In Teil zwei des Interviews spricht Cheftrainer Ole Werner mit WERDER.DE (jetzt den ersten Teil lesen) darüber, wie er seinen Fokus findet, bei welchem Politiker er gerne Mäuschen spielen würde und wofür er zu viel Geld ausgibt.
In Teil zwei des Interviews spricht Cheftrainer Ole Werner mit WERDER.DE (jetzt den ersten Teil lesen) darüber, wie er seinen Fokus findet, bei welchem Politiker er gerne Mäuschen spielen würde und wofür er zu viel Geld ausgibt.
WERDER.DE: Beobachtet man dich bei deiner täglichen Arbeit, fällt auf, dass du unglaublich fokussiert bist und dich von nichts ablenken lässt. Musst du dir das hart erarbeiten oder ist das etwas, was du einfach kannst?
Ole Werner: „Das fällt mir heute leichter als noch vor zwei Jahren, das lernt man mit der Zeit. Ich denke aber nicht morgens bewusst darüber nach, worauf ich mich heute konzentrieren muss. In turbulenten Phasen wird das schwieriger, weil dann noch mehr drumherum passiert. Dann sind ein paar Mechanismen wichtig, die dabei helfen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. In meiner Arbeit ist es für mich wichtig, mich an die Leute zu halten, die die Dinge auch beurteilen können. Das ist ein viel kleinerer Kreis, als das im ersten Moment erscheint. Das ist die Mannschaft, das Trainerteam und das Funktionsteam. Das sind gemeinsam mit Frank (Baumann, Anm. d. Red) und Clemens (Fritz, Anm. d. Red) die Menschen, die für mich entscheidend sind. Was irgendwo geschrieben oder berichtet wird, ist für mich nicht relevant. Das gehört dazu und das macht mir auch Spaß, aber der Kreis, der beeinflusst, ob wir Spiele gewinnen, der ist ausschließlich hier drin. Und deshalb fällt es mir auch nicht schwer, mich auf diesen Kreis zu fokussieren.“
WERDER.DE: Gibt es konkrete Strategien, die du nutzt, um dich zu fokussieren und bei dir zu bleiben?
Ole Werner: „Ich achte auf mentale Gesundheit und Fitness, darauf, mir auch am Tag immer mal wieder Freiräume zu geben. Abends nicht noch mal den Laptop aufklappen oder wenn ich zu Hause bin auch mal wirklich einen Tag frei zu machen und gar nicht zu arbeiten, sondern zum Beispiel Sport zu machen. Aber das ist in den Alltag eingebaut. Auch das habe ich gelernt und für mich meine Alltagsstrukturen entwickelt.“
WERDER.DE: Wie sieht dann so ein freier Tag bei dir aus?
Ole Werner: „Das eine Hobby, bei dem ich sofort entspanne und abschalte, habe ich nicht. Wahrscheinlich schlafe ich eine halbe Stunde länger und gehe dann irgendwo schön Frühstücken und lese mal ein bisschen ausführlicher die Zeitung. Oder ich fahre irgendwo hin und lese dort in der Sonne die Zeitung.“
WERDER.DE: Die Zeitung und russische Literatur, haben wir gehört. Stimmt das?
Ole Werner: „Ich lese schon auch ab und zu mal ein Buch. Ich komme jetzt aber nicht dazu, ein Buch im Monat zu lesen und lese in der Regel auch nur, wenn ich Zeit habe, weil das ja Konzentration erfordert. Wenn ich weniger Zeit habe, schaue ich vielleicht eher einen Film oder eine Serie. Ich lese jetzt nicht ausschließlich russische Literatur, habe aber unter anderem Tolstoi und Dostojewski gelesen. Ich habe ja mal Deutsch studiert und einfach einen Zugang zur Literatur. Mich interessiert Literatur des 19. und 20. Jahrhundert eher als aktuelle, popkulturelle Dinge. Aber mich jetzt zum Literaturexperten im Lesesessel zu stilisieren, das wäre weit gefehlt.“
WERDER.DE: Wir haben neulich gelesen 'Wenn man ‚unprätentiös‘ im Wörterbuch nachschlägt, findet man ein Bild von Ole Werner‘. Gibt es auch Lebensbereiche, in denen du dir richtig was gönnst, zum Beispiel ‘unvernünftig‘ viel Geld ausgibst?
Ole Werner: „Nee. Ehrlicherweise nicht.“ (Überlegt lange) Ich habe keine Luxusgüter, aktuell nicht mal ein eigenes Auto, sondern nur einen Dienstwagen. Das Einzige, was man vielleicht sagen könnte und das ist ein Kritikpunkt, den ich mir von verschiedenen Stellen ankreiden lassen muss: Ich vergesse ab und zu mal, eine Rechnung zu bezahlen, dann kommt 'ne Mahnung und dann muss ich mehr bezahlen. So strukturiert ich im Job bin, bin ich das im Privatleben manchmal gar nicht. Das mag man dann als verschwenderische, unnötige Ausgabe verbuchen. Hält sich aber in einem finanziell überschaubaren Rahmen. Ich habe sonst nichts, was ich sammle, was mir materiell wichtig wäre oder wofür ich wahnsinnig viel Geld ausgebe.“
WERDER.DE: Was ist mit Urlaub oder Essen?
Ole Werner: „Ach so ja, ich gehe oft essen, weil ich schlecht koche. Hier bei Werder haben wir ja sogar einen Koch, das ist ein großer Vorteil. Ich fahre auch gerne in den Urlaub, aber ich fliege jetzt nicht unbedingt erster Klasse oder muss unbedingt im besten Hotel der Stadt wohnen. Ich verreise gerne und gebe dafür auch Geld aus, habe aber bisher noch keine großen Luxusreisen unternommen."
Beim Sport passiert es mir nicht, dass ich nervös bin oder den Kopf verliere.Ole Werner
WERDER.DE: Gibt es irgendetwas, was dich einschüchtert oder aus dem Takt bringt?
Ole Werner: „Nichts, was mich wirklich einschüchtert. Es gibt natürlich Dinge, die mir Sorgen bereiten oder mich besorgen, familiäre Dinge oder wenn es jemandem, der mir nahesteht, gesundheitlich nicht gut geht. Auch wenn man sich anschaut, was um uns herum los ist, wie sich Dinge politisch entwickeln, macht man sich darüber Sorgen. Aber ich verfalle da jetzt nicht in Panik oder werde hektisch – in diesen Fällen sowieso nicht, weil ich das in der Regel ja nicht beeinflussen kann. Generell bin ich nicht der geduldigste Mensch, da gerate ich manchmal aus der Fassung. Aber ansonsten gibt es für mich wenig, wofür es sich lohnt, hektisch zu werden oder den Kopf zu verlieren. Meistens kann man einfach überlegen, was da jetzt los ist und dann versuchen, die richtige Lösung zu finden mit Leuten, die einem helfen können.“
WERDER.DE: Gibt es einen Menschen, der dich nervös machen würde, wenn du ihm vorgestellt werden würdest?
Ole Werner: „Natürlich gibt es Persönlichkeiten, vor denen ich einfach sehr viel Respekt habe. Da würden mir jetzt wahrscheinlich Hunderte einfallen, große Leute aus Politik und Showgeschäft. Oder auch aus dem Sport, Franz Beckenbauer oder Pelé zum Beispiel, das sind Leute, vor denen ich wahnsinnig viel Respekt habe. Aber auch da würde ich mich, glaube ich, in erster Linie freuen und wäre gespannt darauf, wie die wohl so sind.“
WERDER.DE: Also warst du auch vor dem Kieler Spiel gegen die Bayern nicht nervös, sondern hast dich gefreut?
Ole Werner: „Man hat vor jedem Spiel so eine gewisse Grundanspannung. Vielleicht kann man diese Anspannung auch als Nervosität betiteln, wobei Nervosität für mich als Begriff immer auch mit Kontrollverlust einhergeht, damit, dass man sich nicht mehr aufs Wesentliche konzentriert. Das hat damit eigentlich nicht viel zu tun, eher im Gegenteil: Man ist sehr kontrolliert, sehr konzentriert auf das, was man direkt beeinflussen kann. Beim Sport passiert es mir nicht, dass ich nervös bin oder den Kopf verliere. Man versucht auch manchmal, Dinge mit Nervosität zu erklären, die eigentlich wegen etwas ganz anderem schiefgegangen sind, wenn man genau hinsieht. Zum Beispiel wegen Fehlern in der Struktur, der körperlichen Verfassung oder im Miteinander. Es wirkt vielleicht so, als wären alle fahrig und kopflos herumgelaufen, aber Nervosität ist meinem Gefühl nach selten der eigentliche Punkt. Das Gefühl von Nervosität und Kontrollverlust kommt nur dann, wenn man merkt, das, was wir hier machen, funktioniert nicht. Es ist meiner Meinung nach oft die Folge, selten die Ursache.“
WERDER.DE: Mit welcher Person, lebendig oder tot, würdest du gerne mal zusammenarbeiten?
Ole Werner: „Ich habe neulich mal eine Doku über Kevin Kühnert von der SPD gesehen. Wie der sich da so durchgefuchst und die Strippen gezogen hat, fand ich faszinierend. Ich würde sehr ungern in diesem Bereich arbeiten, aber ich wäre gerne mal mit dabei, bei politischen Prozessen und dabei, was da so hinter verschlossenen Türen passiert.“
WERDER.DE: In der Presse liest man über dich, du seist stoisch, bodenständig, unaufgeregt, still, ausgeglichen. Du selbst hast dich schon als 'risikoaffin, neugierig und jemand, dem langweilig wird, wenn ihm die Dinge zu einfach werden' beschrieben. Wie passt das zusammen?
Ole Werner: „Also still passt sicherlich nicht, niemand der mich näher kennt oder mit mir zusammenarbeitet, würde sagen, dass ich ein stiller Typ bin. Man kann aber Herausforderungen suchen, gerne persönliche Grenzen verschieben und trotzdem bodenständig, ruhig und kontrolliert sein. Das widerspricht sich, finde ich, gar nicht. Aber still trifft es definitiv nicht.“
WERDER.DE: Bist du dann auch im Privaten risikofreudig? Bist du Extremsportler, gehst Fallschirmspringen oder Bungeejumpen?
Ole Werner: „Nein das nicht. Ich bin aber auch privat neugierig, fahre nicht jedes Jahr an den gleichen Ort in den Urlaub, habe vielleicht auch vor, in meinem Leben noch mal etwas anderes zu machen, als Fußballtrainer zu sein. Ich möchte vielleicht noch mal in einem ganz anderen Bereich arbeiten, neue Dinge ausprobieren, mir, wenn ich mal Zeit habe, etwas Neues beibringen. Ich muss nicht jedes Wochenende mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen, um risikoaffin zu sein. Ich meine eher, dass mir Sicherheiten wie ein Haus oder Bausparverträge nicht so wichtig sind, sondern dass ich Veränderung und neue Herausforderungen brauche, mich auch mal neu erfinden muss.“
WERDER.DE: Was würdest du gerne noch lernen, wenn du Zeit dafür hast?
Ole Werner: „Ich würde zum Beispiel gerne Segeln lernen, wäre gern in der Lage, mit einem Boot ein paar Touren zu machen. Ich kann kein Instrument so wirklich spielen, nur den Flohwalzer auf dem Klavier. Vielleicht lerne ich da ja auch noch mal mehr. Ich spreche nicht besonders viele Sprachen, eigentlich nur Englisch noch einigermaßen passabel. Aber auch das, was ich jetzt mache, eine Gruppe führen und eine Richtung vorgeben, das fände ich auch im wirtschaftlichen Bereich interessant. In einer ähnlichen Rolle zu arbeiten, aber in einem 'normalen' Unternehmen, das könnte ich mir vorstellen."
WERDER.DE: In welche Richtung würde dein Unternehmen gehen?
Ole Werner: „Das kann ich jetzt noch nicht teilen (lacht). Aber es würde mich reizen, mich nochmal in einem Bereich zu beweisen, in dem ich bisher noch nicht gearbeitet habe.“
WERDER.DE: Wenn es sportlich und finanziell keinen Unterschied machen würde, würdest du dann lieber in der ersten oder in der zweiten Bundesliga spielen?
Ole Werner: „Lieber in der Ersten, ist ja klar. Jeder Sportler will seine Fähigkeiten auch auf dem höchstmöglichen Niveau testen und unter Beweis stellen. Natürlich ist es auch für jeden Trainer ein Traum, auf diesem Niveau zu arbeiten. Insofern hat die zweite Liga ihren Reiz, hat inzwischen auch ihr sportlich hohes Niveau, aber die erste Liga ist das Ziel.“
WERDER.DE: Auch wenn das bedeutet, dass man als Werder Bremen dann wieder öfter verliert…
Ole Werner: „Ja… erst mal muss das dann ja so sein. Wir würden ja trotzdem versuchen, jedes Spiel zu gewinnen. Aber natürlich ist, je höher man unterwegs ist, die Luft auch dünner. Aber das ist dann so, das würde jeder in Kauf nehmen. Solange man nicht zu oft verliert.“