„Ich war lieber in der Underdog-Rolle“

Nils Petersen im Interview zum Pokalspiel bei Energie Cottbus

Nils Petersen bejubelt einen Treffer für Energie Cottbus gegen 1860 München.
Nils Petersen wurde bei Energie Cottbus Zweitliga-Torschützenkönig (Foto: nordphoto).
Profis
Donnerstag, 15.08.2024 / 16:45 Uhr

Das Interview führte Moritz Studer

Vor etwas mehr als einem Jahr hat Nils Petersen seine Fußballschuhe an den Nagel gehangen. Als Losfee war der 295-fache Bundesliga-Spieler für die diesjährigen Erstrunden-Begegnungen im DFB-Pokal verantwortlich. Bei Energie Cottbus schaffte der 34-Jährige einst den Durchbruch in den Profifußball, an der Weser sammelte er später seine erste Erfahrung als Bundesliga-Stammspieler. Im WERDER.DE-Interview blickt der erfolgreichste Joker der Bundesliga-Geschichte auf das Pokal-Duell seiner beiden Ex-Vereine.

WERDER.DE: Moin Nils, am Wochenende wird quasi deine DFB-Pokal-Runde ausgetragen. Wie zufrieden bist du mit dem, was du vor zwei Monaten ausgelost hast?

Nils Petersen: Schon sehr zufrieden. Natürlich wünschst du immer jedem kleinen Verein eins der großen Lose, die natürlich aber begrenzt sind. Trotzdem sind spannende Duelle dabei. In den letzten Jahren fand ich, dass es in der 1. Runde nicht mehr so viele Überraschungen gab und ich bin gespannt, ob sich das in diesem Jahr ändert. Denn wir wissen alle, wie schwer es wird, wenn der Gegner schon zwei Spieltage bestritten und Rhythmus und Wettkampfhärte hat.

WERDER.DE: Mit dem Duell zwischen Energie Cottbus und Werder Bremen hast du zwei deiner Ex-Klubs gegeneinander gelost. Was war dein erster Gedanke zu dieser Paarung?

Nils Petersen: Erstmal war das sehr witzig, weil das Thema der Sendung Ex-Vereine waren (schmunzelt). Ich habe in dem Moment aber gar nicht auf dem Schirm gehabt, dass Werder vor zwei Jahren schon mal dort zu Gast war. Leo (Anm. d. Red.: Leonardo Bittencourt) freut sich bestimmt auch auf die zweite Rückkehr in seine alte Heimat. Werder Bremen ist immer noch ein großer Name, auch wenn die letzten Jahre nicht international geprägt waren, und darauf freut sich wiederum Cottbus sicherlich. Für den SVW wird es ein richtiger Gratmesser.

WERDER.DE: Du bist in der Frühphase deiner Karriere mit Energie Cottbus und Carl Zeiss Jena jeweils überraschend bis in Halbfinale vorgestoßen. Warum gelingt es Underdogs in diesem Wettbewerb immer wieder, die sportlichen Gesetze auszuhebeln?

Nils Petersen: Die Unterschiede sind eben nicht riesig. Auf eine Saison betrachtet sind sie sicherlich vorhanden, aber in einem Spiel holt das klassentiefere Team alles aus sich heraus. Die vermeintlichen Amateure gibt es so gesehen nicht, denn sie trainieren genauso oft wie die Bundesligisten. Dazu kommen der Heimvorteil und die Erwartung an den Favoriten, gewinnen zu müssen. Deswegen war ich lieber in der Underdog-Rolle – mit Jena sind wir aus der 2. Liga abgestiegen und standen im Pokal-Halbfinale. Den Satz „der Pokal hat seine eigenen Gesetze“ gibt es nicht ohne Grund.

WERDER.DE: Tatsächlich hast du die Fallhöhe des DFB-Pokals erst bei Werder Bremen kennengelernt, als ihr in der 1. Runde in Münster ausgeschieden seid. Wie gefährlich wird es für Werder am Montagabend?

Nils Petersen: In Bremen musst du niemanden im Fanblock oder der Kabine erzählen, dass Cottbus ein Brett wird. Ihre beiden bitteren Niederlagen nach Führung zum Start in die 3. Liga sind gut für Werder, weil dort keine Hauruckstimmung mit sechs Punkten im Rücken entstehen wird. Um die Schwierigkeit des Spiels weiß trotzdem jeder, weil du den Erfolg in der 1. Runde brauchst und sonst drei Wochen miese Stimmung hast. Am Ende geht’s nur darum, weiterzukommen – das sind wir mit Freiburg in Cottbus auch mal erst im Elfmeterschießen und später hat niemand mehr danach gefragt.

Ihm gelingt es mit seiner Aura viel zu bewegen und die Zuschauer zu emotionalisieren.
Nils Petersen

WERDER.DE: Als du für Energie gespielt hast, war ihr aktueller Trainer Pele Wollitz auch schon da. Mittlerweile ist er in seiner dritten Amtszeit und für seine Emotionalität bekannt. Wie ist er dir in Erinnerung geblieben?

Nils Petersen: Als cooler Typ, der positiv verrückt ist. Er ist der Star der Mannschaft und der Stadt, in der er sehr beliebt ist. Ihm gelingt es mit seiner Aura viel zu bewegen und die Zuschauer zu emotionalisieren. Als Offensivspieler mochte ich sein Training immer, weil er selber Zehner war und viele nach vorne gerichtete Elemente in sein Training eingebaut hat. Obwohl er schon zwei Mal dort war, wurde er in Cottbus wieder willkommen geheißen – das geht nur, wenn du was Positives hinterlassen hast.

WERDER.DE: Während deiner Karriere hast du viele besondere Persönlichkeiten bei verschiedenen Vereinen kennengelernt. Ein Ort, der der Öffentlichkeit verschlossen bleibt, ist die Kabine. Inwiefern unterscheidet sich das Mannschafsleben zwischen den Standorten?

Nils Petersen: Das liegt immer am ehesten an dir selbst. Mit 20 bin ich mit einem anderen Selbstbewusstsein in die Bayern-Kabine gegangen als zehn Jahre später in die Freiburg-Kabine. Natürlich brauchst du immer ein funktionierendes Gefüge, durch das die neuen Spieler integriert werden. Ansonsten musst du einfach aus dir selbst rauskommen und da war ich in meiner Anfangszeit noch zu verkrampft und habe zu sportlich gedacht. Du musst für dich kapieren, dass das deine Kollegen und nicht deine Kontrahenten sind.

WERDER.DE: In deinem Buch Bank-Geheimnis hast du eine 18-monatige Therapie aufgrund von existenziellen Ängsten öffentlich gemacht, kürzlich hast du verraten, dass du während deiner aktiven Zeit teils heimlich geraucht hast. Stört es dich, dass der Blick hinter die Fassade eines Profifußballers sehr tabubehaftet ist?

Nils Petersen: Es ist immer schwierig, dass während deiner Karriere nach außen dringen zu lassen. Denn im Haifischbecken Bundesliga bist du schnell austauschbar. Bei uns Fußballern kommt immer das Totschlagargument, dass wir wahnsinnig viel Geld verdienen – und der Meinung bin ich auch – trotzdem gibt es Dinge, die der eine oder andere nicht schafft auszuhalten. Meine Schlafstörungen in Bremen, weil Kevin de Bruyne bis nachts um 2 Uhr Playstation gespielt hat, waren andere, als die ich dann in Freiburg hatte (schmunzelt). Und für den Fall haben wir das Privileg, schnell den Zugang zu professionellen Ärzten zu bekommen.

WERDER.DE: Kommen wir zurück zum Sportlichen: Denn abschließend können wir dich natürlich nicht ohne deine Einschätzung entlassen. Du wirst am Montag im Stadion sein. Was für ein Pokalspiel erwartest du?

Nils Petersen: Cottbus wird den Weg nach vorne suchen, viel Druck ausüben und den Spielrhythmus nutzen wollen, den sie schon haben. Werder wird gerade die Anfangsphase überstehen müssen. Es wird eines der engeren Spiele der 1. Runde, in dem der Vorteil durch den Rahmen bei 60:40 liegt. Es würde mich daher nicht unfassbar überraschen, wenn es länger geht als 90 Minuten.

 

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