Großes Vertrauen

Marco Bode im Interview

Marco Bode ist mit Werder ins Trainingslager nach Mallorca gereist (Foto: nordphoto).
Interview
Mittwoch, 08.01.2020 / 17:25 Uhr

Das Interview führte Yannik Cischinsky

Ob am Trainingsplatz, in der Lobby, beim Essen oder auf der Hotelterrasse – Marco Bode ist so gut wie immer in irgendwelche Gespräche verwickelt. Wie schon im Sommer oder auch in Südafrika begleitet der Aufsichtsratsvorsitzende Werder während der Trainingslagerreise. Warum Bode dabei ist, welche Eindrücke er vom Team gewonnen hat und wie die Trainingslager unter seinen früheren Trainern abliefen – darüber spricht er im Interview mit WERDER.DE. Bode erklärt auch, welche Strategie der SVW im Verdrängungskampf der Bundesliga beispielsweise bei der Kaderzusammenstellung verfolgt.

WERDER.DE: Marco, wie schon in Südafrika und im Sommer begleitest du uns wieder ins Trainingslager. Warum eigentlich?

Marco Bode: „Ich versuche einerseits die eine oder andere Aufgabe wahrzunehmen, andererseits ist ein Trainingslager immer eine gute Gelegenheit, Gespräche zu führen, die man in Bremen nicht unbedingt führen kann – mit Florian und Frank, mit dem Trainerteam, Staff, der medizinischen Abteilung, Mitarbeitern und Teammitgliedern, die ich in Bremen seltener sehe. Natürlich geht es aber auch darum, ein Gefühl für die Situation in der Mannschaft zu bekommen. Während es in Südafrika auch wichtig war, repräsentative, mediale und politische Aufgaben wahrzunehmen, ist meine Aufgabe hier eher intern verortet. Ich schätze diese Arbeit aber sehr, weil hier mehr Zeit für intensive Gespräche zur Verfügung steht.“

"Schnelle Erfolgserlebnisse sind die beste Medizin"

WERDER.DE: Du sagst, du sammelst Eindrücke. Wie ist denn dein Eindruck vom Team?

Marco Bode: „Ich glaube, wir sind uns alle der schwierigen Lage bewusst, auch die Spieler sehen die kritische Situation sehr deutlich. Im Trainerteam spüre ich den Drang, es besser machen zu wollen. Wir werden in Düsseldorf sehen, wie diese kurze Vorbereitungszeit genutzt werden konnte, um uns gut aufzustellen für den Rückrundenstart. Ich glaube, man muss niemandem erklären, wie bedeutsam dieses Auftaktspiel sein wird. Auf der anderen Seite halte ich es für wichtig, den Druck nicht zu groß werden zu lassen. Trotz aller Sorgen sollten wir darauf vertrauen, dass diese Mannschaft über Stärken verfügt und deutlich besser spielen kann, als sie es in der Hinserie getan hat, insbesondere in der letzten Phase. Dieser Eindruck bestimmt ja leider momentan die öffentliche Wahrnehmung. Schnelle Erfolgserlebnisse sind die beste Medizin.“

WERDER.DE: In der Öffentlichkeit und unter den Fans war Florian Kohfeldts Gangart in den letzten Trainingseinheiten ein Thema. Wie nimmst du ihn und seine Arbeit auf Mallorca wahr?

Marco Bode: „Das, was ich eben abstrakt gesagt habe, gilt für Florian und seine Arbeit ganz spezifisch. Er vermittelt in Richtung Team und allem drumherum, dass der volle Fokus auf dem Abstiegskampf liegt. Dass wir das akzeptieren müssen, dass jeder kapiert in welcher Lage wir sind. Zugleich vermittelt er die Freude am Spiel und das nötige Selbstbewusstsein. Er lebt das sehr gut vor, so wie wir das alle versuchen. Ich erlebe ihn, soweit das sein kann, sehr gut erholt und voller Energie.“

WERDER.DE: Wir kennen den Abstiegskampf als Werderaner – leider – aus den letzten Jahren. Ist das für dich ein Vorteil oder kann das auch ein Nachteil sein?

Marco Bode: „Ich glaube, dass diese psychologische Komponente in der Hinrunde eine Rolle gespielt hat. Gerade in der mittleren Phase, als es viele Unentschieden gab. Da mag es leider so gewesen sein, dass wir alle ein Stück weit gedacht haben: Na gut, irgendwann werden wir diese engen Spiele gewinnen und in Bereiche kommen, wo wir unsere Ziele erreichen könnten. Inzwischen müssen wir aber alle hinnehmen, dass das ursprüngliche Saisonziel abgehakt ist und es nur noch um den Klassenerhalt gehen kann. Wir hatten in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, die ich nicht kleinreden will, aber wir hatten in den letzten fünf Jahren auch enge Abstiegssituationen. Die Erfahrung darin kann helfen.“

Unser Minimalziel ist es immer, in der Liga zu bleiben, aber das ist keine Selbstverständlichkeit.
Marco Bode, Aufsichtsratsvorsitzender

WERDER.DE: Es wird diskutiert, ob Werder noch personelle Verstärkung für die Rückrunde braucht. Du als Aufsichtsratsvorsitzender bist unter anderem für die Freigabe der nötigen Mittel zuständig. Ist Werder Bremen handlungsfähig?

Marco Bode: „Wir sind im Rahmen gewisser Möglichkeiten handlungsfähig. Darüber gibt es zwischen Geschäftsführungen und Aufsichtsrat keine unterschiedlichen Auffassungen. Das ist viel wert. Trotzdem werden wir keinen Aktionismus walten lassen. Frank und sein Team werden sich den Markt genau anschauen und überlegen, welche Spieler unser weiterhelfen; kurzfristig, aber auch über die Rückrunde hinaus. Wenn sich Optionen ergeben, werden wir als Aufsichtsrat immer versuchen, alles Mögliche zu tun, um das wirtschaftlich umsetzen zu können. Natürlich gibt es finanzielle Grenzen, aber ich habe großes Vertrauen, dass Frank Baumann sowie das Scouting im Zusammenspiel mit Florian gute Ideen entwickelt.“

WERDER.DE: Lassen wir die aktuelle sportliche Situation mal beiseite. Werder befindet sich in Konkurrenz mit Klubs wie Hertha oder Frankfurt, die massiv investieren. Wie siehst du diesen intensiven Verdrängungswettbewerb?

Marco Bode: „Auch wenn zwischen Hertha, Frankfurt oder Freiburg, Augsburg und uns natürlich im Detail Unterschiede bestehen und Berlin jetzt als Hauptstadtklub eine etwas andere Strategie fahren will, entsteht im Kern ein großes Mittelfeld. Das ist nicht zuletzt eine Erkenntnis der Hinrunde: Es ist eben nicht selbstverständlich, dass man automatisch drinnen bleibt, wenn man zu dieser Kategorie von Klub gehört. Die Aufsteiger leben in Jahr eins häufig von Euphorie. Wenn dann Dinge wie bei uns nicht laufen, kann man sehr schnell unten hineingeraten. Das ist den Frankfurtern passiert, das ist mit Stuttgart, dem HSV oder Hannover passiert, die jetzt in der zweiten Liga spielen. Unser Minimalziel ist es immer, in der Liga zu bleiben, aber das ist keine Selbstverständlichkeit. So ist die Grundstruktur in dieser Liga.“

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WERDER.DE: Hertha ist durch einen finanzkräftigen Investor jetzt äußerst liquide und Frankfurt hat durch Transfers hohe Erlöse erzielt und kann diese in den Kader reinvestieren. Welche Strategie verfolgt Werder?

Marco Bode: „Werder ist ein Klub, der Spieler ausbilden will, besser machen will. Wir können selten komplett fertige Spieler kaufen. Die Ausbildung und Entwicklung von Spielern gehört zu unseren Kernaufgaben. Trotzdem sind wir der Meinung, dass wir am Transfermarkt Potentialspieler finden sowie hier und da mal fertige Spieler verpflichten, wie Davy Klaassen als früheren Kapitän von Ajax Amsterdam. Kreative Transfers sind für uns sehr wichtig.“

WERDER.DE: Das heißt, der Weg der Hertha ist kein Weg für Werder Bremen?

Marco Bode: „Kurz- und Mittelfristig haben wir festgelegt, dass wir nicht so einen Weg wie Hertha mit großen Investoren gehen wollen, sondern aus uns selbst heraus erfolgreich sein wollen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir diese Positionierung aber fortlaufend überprüfen müssen. Ich halte es im Moment auch für den richtigen Weg, wenngleich man die Entwicklungen in der Bundesliga und die eigenen Möglichkeiten stets im Blick behalten muss. Es ist aber ja nicht nur an uns, den reinen Willen auszusprechen, eine Veränderung unserer Philosophie vorzunehmen, es müssen dann ja auch sinnvolle strategische Partnerschaften und Investorenmodelle realisierbar sein.“

WERDER.DE: Ist ein strategischer Partner aktuell ein Thema?

Marco Bode: „Das ist aktuell kein Thema. Wir haben uns in den letzten Jahren immer wieder mit solchen Modellen beschäftigt, sind bei der Überprüfung aber stets zu dem Schluss gekommen, dass wir so wie wir agieren, erfolgreich sein können. Gute Entscheidungen und gutes Personal, das als Team agiert, sind wichtiger, davon bin ich absolut überzeugt. Mit unserer Philosophie können wir in der Liga bestehen. Die schmerzhafte Erkenntnis ist dennoch, dass dies nie eine Selbstverständlichkeit ist.“

WERDER.DE: Was entgegnest du denn den Fans, die aufgrund der Entwicklungen bei Leipzig, Hoffenheim oder Berlin denken, dass Werder langfristig aus Europa, vielleicht sogar aus der ersten Liga verdrängt wird?

Marco Bode: „Ich würde erwidern, dass natürlich eine gewisse Gruppe von Klubs finanziell weit entfernt von uns ist. Zugleich gibt es aber eine Gruppe von Klubs, die nicht anders sind als wir oder es wirtschaftlich sogar noch schwieriger haben. Schauen wir nach Paderborn, zu Union Berlin oder Düsseldorf. Dort sind die Kadermöglichkeiten mit Sicherheit noch begrenzter. Es ist trotzdem möglich, erfolgreich zu sein.“

WERDER.DE: Wenn alles passt, das hat die vergangene Saison gezeigt, kann man also weiter um das Ziel Europa mitspielen…

Marco Bode: „Ich betone, dass das Risiko, nach hinten abzurutschen, für mehr als die Hälfte der Klubs immer gegeben ist. Im Kreis von den Klubs, die so sind wie wir, müssen wir versuchen die besten zu sein. Durch gute Persönlichkeiten, durch gute Ideen und eine gute Philosophie, durch gute Entscheidungen. Am Ende sind es viele Kleinigkeiten, die auf dem Platz zusammen greifen müssen. Das ist uns in der Hinserie überhaupt nicht gelungen. Aber ich bin nicht bereit, alles grundsätzlich infrage zu stellen.“

Im Wesentlichen geht es darum, zusammen zu finden

WERDER.DE: Frank Baumann hat erläutert, dass in seinen Augen die dominanten Typen im Fußball immer weniger werden. Siehst du das auch so?

Marco Bode: „Wir haben gemeinsam analysiert, dass in unserem Team das Element Dominanz ein Stück weit gefehlt hat. Grundsätzlich haben Frank und ich dieselbe Auffassung davon, wie ein Kader zusammengestellt werden soll. Neben Kriterien wie Altersstruktur und Gehaltsstruktur spielen eben auch unterschiedliche Charaktere eine Rolle. Es geht darum, unterschiedliche Persönlichkeitstypen zu haben. Möglicherweise haben wir die Tragweite, dass auch aus der Mannschaft heraus selbst Führungspersönlichkeiten entstehen, die andere mitreißen, im Sommer falsch eingeschätzt. Das kann durch Körpersprache auf dem Platz, durch Aktionen, vielleicht auch verbal in der Kabine passieren. Leider spielten auch die Verletzungen eine Rolle. Niclas Füllkrug sollte einer dieser positiven, emotionalen Leader sein, konnte seine Rolle aber nicht ausfüllen. Das ist keine Entschuldigung oder grundsätzliche Erklärung für die Hinrunde, aber wir wissen, dass wir immer wieder auf eine gesunde Durchmischung der unterschiedlichen Persönlichkeiten samt dominanter Charaktere achten müssen.“

WERDER.DE: Welche positiven Leader fallen dir aus deiner aktiven Zeit ein?

Marco Bode: „Da gab es unterschiedliche Typen. So wie heute Niklas Moisander ein Führungsspieler ist, war es damals Rune Bratseth einer. Er war kein Lautsprecher, ist aber durch seine Haltung auf dem Platz und seine Aktionen aufgefallen ist. Wir sind ihm gefolgt. Dann gab es Typen, die durch ihre Aggressivität vorangingen; ob es Mirko Votava war, der als Kapitän im Mittelfeld wichtige Zweikämpfe gewonnen hat oder Ulli Borowka. Zudem gab es die Individualisten, von Mario Basler über Wynton Rufer bis hin zu Claudio Pizarro, mit dem ich ja noch gespielt habe. Sie konnten durch individuelle Klasse, besondere Momente, eine Mannschaft besser machen. Wir hatten zu meiner aktiven Zeit sehr spannende Charaktere. Wenn ich an die 90er-Jahre zurückdenke, hatten wir aus heutiger Sicht fast zu viele dominante Spieler. Ob Frank Neubarth oder Olli Reck, da war fast jeder Spieler ein besonderer Charakter.“

WERDER.DE: Wenn du die Trainingslager von damals mit heute vergleichst – was sind da die größten Unterschiede?

Marco Bode (lacht): „Otto Rehhagel hat im Winter häufig auf Trainingslager verzichtet und im Sommer waren wir unterwegs und haben eher zahlreiche Testspiele gemacht haben. Im Winter waren wir häufig zuhause und haben bei Schnee und Graupel trainiert. Otto war der Meinung, wenn die Jungs zuhause schlafen, ist das grundsätzlich am besten. Die Frauen passen schon auf. Außerdem trainiert man unter den Bedingungen, unter denen man spielen muss. In der damaligen Zeit waren die Plätze noch anders, da musste man gelegentlich in Bundesligastadien auf halbgefrorenen, schlammigen Plätzen spielen.“

WERDER.DE: Du hattest noch andere Trainer, warst auch mit der Nationalmannschaft unterwegs…

Marco Bode: „Klar, im Vergleich dazu hat sich extrem viel verändert - in den Inhalten, auf dem Trainingsplatz und der gesamten Organisation. Im Kern ist allerdings einiges unverändert. Es geht im Wesentlichen darum, sich als Team zu vergewissern, zusammen zu finden. Es ist wichtig, dass jeder jetzt für sich die richtige Einstellung findet für die Rückrunde und möglicherweise aufkommende egoistische Gedanken ablegt. Ich weiß aus eigener Erfahrung: Wenn es nicht gut läuft, sucht man leicht die Verantwortung bei anderen. Das hilft null weiter. Dafür ist es gut, wenn die Gruppe eng zusammen ist und am freien Tag gemeinsam etwas erlebt, gemeinsam aber auch durch ein hartes Training durchgeht. So wächst das Team weiter zusammen.“

 

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