„Ich bin stolz, mit diesem Rekord verbunden zu werden“

Nils Petersen im Interview zu seinem Buch „Bank-Geheimnis“

Nils Petersen umarmt Kevin de Bruyne.
Nils Petersen lief zweieinhalb Jahre für den SV Werder auf (Foto: nordphoto).
Profis
Dienstag, 07.11.2023 / 10:00 Uhr

Das Interview führte Moritz Studer

Als Nils Petersen an seinem Buch „Bank-Geheimnis – Selbstgespräche eines Fußballprofis“ schreibt, schnürt er seine Fußballschuhe noch für den SC Freiburg. Mal nahm sich der 34-Jährige die Zeit auf dem Hotelzimmer, mal auch im Mannschaftsbus. Seine Karriere führte den gebürtigen Wenigeroder für zweieinhalb Jahre auch zum SV Werder Bremen, eine Bundesliga-Ikone wurde er später beim SC Freiburg. Bevor Petersen am Montagnachmittag in der Thalia Bremen-Hansehof sein Buch vorstellte, hat WERDER.DE mit dem SCF-Rekordtorjäger über eine Karriere gesprochen, die viele verschiedene Geschichten erzählt.

WERDER.DE: Moin Nils, der Schritt vom Profisportler in die Karriere nach der aktiven Laufbahn gilt als Herausforderung. Wie glücklich bist du in deinem neuen Lebensabschnitt?

Nils Petersen: Ich genieße im Moment das selbstständige Dasein. Ich kann meinen Kalender selbst führen und kann entscheiden, wann ich in den Urlaub fahre. Auf der anderen Seite musst du dich daran gewöhnen, dass der Applaus, der Status und die Erfolgserlebnisse am Wochenende durch die Droge Fußball weg sind. Mir gefällt aber dieser neue Alltag und dass ich nun auch als Fan ins Stadion gehen kann.

WERDER.DE: Als Buch-Autor, TV-Experte und Restaurantmitbesitzer führst du keinesfalls das Leben eines Fußball-Rentners. Wann ist der Gedanke in dir gereift, was du nach deiner Zeit auf dem Platz machen möchtest?

Nils Petersen: Du bist als Fußballer auch deswegen sehr privilegiert, weil du am Tisch meistens der gefragteste Gesprächspartner bist, weil bei diesem Sport alle mitreden können. Daher möchtest du auch nach deiner Karriere noch etwas zu erzählen haben. Mir war es sehr wichtig, dass ich frühzeitig eine Herausforderung finde, bei der es nicht um Fußball geht. Wir verdienen während unserer aktiven Zeit zwar viel Geld, haben aber auch danach hoffentlich noch eine lange Zeit unseres Lebens vor uns. Ich freue mich jetzt, dass ich mich - auch mit dem Buch - ausprobieren kann.

WERDER.DE: Du hast eine Olympia-Silber-Medaille gewonnen, das Tor des Jahres 2018 erzielt, bist der erfolgreichste Joker der Bundesliga-Geschichte und der Rekordtorjäger des SC Freiburg. Was erfüllt dich am meisten mit Stolz?

Nils Petersen: Am ehesten die Summe der Jahre, die ich in der Bundesliga verbringen durfte. Ich bin Profi geworden und habe mich 16 Jahre lang auf höchstem Niveau mit den Besten gemessen. Dass ich dorthin gekommen bin, wovon die meisten träumen und ihre Jugend für aufgeben, erfüllt mich mit Stolz.

WERDER.DE: Zweieinhalb Jahre hast du auch für Werder die Fußballschuhe geschnürt. Wie kommt Werder in „Bank-Geheimnis – Selbstgespräche eines Fußballprofis“ davon?

Nils Petersen: Richtig gut. Das Kapitel heißt „Kein Leben lang Grün-Weiß“, weil es ein Leben lang hätte sein können. Ich habe mich sehr mit der Stadt und dem Verein identifiziert und mich hier sehr wohlgefühlt. Ich musste aber auch lernen, wie schnelllebig der Fußball ist. Der Trainer hat nicht mehr auf mich gesetzt. Das tat damals sehr weh, ist im Nachhinein aber die ehrliche Meinung von ihm gewesen. Franco Di Santo und Davie Selke hatten eine brutale Form und für mich war es schwer, an ihnen vorbeizukommen.

WERDER.DE: In deiner ersten Saison lief es aber noch richtig gut. Du hast sogar mit einem Doppelpack das Nordderby gegen den HSV entschieden.

Nils Petersen: Ja, das war eine tolle Zeit. Ich kam als Ersatzspieler vom FC Bayern und musste mich erstmal beweisen. Deswegen habe ich mich gefreut, dass ich einen guten Start hatte. Das Mittelfeld mit de Bruyne, Arnautovic, Hunt und Elia war damals brutal stark und hat uns gefüttert. Als sie dann weg waren, wurde es schwieriger Tore zu erzielen. Und dann war die Zeit nach zweieinhalb Jahren leider zu Ende.

WERDER.DE: Beim SC Freiburg hast du dann eine sehr erfolgreiche Zeit erlebt, um den Rekord als Einwechselspieler aufzustellen, oft aber auch auf der Bank gesessen. Inwiefern war dein Charakter, dich mit dieser Rolle zu arrangieren, für die Marke von 34-Jokertoren entscheidend?

Nils Petersen: Die Einstellung spielt immer eine enorm große Rolle. Ich habe mich darauf eingelassen, dass ich einen Chef habe, der mir sagt, wo und wann ich eingesetzt werde. Es war nicht so, dass ich mich gefreut habe, nicht zu spielen – das tat auch weh. Ich bin aber sehr stolz, dass ich mit diesen Joker-Toren einen Rekord aufgestellt habe, mit dem ich verbunden werde.

WERDER.DE: Im „Bank-Geheimnis“ schreibst du, dass du unter existenziellen Ängsten und Schlafstörungen gelitten hast und dich während deiner Karriere in eine 18-monatige Therapie begeben hast. Warum war es dir wichtig, dieses sensible Thema öffentlich zu machen?

Nils Petersen: Mittlerweile geht’s mir so gut, dass es mir nicht schwergefallen ist, darüber zu schreiben. Diese Zeit ist ein Teil meines Lebens, den ich in diesem Buch nicht verschweigen wollte. Dafür habe ich auch viel Feedback bekommen. Ich habe erst später erkannt, dass es eine Stärke ist, Schwächen zuzugeben. Es tat im Nachhinein gut, diese Phase zu erleben, weil es mir heute besser geht denn je.

Ich habe erst später erkannt, dass es eine Stärke ist, Schwächen zuzugeben.
Nils Petersen

WERDER.DE: Du hast an in zahlreichen Interviews betont, dass du nie damit gerechnet hast, Profi zu werden. Was rätst du Nachwuchssportlern, die diesen Traum verfolgen?

Nils Petersen: Geduld mitzubringen. Wer hartnäckig an sich arbeitet, wird oft belohnt. Ich habe nie damit gerechnet, fast 300 Bundesliga-Spiele zu bestreiten. Darüber hinaus darfst du den Spaß nicht verlieren, sondern solltest immer mit Freude auf den Platz gehen und an deinen Schwächen arbeiten. Ich habe meinen linken Fuß so oft trainiert, obwohl mir das schwergefallen ist, bis er besser geworden ist. Ansonsten ist es wichtig bei allen Entscheidungen, auch auf sich selbst und den eigenen Bauch zu hören.  Nicht nur auf den Kopf. Ein gutes Gefühl, Wohlfühlen sind das Fundament für alle erfolgreichen Aktivitäten.

 

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