Der Keeper selbst, der allein in den letzten 25 Minuten vier Bälle aus kürzester Distanz entschärfte, blieb dagegen bescheiden: "Ich gebe immer nur mein Bestes und möchte der Mannschaft weiterhelfen", so der 25-Jährige, der an diesem Abend auch den einen oder anderen kritischen Ton fand, "ich bin auf niemanden sauer, aber so dürfen wir uns in der Schlussphase nicht abschlachten lassen. Was da passiert, darf nicht sein. Zum Glück haben wir nur 1:3 verloren." Obwohl er genau in dieser Schlussphase zum Held des Abends avancierte, konnte Wiese keine Triumpfgefühle feststellen: "Ich empfinde keine richtige Freude, weil wir viel besser auftreten müssen. Um zu verarbeiten, was da heute passiert ist, muss ich erstmal eine Nacht drüber schlafen."
Zumindest wurde der Keeper mit dem Einzug in die nächste Runde für seine außergewöhnliche Leistung belohnt. Noch vor einem Jahr im Spiel gegen Juventus Turin war das anders. Damals zeigte er unglaubliche Paraden, ließ aber kurz vor Schluss den Ball vor die Beine des Gegner fallen. Ein Fehler, den die Italiener eiskalt ausnutzten, Werder schied aus. Gedanken an diese Partie kamen ihm aber diesmal nicht: "Das ist doch lange her. Das spielt in meinem Kopf keine Rolle mehr." Von einer Wiedergutmachung für den Fehler vor einem Jahr wollte auch Geschäftsführer Klaus Allofs nichts wissen: "Das ist doch Quatsch. Tim musste überhaupt nichts wieder gut machen. Er war es doch damals auch, der uns in diesem Spiel erst in die Lage versetzt hatte, bis zum Schluss an einen Erfolg gegen Juventus zu glauben."
Der größte Wunsch am Donnerstagabend in der Amsterdam Arena sollte nach Möglichkeit schon am Sonntag in Erfüllung gehen. Wiese sehnt nach einem richtig guten Spiel: "Es muss mal wieder eine Partie kommen, in der wir aggressiv sind, beißen und mit Herz zur Sache gehen. Ein Spiel, in dem der Knoten wieder platzt und jeder sieht, dass wir eine Klasse-Mannschaft sind." Am liebsten würde er das alles schon am Sonntag im Bundesliga-Spiel bei Borussia Mönchengladbach mit seinen Teamkollegen umsetzen.
von Michael Rudolph und Enrico Bach