muss man wirklich aufpassen. Ich war beim ganzen Herstellungsprozess bis zum Einfüllen in die Barrique-Fässer dabei. Natürlich auch bei unserer ersten Weinprobe vor ein paar Wochen. Da waren wir angenehm überrascht. Da steckte jede Menge Qualität drin.

 

Oh, dann dürfen wir bald etwas über Frankreichs neuen Export-Schlager lesen, den Spitzenwein "Le Micoud Rouge"!

Nein, der Wein wird "Chateau La Connivence" heißen. Das ist eine Wortschöpfung, die ausdrücken soll, dass an diesem Wein vier Freunde mitgewirkt haben, die sich auch privat sehr gut verstehen, die füreinander da sind. Das Wort soll aussagen, dass alle vier Freunde auf der gleichen Stufe stehen, das steckt ja in diesem Wort drin. Die Bezeichnung des Weines hat viel mit ernst gemeinter Freundschaft zu tun.

 

Hat denn einer von Deinen Freunden Ahnung vom Weinbau oder sind es alles leidenschaftliche Hobby-Winzer wie Du? Muss man sich Sorgen um die Verbraucher machen?

(lacht) Keine Angst, das hat alles Hand und Fuß. Einer von uns ist mit Weinbau groß geworden. Er stammt aus einer Familie, die auf eine Jahrhunderte alte Weinbau-Tradition zurückblicken kann. Von ihm können wir alle sehr viel lernen.

 

Wohnst du direkt am Weinberg, in so einem romantisch alten Steinhaus, wie in den Kinofilmen, die man sofort vor Augen hat.

Nein, die Parzelle ist sicher kleiner als Du es Dir vorstellst, da gibt es kein Haus. Alles ist noch am Anfang. Wir wollen es langsam weiterentwickeln. Aber es ist auch nicht so leicht. Das Weinbaugebiet Pomerol ist eigentlich fertig erschlossen, da gibt es keine neuen Flächen, die man einfach mal bebauen kann. Alles wird vererbt. Als es jetzt zu einer Situation kam, in der wir durch einen Todesfall eine Parzelle bekommen konnten, haben wir sofort zugegriffen. Das ganze liegt so 50 Kilometer von Bordeaux entfernt. Die Stadt Libourne liegt in der Nähe. Saint-Émilion ist auch in der Gegend. Werders Physiotherapeut Holger Berger müsste bestens Bescheid wissen, soweit ich mich erinnern kann, kennt er jedes Rotwein-Anbaugebiet weltweit.

 

War der Prozess vom Fußball-Profi zum Familienvater, Touristen und Winzer schwierig, oder kam plötzlich der Tag an dem Du aufgewacht bist und wusstest, ich höre auf?

Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, für die man sich Zeit lassen muss. Du musst Dir zentrale Fragen stellen: Wie geht es weiter? Bin ich noch in der Situation, diese ganzen Anstrengungen unternehmen zu können? Kann ich mich weiter für den Fußball aufopfern? So ging es auch mir. Man fragt sich irgendwann: Wie lange mache ich noch weiter? Möchte ich überhaupt weitermachen?

 

Und wie fielen die Antworten darauf aus?

Für mich war nach meinem Wechsel von Werder nach Bordeaux klar, dass ich dort spielen will und mich danach in dieser Region mit meiner Familie niederlassen werde. Und so ist es gekommen. Es war in meinem Fall auch so, dass der Verein nicht unbedingt gewillt war, mit mir zu verlängern. Aber ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich nicht von mir aus aufgehört hätte, wenn ich ein Angebot bekommen hätte. Der Zeitpunkt hat einfach gepasst. Ich habe gemerkt, dass ich diese ganze Aufopferung, diese ganze Anstrengung nicht mehr stemmen konnte. Wenn man selber merkt, dass man nicht mehr diese Leistungsfähigkeit hat wie vorher, dann geht auch der Spaß an der Sache verloren. Und dann muss man einfach einen Schlussstrich ziehen.

 

Dein ehemaliger Teamkollege, Werders Mannschaftskapitän Frank Baumann überlegt auch, ob er aufhören soll. Kannst Du ihm zur Fußballer-Rente raten? Ist bei Dir ein Job auf dem Weinberg frei. Er ist ja in den fränkischen Weinbaugebieten groß geworden.

Raten kann man nichts. Das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Frank ist wahrscheinlich in der Situation, die ich beschrieben habe. Er muss für sich beantworten, ob er weiter tagtäglich dabei sein möchte. Wenn er diese Frage bejaht, dann bin ich überzeugt, dass Werder mit ihm weiter macht, weil Werder immer noch von ihm profitieren kann. Er kann dem Verein noch einiges mit auf den Weg geben. Mit seiner Spielintelligenz kann er vor allem den jungen Spielern noch einiges beibringen. Aber wenn er seine Karriere beenden sollte und noch keine weitergehenden Pläne hat, dann kann er gern im September kommen und die Weinlese vornehmen. Wir können noch Praktikanten gebrauchen. (lacht).

 

Die Stelle könntest Du auch Valerien Ismael anbieten, er musste ja leider verletzungsbedingt aufhören. Hast Du noch Kontakt zu ihm?

Ich hatte zuletzt leider seine Nummer nicht, aber ich werde sie mir hier in Bremen wieder besorgen. Dann muss ich ihn unbedingt mal wieder sprechen. Von seiner Verletzung habe ich gehört. Er studiert jetzt etwas Wirtschaftliches,oder?

 

Vale wird sich voraussichtlich in Deutschland niederlassen. Das wäre doch für Dich mit Deinen französischen Genen und deinem Lebensgefühl undenkbar, oder? Immerhin hast du sogar in deinen Bremer Zeiten deine Espresso-Maschine mit ins Trainingslager in die Türkei genommen.

(lacht) Ach ja, diese Geschichte! Es war ja nicht nur die Espresso-Maschine, wir hatten dort auch den Parmesan-Käse und Oliven-Öl und auch sonst alles, was man unbedingt brauchte, dabei. Aber zur Frage: Bei Vale ist es sicher etwas anderes, weil seine Frau aus Deutschland stammt. Und wie es oft so ist, hat da bestimmt die Frau entschieden und der Mann ist gefolgt. Im Ernst: Die Beziehung zu einer deutschen Frau hilft ihm natürlich dabei, sich hier niederzulassen. Deutschland wäre für mich kein Thema, weil ich die ganze Familie in Südfrankreich habe. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich immer wieder gerne herkomme.

 

Ist diese Phase ohne Fußball jetzt für Dich nur eine Auszeit oder ein kompletter Schlussstrich? Kehrst du wieder zurück als Funktionär, Trainer oder vielleicht Schiedsrichter?

Es war eine Pause, ich brauchte diese fünf, sechs Monate einfach nur Abschalten, etwas völlig anderes machen. Das hat mir richtig gut getan. Jetzt bin ich aber wieder munter dabei, schaue mir wieder Spiele an. Ich verfolge Girondins Bordeaux ganz intensiv, sehe auch ein paar andere Spiele. Es macht mir wieder Spaß, mich damit zu beschäftigen. Die Perspektive, die ich für mich sehe, ist es, als Spielervermittler tätig zu werden. Ich weiß, dass es eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, bis man da Fuß gefasst hat, aber ich habe einfach Lust mein Fußballwissen an junge Spieler weiterzugeben. Ich möchte Hilfestellung leisten bei dem einen oder anderen Transfer und das alles auf der Basis einer seriösen Gesellschaft, die ich aufbauen werde.

 

Das Interview führte Michael Rudolph

 

Teil 2 des großen Micoud-Interviews wird am Freitag veröffentlicht

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