Denn nun wurden die Räume noch enger für die Bremer, die sich schon von allein eher schwer taten. "Wir arbeiten momentan mehr Fußball", empfand Klaus Allofs, "wir sind nicht in einer Phase, in der wir durch einen genialen Pass oder eine geniale Ballannahme zum Erfolg kommen. Wir müssen hart daran arbeiten, diese Leichtigkeit zurück zu gewinnen." Ohne Leichtigkeit, mit schweren Beinen kam Werder auch im zweiten Durchgang viel zu wenig zum Zug. "Wir hatten den Ball, aber wir waren nicht zwingend", brachte es Torsten Frings auf den Punkt. Thomas Schaaf fehlten "klare Pässe und der Abschluss, ein klarer Kritikpunkt bei den Qualitäten, die wir im Team haben."
Ohne Pässe kein Abschluss, ohne Abschluss keine Chancen, ohne Chancen keine Tore. Und ohne eigene Tore können gegnerische Konter bittere Folgen haben – der HSV nutzte einen letzten zum entscheidenden Treffer wenige Minuten vor Schluss. Werder hatte umgestellt, Peter Niemeyer gab sein Debüt und brachte die Order mit, dass Naldo die vorderste Reihe unterstützen und auch Torsten Frings offensiver agieren sollte. "Das war keine eingespielte Formation mehr, aber wir mussten etwas probieren", verzieh Klaus Allofs die dennoch nicht steigende Effektivität.
Ein abgefangener grün-weißer Angriff brachte dann Peter Niemeyer in ein Duell mit van der Vaart, dass "er besser lösen muss", wie Allofs klar stellte. Niemeyer selbst erlebte den "ärgerlichen" Ballverlust gegen den Holländer, der das 2:0 nach sich zog, so: "Er steht hinter mir, ich will den Ball weg köpfen, er stößt mich weg, ein klares Foul für mich." Unglücklich sei das gewesen, sagte Niemeyer, der trotz des empfundenen Unrechts einräumte, sich da verbessern zu müssen. Klaus Allofs tröstete den unglücklichen Neuzugang: "Wir und er wissen, dass es ein Fehler war, dass er ein bisschen naiv agiert hat, aber deswegen ist er in unserer Wertschätzung nicht tiefer gerutscht." Im Gegenteil: "Er ist ein talentierter Spieler und ein schlauer Junge und zeigt im Training, wozu er in der Lage ist. Er wird sich an die raue Luft der Bundesliga gewöhnen und seinen Weg gehen."
Dass in der Bundesliga nicht nur raue Luft, sondern bisweilen auch rauer Boden herrscht, wollte Miroslav Klose aber nicht als Ausrede gelten lassen. Klare Ansage: "Kein Platz, keine Verletzten, kein Schiedsrichter – heute waren alleine wir verantwortlich." Die guten Bedingungen waren passé, die Chance, wieder Druck nach oben zu erzeugen und nebenbei die klare norddeutsche Tabellensituation durch einen Sieg im direkten Duell zu untermauern, vertan. "Man muss auch mal so ein Ergebnis im Nordderby hinnehmen, letztes Jahr haben wir in einem ungleich wichtigeren Spiel beim HSV gewonnen", erinnerte Klaus Allofs. Es war der Sieg am letzten Spieltag, der die Vizemeisterschaft und die direkte Qualifikation zur Champions League brachte. Heute trennen den HSV und Werder trotz des 0:2 noch immer 21 Punkte. Und laut Gerüchten fallen die wirklich wichtigen Entscheidungen auch in dieser Saison wieder erst am Ende.
von Enrico Bach und Michael Rudolph