Noch ein paar Jährchen länger als Fritz bildet der Hamburger SV eine kaum wegzudenkende Konstante der Bundesliga. Um genau zu sein: von Anfang an, seit genau 48 Jahren, 15 Tagen, 23 Stunden und 15 Minuten. Und jetzt, nach nur einem Punkt, schon 14 Gegentoren und bisher teilweise desolaten Leistungen? Wackelt der Dinosaurier? Die ausgerufene Weltuntergangsstimmung und angestimmten Abgesänge nach vier Spielen gehen Thomas Schaaf jedenfalls deutlich zu schnell: „Gerade im Derby kann man sich hervortun. Dem HSV bietet sich die Chance, aus seiner schlechten Position heraus viel Gutes zu erreichen.“ Die Verpflichtung von Sportchef Frank Arnesen soll eine neue Ära einläuten. Trainer Michael Oenning ist dabei gefordert, die massive Verjüngungskur des Kaders erfolgreich zu gestalten. „Sie müssen der Überzeugung sein, den richtigen Mann mit der richtigen Philosophie zu haben. Ich hoffe, dass er die Zeit bekommt für den Umbruch mit vielen jungen Spielern. Der HSV besitzt die Qualität, den Weg zu gehen, den sie sich vorstellen“, meinte Schaaf. Er weiß jedoch auch: Die Situation ist ernst, „wenn es nicht erfolgreich läuft, verlieren sie den Anschluss.“ Das warnende Beispiel der jüngeren Vergangenheit bietet Hertha BSC. 2009 noch fast Meister, stiegen die Hauptstädter zwölf Monate darauf sang- und klanglos ins Unterhaus ab.
„Wir wollen weg vom Tabellenende“, gibt Oenning vor. Sie müssen weg. Noch ehe der Sog im Abwärtsstrudel nicht mehr zu dämmen ist. „Wir wissen woran es hängt. Das sind Kleinigkeiten, individuelle Fehler und falsche Entscheidungen innerhalb weniger Sekunden. Daran müssen wir ansetzen“, wird der 45-Jährige auf der klubeigenen Homepage zitiert. Dabei nicht mithelfen können der ehemalige Bremer Dennis Diekmeier (Oberschenkel), Angriffs-Hoffnung Heung-Min Son (Außenbandanriss) sowie der rotgesperrte Last-Minute-Neuzugang Ivo Ilicevic (1. FC Kaiserslautern). Das Fachmagazin „kicker“ widmete dem Nordderby zu Wochenbeginn gar seinen Aufmacher: „Wende oder Albtraum? Für den Hamburger SV und Trainer Michael Oenning geht es im 95. Nordderby um viel - und schon oft spielte Bremen Schicksal“, orakelte die Redaktion. Und doch, bei aller Brisanz, fand Thomas Schaaf die richtigen Worte vor Anpfiff: „Wir haben schon viele tolle Derbys erlebt, mit all dem, was den Fußball so schön macht. Das Duell setzt immer Emotionen frei. Aber wichtig ist, dass wir uns sportlich streiten.“
von Maximilian Hendel