"Jeder Spieler ist ein kleines bisschen Greenkeeper"

Der Rasen im wohninvest WESERSTADION im Hintergrund ein Flutlichtmast, im Vordergrund liegt ein grünes Stück Konfetti.
Der Stadionrasen ist über die Saison hinweg einigen Strapazen ausgesetzt und braucht in der Sommerpause besondere Pflege (Foto: WERDER.DE).
Profis
Sonntag, 05.06.2022 / 16:00 Uhr

Von Solveig Haas

Tim Engelke ist seit 2017 bei Werder Bremen – genauso lange, wie der Hybridrasen im wohninvest WESERSTADION liegt. Als Greenkeeper kümmert er sich um den Rasen im Stadion und auf den Trainingsplätzen und betreute nach dem Aufstieg auch die Erneuerung des Spielfeldes. Mit WERDER.DE spricht er über ideale Wachstumsbedingungen, zu kurze Sommerpausen und die Arbeit mit Profisportlern.

Fünf Tage lang war das Spielfeld im wohninvest WESERSTADION mit einem weißen Fleece abgedeckt. Inzwischen wurde die Abdeckung wieder abgenommen, die ersten hellgrünen Gräser wachsen. Nach dem Aufstieg wurde der alte Rasen ausgefräst, um ihn dann neu einzusäen, erklärt Tim Engelke. „Wir haben etwa drei Zentimeter Erde abgetragen und damit die Fasern des Kunstrasens wieder hervorgeholt. Dann haben wir alle Reste des Naturrasens entfernt, etwas Sand wieder aufgefüllt, einen Grunddünger aufgebracht und danach zwei verschiedene Gräserarten neu eingesät.“
Dass der Kunstrasen nach zwei Jahren ohne Rasenerneuerung recht tief im Boden lag, hat ihn auch beim Platzsturm nach dem Aufstieg geschützt. Die vielen Fans auf dem Rasen kamen gar nicht in Kontakt mit den Kunstfasern, auch nicht, als sie Stücke aus dem echten Rasen herausgruben. „Da ist nicht viel passiert und wir hatten ja ohnehin geplant, den Rasen in der Sommerpause auszutauschen“, so Engelke. Wichtig sei jetzt nur, dass der Rasen genug Zeit habe, gut anzuwachsen und sich zu entwickeln. Nachdem das Schutzfleece abgenommen wurde, kommt es jetzt auf Natur und Zeit an. Der Rasen muss sich gut verwurzeln und ein starkes Blatt entwickeln, damit er den Anforderungen des Bundesliga-Spielbetriebs standhalten kann.

Zeit ist, wie so oft im rasanten Fußballgeschäft, auch hier der große Knackpunkt. Eigentlich ist die Sommerpause ein bisschen kurz für einen neuen Rasen: „Je mehr Zeit in der Sommerpause, desto besser fürs Greenkeeping. Der Rasen braucht mindestens zehn Wochen, um zu wachsen, lieber noch zwei mehr“, betont Tim Engelke. „Uns ist es am liebsten, wenn das erste Saisonspiel auswärts stattfindet, damit wir noch eine Woche mehr Zeit haben. Jedes Test- oder Pokalspiel, das vorher stattfindet, nimmt dem Rasen Zeit, robust zu werden.“  Jedes Fußballspiel bedeutet Schäden und Stress für den Rasen, alleine schon durch das Mähen, das Linieren und alles, was es sonst noch braucht, um ein Spiel vorzubereiten. Passiert das schon, wenn der Rasen noch nicht gut etabliert ist, wird er nicht so vital und ist anfälliger für Krankheiten. Er hat in einem sehr frühen Stadium des Wachstums den Einflüssen des Spieles noch nichts entgegenzusetzen. Die Sommerpause der Profiligen sei, so Engelke, auch gar nicht so ideal für die Rasenerneuerung. „Es gibt zwei Wachstumsphasen, im Frühjahr und im Herbst. Im Sommer, wenn es sehr warm ist, hat er Rasen eher damit zu tun, sich durch Atmung und schwitzen selbst zu kühlen, als zu wachsen. Im Grunde ist der Rasen mit Beginn der Sommerpause ideal gewachsen, weil er die Frühjahres-Wachstumsphase beendet hat. Dann muss man ihn herausnehmen und erneuern.“

Die Natur kann man nicht wirklich beeinflussen

Ideal für das Rasenwachstum sind Temperaturen zwischen 18 und 25 Grad und ordentlich natürliche Niederschläge. Diese natürlichen Gegebenheiten kann man mit Beregnungsanlagen und Windmaschinen zwar simulieren, aber am Ende kann man die Natur nur unterstützen, aber niemals wirklich in die richtige Richtung beeinflussen, sagt der Greenkeeper. Durch die baulichen Gegebenheiten ist die Luftzirkulation in vielen Fußballstadien nicht optimal, auch die Sonneneinstrahlung ist nicht gleichmäßig. Dadurch muss auch der Rasen an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich behandelt werden. Herrschen im Stadion im Sommer 35 Grad, ist das sehr schlecht für die jungen Gräser. Dann können Krankheiten entstehen und im schlimmsten Fall geht die Saat ein. Dann müssen die Greenkeeper von Null anfangen. Auch beim Herausfräsen des Rasens am Ende der letzten Saison machte das Wetter Werders Greenkeeping beinahe einen Strich durch die Rechnung, erzählt Engelke: "Starker Regen hat uns große Probleme bereitet. Das Team hat mit viel Schweiß, Einsatz und ordentlich Überstunden das bestmögliche Ergebnis erreicht."

Diese Widrigkeiten sind Teil des Jobs, sagt Tim Engelke. „Wir sehen uns als Dienstleister, die den Profisportlern möglichst ideale Bedingungen schaffen möchten.“ Der Hybridrasen hilft dabei, die Bedingungen möglichst gleichmäßig gut zu halten. Im Gegensatz zu reinem Echtrasen gibt es keine allzu großen Qualitätsschwankungen über die Saison hinweg, die Mannschaft kann sich auf gute Platzbedingungen verlassen. Um diese Bedingungen zu gewährleisten, arbeitet das Greenkeeping auch am Spieltag eng mit Trainerteam und Mannschaft zusammen. Die Bewässerung des Rasens wird genau abgestimmt und gegebenenfalls auch kurz vor dem Spiel noch einmal nachjustiert. Nach dem Aufwärmen und in der Halbzeit werden Schäden ausgebessert, auch dann kann noch mal bewässert werden. Nach dem Spiel wird der Rasen direkt gemäht, die herausgerissenen Stücke heruntergeholt. Vor jedem Spiel sät Werders Greenkeeping außerdem 100 Kilo Rasensamen nach. „Dann helfen uns die Spieler, während des Spiels treten sie das Saatgut in den Boden. So trocknet es nicht aus, sondern kann gut keimen. Also ist jeder Spieler auch ein kleines bisschen Greenkeeper“, lacht Tim Engelke.

Die Werderfans, die sich nach dem Aufstieg als Greenkeeping-Helfer:innen betätigten und Stücke des Rasens herausnahmen, haben übrigens ganz gute Chancen, die Pflanzen am Leben zu halten, sagt Engelke: „Wenn sie genug Wurzelwerk mitgenommen haben, sollte das klappen.“ Den eigenen Garten werden sie damit allerdings nicht begrünen können, dafür breitet diese spezielle Rasensorte sich zu langsam aus. Frühestens die Ur-Urenkel werden dann auf Aufstiegs-Stadionrasen ein Picknick machen können. Bis dahin wird der Rasen bei Werder noch das eine oder andere Mal ausgetauscht werden.

 

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