"Es macht mir Spaß, Einfluss auf die Dinge zu haben"

Cheftrainer Ole Werner im Interview mit Werder.de

Ole Werner lacht im Gespräch
Ole Werner hat sich bei Werder eingelebt und ist zufrieden mit seiner Arbeit im Verein (Foto: Werder.de).
Profis
Samstag, 16.04.2022 / 16:20 Uhr

Von Solveig Haas

Ole Werner hat sich eingelebt in Bremen, er fühlt sich wohl in der Stadt und beim Verein. Er hat eine Wohnung in Stadionnähe gefunden, erzählt er im Gespräch und auch schon den ein oder anderen Lieblingsplatz entdeckt. Hauptsächlich draußen, denn besonders im Saisonendspurt meidet Werders Cheftrainer Bars und Restaurants aufgrund der Pandemiesituation. 

Egal ob er dabei mit dem Trainerteam im Biergarten sitzt oder mit seiner Freundin an der Weser, angesprochen wird er inzwischen ab und zu – obwohl er sich unauffällig verhält und auch ein bisschen tarnt, wie er lachend erzählt. Meistens sind das Fans, die zum guten Spiel gratulieren oder Glück fürs Wochenende wünschen. Das nimmt Werner gerne an, die enge Verbindung zwischen den Fans, der Stadt und dem Verein ist schließlich eine der Besonderheiten bei Werder. Was sonst noch besonders ist, wie er seine Rolle in der Nachwuchsarbeit sieht und wie er mit der Verantwortung als Cheftrainer umgeht, verrät Ole Werner in Teil eins des Gesprächs mit WERDER.DE. 

WERDER.DE: Bei deinem Amtsantritt hast du gesagt, dass du gern zu Werder als klassischem Traditionsverein kommst. Was bedeutet Tradition im Fußball für dich?

Ole Werner: „Ein Traditionsverein ist in der Stadt historisch verankert und hat über einen langen Zeitraum eine große Bedeutung für die Menschen dort. Das ist bei Werder natürlich so, ein Verein mit einer langen, erfolgreichen Historie, sicherlich auch von außen betrachtet mit das größte Aushängeschild, das Bremen hat.“

WERDER.DE: Wenn also Leipzig oder Hoffenheim gefragt hätten, hättest du Nein gesagt?

Ole Werner: „Nicht unbedingt. Ich habe ja auch schon gesagt, dass ein Traditionsverein für mich zwar etwas Schönes ist, das aber bei der Entscheidung keine Hauptrolle gespielt hat. Bei Werder Bremen gefällt mir die Art und Weise, wie hier gearbeitet wird. In den Gesprächen schienen die Personen, die hier arbeiten, gut zu mir selbst zu passen. Ich hatte das Gefühl, man kann erfolgreich zusammenarbeiten. In meiner Funktion als Trainer ist das noch wichtiger als die Frage, ob das ein Traditionsverein ist, oder nicht. Trotzdem finde ich es auch schön, bei einem Traditionsverein zu arbeiten.“

WERDER.DE: Gibt es überhaupt etwas, was dich zu einem Verein kategorisch Nein sagen lassen würde?

Ole Werner: „Es gibt natürlich Länder, in denen ich nicht unbedingt arbeiten würde. Länder, in denen das Geld, das den Verein finanziert, aus Geschäften kommt, die ich nicht unterstützen möchte. Oder Vereine, bei denen man Werbefigur für Unternehmen oder Organisationen wäre, bei denen man das nicht gerne wäre. In diese Richtung gibt es sicher Dinge, die ich für mich ausschließen würde.“

WERDER.DE: Du warst selbst nicht so lange Fußballer, musstest deine Karriere früh beenden. Beeinflusst das deine Arbeit als Trainer?

Ole Werner: „Bestimmt. Ich kann aber nicht genau sagen wie, weil ich ja den Unterschied nicht kenne. Ich hatte nie die ganz große Spielerlaufbahn, habe gewisse Situationen also als Spieler nie erlebt. Trotzdem weiß ich, wie eine Mannschaft funktioniert, weil ich auch in einer Profikabine gesessen habe, wenngleich nur sehr kurz und auf einem anderen Niveau. Ansonsten hilft mir die Tatsache, dass ich mit dem Fußball aufgehört habe und danach verschiedene andere Dinge gemacht habe auch. Ich habe verschiedene Perspektiven, nicht nur die Perspektive Profifußball. Ich habe durch verschiedene Berufe mit ganz verschiedenen Leuten Kontakt gehabt und glaube, dass ich mich deshalb ganz gut in verschiedene Perspektiven hineinversetzen kann. Das hilft mir. Und die anderen Dinge wie Spielererfahrung versuche ich dann über das Trainerteam zu ergänzen, zum Beispiel über Patrick Kohlmann und Christian Vander, die diese Perspektive einnehmen."

WERDER.DE: Ex-Werderaner Per Mertesacker, der inzwischen die Nachwuchsakademie bei Arsenal leitet, sieht diese fehlende andere Perspektive, wenn Profifußballer von Kindheit an auf eine Sportkarriere hinarbeiten, als großes Problem. Ist es dir wichtig, deinen jungen Spielern diese Perspektive zu vermitteln?

Ole Werner: „Wenn junge Spieler heute im Profibereich ankommen wollen, ist das Leben ab dem 13. oder 14. Lebensjahr spätestens durchgetaktet. Das hat durchaus auch sein Gutes, weil man auch in sehr vielen Bereichen ausgebildet wird. Klar, diese etwas abweichenden Lebensläufe gibt es immer weniger, aber wie soll man das vermitteln? Man kann sich natürlich in Gesprächen immer mal wieder über normale Dinge unterhalten. Das passiert auch, die Jungs beschäftigen sich ja nicht nur mit Fußball, sondern auch mit normalen Dingen, machen Erfahrungen außerhalb der Fußballblase. Bei uns in der Mannschaft sind ja auch helle Köpfe, da wird manchmal ein falsches Bild gezeichnet. Aber natürlich hat jeder aus seiner Biografie Dinge, die ihn prägen. Und wenn du heute mit 18 Profi wirst, bist du in der Regel schon sechs oder sieben Jahre in diesem System, das sehr wenig Zeit für Entfaltung außerhalb vom Fußball lässt. Mir fällt jetzt aber auch keine schlaue Alternative ein, denn wenn du noch viele Dinge abseits vom Sport machst, kannst du diesen Leistungsanforderungen nicht gerecht werden. Das private Umfeld und private Bezugspersonen können da einiges mit auffangen. Da sind Trainer im Jugendbereich aber ehrlicherweise wichtiger als ich als Trainer, zu mir kommen sie, wenn es schon klar nur noch um Leistung geht und der Fokus auf dem Fußball liegt.“

Meine Motivation ist, immer ein wichtiger Baustein zu sein, der der Gruppe ermöglicht, erfolgreich zu sein.

WERDER.DE: Du bist auch selbst noch relativ jung, trägst aber sehr viel Verantwortung. Ist das für dich eher Last oder Motivation?

Ole Werner: „Es macht mir auf jeden Fall Spaß, Einfluss auf die Dinge zu haben. Ich kann damit auch gut umgehen und trage gern Verantwortung für meine Leute, stelle mich auch mal vor sie, wenn es ungemütlich wird. Aber das ist nicht meine Hauptmotivation, diesen Job zu machen, das ist eher das Interesse an Menschen, mit einer Gruppe etwas zu erreichen. Die Verantwortung gehört zum Beruf dazu, das belastet mich nicht, aber ich bin mir dessen immer bewusst. Ich frage mich immer wieder, kann ich die Verantwortung übernehmen, bin ich der Richtige, was brauchen Mannschaft und Verein jetzt."

WERDER.DE: Also keine schlaflosen Nächte wegen der Verantwortung für Werder Bremen?

Ole Werner: „Nicht wegen der Verantwortung. Natürlich denke ich über Dinge nach und das geht auch mal abends ein bisschen länger oder ich wache ein bisschen früher auf. Es ist, glaube ich, normal, in diesem Beruf nicht immer alles sofort abzuschütteln. Man hat ja auch eigentlich rund um die Uhr Dinge zu klären. Aber nicht, weil ich so an meiner Verantwortung trage, sondern eher weil ich mir überlege, welche Lösungen gibt es für diese oder jene Herausforderung.“

WERDER.DE: Wenn du die Verantwortung spürst, dann eher gegenüber dem Club und seiner Chefetage oder gegenüber den Fans?

Ole Werner: „Das kann man so fast gar nicht sagen. Für mich ist das wichtigste die Verantwortung für die Menschen, für die ich direkt verantwortlich bin. Das sind in erster Linie die Spieler und das Funktions- und Trainerteam. Das sind die, an die ich zuerst denke, mit denen ich täglich zusammenarbeite und für die ich auch unmittelbar Lösungen haben muss, wenn wir gemeinsame Herausforderungen haben. Alles andere kommt in Konsequenz: Wenn das gut funktioniert, spielen wir in der Regel gut und holen Ergebnisse, was dann wieder gut für die Fans, die Leute drum herum und für das Wirtschaftliche des Vereins ist.“

WERDER.DE: Und wenn du dir Ziele setzt, zum Beispiel für deine Trainerkarriere, möchtest du sie dann eher mit deinem Verein erreichen, oder vielleicht auch über deinen Verein?

Ole Werner: „Werder Bremen und die Mannschaft setzen sich ein Ziel und ich bin dafür da, dabei zu helfen, dass das gelingt. So herum funktioniert das, anders geht es ja gar nicht. Wenn ich hier ein Ziel habe, das aber Verein und Mannschaft nicht haben, dann wird das nie klappen. Deshalb ist meine Motivation immer ein wichtiger Baustein zu sein, der der Gruppe ermöglicht, erfolgreich zu sein und ihre Ziele zu erreichen. Das Ziel eines Vereines entsteht in der Regel nicht dadurch, dass eine Person sagt ‚das wollen wir jetzt erreichen‘, sondern das ist ein Prozess aus Abstimmungen und Bewertungen darüber, was mit einer Mannschaft möglich ist. Da ist die Mannschaft meistens auch eingebunden."

WERDER.DE: War das für dich auch in Kiel der Punkt, an dem du aufgehört hast? Weil du dieser Baustein nicht mehr sein konntest?

Ole Werner: „Ja im Endeffekt schon. Weil es, wenn es darum geht, Ziele zu erreichen, eben immer wichtig ist, dass man die Situation aktuell einigermaßen gleich einschätzt, daraus auch die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht, also entscheidet was getan werden muss, um die Situation zu verbessern, oder ein Ziel zu erreichen. Auch dabei braucht man eine Idee, muss eine Sprache sprechen. Das war nicht mehr so gegeben. Dann ist es wenig sinnvoll, da weiter derjenige zu sein, der die Richtung vorgeben soll.“

WERDER.DE: War in der Situation für dich klar, dass du wieder einen Verein finden wirst? Oder war es gedanklich auch eine Option, dass das das Ende deiner Trainerkarriere sein könnte?

Ole Werner: „Mir war rein rational schon klar, dass ich eines Tages wieder als Trainer arbeiten werde. Aber ich musste das natürlich trotzdem als persönliche Enttäuschung verarbeiten. So viele Gedanken über die Zukunft habe ich mir da in den ersten Tagen gar nicht gemacht. Die Enttäuschung darüber, dass es nicht mehr so funktioniert hat, wie ich mir das ausgemalt oder auch von mir selbst verlangt habe, war präsenter als der Gedanke an einen neuen Verein. Ich habe mich selbst da sehr hinterfragt, das musste ich erst mal verarbeiten.“

In Teil zwei des Interviews spricht Ole Werner darüber, wie er seinen Fokus findet, bei welchem Politiker er gerne Mäuschen spielen würde und wofür er zu viel Geld ausgibt. Am Dienstag hier bei Werder.de. 

 

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