"Lutscher"-Interview Teil 2: Götter-Kontakt und Träne für Naldo

Torsten Frings besuchte am Donnerstag die ehemaligen Teamkollegen am Weser-Stadion.
Profis
Freitag, 28.10.2011 / 13:39 Uhr

Seit Montagabend ist Werders ehemaliger Kapitän Torsten Frings wieder in Bremen. Das Abenteuer Kanada, Toronto, nordamerikanische Profiliga MLS, hat bis Mitte Februar Pause. Am Donnerstagnachmittag schaute der 34-Jährige bei seinem ehemaligen Klub im Weser-Stadion vorbei. Alte Kollegen, Trainerstab und WERDER.DE standen auf dem Besuchsplan. "Lutscher" nahm sich eine Stunde Zeit um intensiv über sein neues Leben zu berichten.


Torsten, wie ist es wieder nach Bremen zu kommen nach einem halben Jahr Nordamerika?
Torsten Frings: "Mein erster Gedanke war, dass ich mein Motorrad besser in die Garage gefahren hätte. Das habe ich im Sommer vergessen und jetzt sah es wettergegerbt aus. Aber sonst war es ein schönes Gefühl. Wenn ich nach Bremen komme, dann komme ich nach Hause. Ich habe mein Haus hier behalten und Bremen wird auch in Zukunft mein Lebensmittelpunkt bleiben."

Und wie waren die ersten Schritte in die Kabine. Bei jedem deiner Ex-Kollegen hat die Nachricht, dass du heute kommst, ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Torsten Frings: "Ja, ich habe mich auch richtig gefreut. Es war ja nicht einfach, hier weg zu gehen. Ich drücke auch immer noch dem ganzen Team ganz fest die Daumen und hoffe, dass sie alle ihre Ziele erreichen. Helfen kann ich jetzt aber nicht mehr."

Du warst vor wenigen Minuten noch in der Kabine, gab es dort besondere Begegnungen?
Torsten Frings: "Ja, mit Naldo. Dass er wieder da ist, ist eine super Geschichte. Ich habe monatelang mitbekommen, wie traurig er in der Kabine war, weil das Knie immer wieder dick wurde, wie er gefightet hat, wie er sich immer wieder motiviert hat. Leider konnte ich ihn jetzt auf diesem letzten Stück des Comebacks nicht so beobachten, ich wäre gern dabei gewesen, wie er wieder auf den Platz läuft, weil ich sehr mit ihm gefiebert habe. Als ich die Nachricht aufs Handy bekommen habe, dass er wieder im Kader stand, dass er wieder spielt, war ich richtig glücklich. Da habe ich fast vor Freude eine Träne verloren. Ich hoffe für ihn, dass ein Rückschlag ausbleibt, der nach so einer langen Pause nichts Ungewöhnliches wäre. Bisher geht ja alles gut."

Wie hast du dich in Toronto über das Leben in der Heimat informiert?
Torsten Frings: "Von Werder habe ich relativ viel mitbekommen. Ich habe mich jeden Tag informiert, oft alles im Internet gelesen, ich war sogar bei WERDER.DE und habe mich in deutschen Zeitungen informiert. Aber man kann die Bundesliga dort auch sehen, obwohl es durch die Zeitverschiebung schwierig ist. Meist wird 9.30 Uhr angepfiffen, in einer Zeit, in der wir oft trainieren. Aber ein paar Bremer Spiele konnte ich sehen. Ich habe zum Beispiel die Partie in Hoffenheim gesehen. Das war ein schweres Stück Arbeit. Nach der ersten Halbzeit habe ich gedacht, Hoffenheim wird Meister. Die sind richtig gut unterwegs gewesen. Aber am Ende hat Werder gewonnen. Ein gutes Zeichen."

Wollen viele Kanadier etwas aus deinem Leben als Fußball-Profi in Deutschland wissen? Teamkollegen? Freunde?
Torsten Frings: "Es ist so, dass die jungen Spieler schon auch die Augen auf den europäischen Fußball haben. Sie fragen mich, wie es ist, Champions League zu spielen. Sie fragen nach jeder Kleinigkeit, wie sie Dinge angehen müssen, wie ich es besser machen würde. Ich weiß auch oft nicht, ob ich ihnen die richtigen Sachen weitergebe, ich gebe ihnen einfach meine Erfahrungen weiter. Das macht sehr viel Spaß. Das ist ein großer Unterschied zu Europa, wo sich die jungen Spieler nicht mehr viel sagen lassen."

Hast du Kontakt zu Jürgen Klinsmann oder zu Paul Stalteri?
Torsten Frings: "Ja mit Jürgen Klinsmann SMSe ich immer mal wieder. Mit Paul habe ich leider momentan keinen Kontakt, aber ich werde ständig auf ihn angesprochen. Er kommt ja aus Toronto, soweit ich weiß. Er ist dort auch lange Rekordnationalspieler gewesen und sehr bekannt in seiner Heimatstadt."

Und wirst du dort als Sportstar wahrgenommen, Fußball spielt ja nicht so die große Rolle?
Torsten Frings: "Für den Verein ist es schon etwas Besonderes, dass mit mir und dem Holländer Danny Koevermans zwei Europäer verpflichtet wurden. Das hatte der Verein vorher noch nicht gemacht. Deshalb war das Medienaufkommen schon recht hoch. Aber in Kanada ist Eishockey die Nummer eins und speziell hier in der Stadt ist es noch etwas extremer. Die Spieler der Toronto Maple Leafs sind Götter und werden auch so verehrt."

Hattest du auch schon Kontakt mit den Göttern der Stadt?
Hast du Kontakt mit Eishockeyspielern? Tauscht man sich da unter Sportstars aus?
Torsten Frings: "Ich habe das Riesenglück, dass der Kapitän des Teams Fußball-Fan ist. So habe ich nach ein paar Wochen schon Dion Phaneuf kennengelernt, ein Riesenkerl, das ist der größte Gott in Kanada. Ich durfte die Maple Leafs mal beim Training besuchen und das war absolut beeindruckend. Man kann sich nicht vorstellen, wie hochklassig dort gearbeitet wird. Da sind wir mit dem Fußball selbst in Deutschland noch meilenweit entfernt. Das konnte ich mir vorher nicht vorstellen: Die Trainingswissenschaft, die riesigen Räumlichkeiten. Die Umkleidekabine direkt neben der Eisfläche. Alles ist perfekt. So etwas hatte ich noch nie vorher gesehen. Aber die Maple Leafs sind für das Eishockey auch das, was Bayern München für die Bundesliga ist. Das ist das bekannteste Eishockey-Team der Welt."

Wie kam der Kontakt zu Phaneuf zustande?
Torsten Frings: "Dion Phaneuf hatte von meinem Wechsel gehört, er kannte mich aus Europa. Er wollte unbedingt ein Trikot von mir haben. (lacht) Und das konnte ich ihm besorgen. Er hat mir dann angeboten, immer Karten zu besorgen. Das wollte ich aber nicht gleich in den ersten Wochen ausnutzen. Aber ich komme bestimmt mal darauf zurück. Meine ersten beiden Tickets für die Maple Leafs habe ich mir wie ein normal verrückter Eishockeyfan auf dem Schwarzmarkt besorgt. Jetzt kann ich mit den Fans dort ein bisschen mitreden. Ich habe mich gefreut, als ich sie in der Hand hatte."

So begeistert wie du klingst, wirst du noch mal Fitnesstrainer bei den Toronto Maple Leafs?
Torsten Frings: (lacht) "Ja, da wäre ich die Bestbesetzung. Nein, Fitnesscoach werde ich bestimmt nicht. Egal wo!"

Und wie war es dann beim Eishockey?
Torsten Frings: "Eine großartige Show, ein Riesenspektakel. Man muss wissen, dass es fast unmöglich ist, ein Spiel zu sehen. Die Dauerkarten kosten 15.000 Dollar und werden vererbt. Aber das lohnt sich, jeder im Stadion ist gut drauf."

Gab es auch andere Stadionbesuche?
Torsten Frings: "Ich habe auch schon Baseball gesehen, weil ich nur ein paar Minuten vom Baseball-Stadion entfernt wohne. Das ist allerdings ein langweiliger Sport. Aber es gehört dazu, wenn du die Mentalität dort kennenlernen willst. Baseball ist eher der Rahmen für einen schönen Familienausflug. Da sitzen Vater, Mutter, Kind auf der Tribüne mit Bier, Popcorn und Cola und das Spiel ist zweitrangig, aber alle gehen glücklich nach Hause. Genau so habe ich mir das auch angeschaut, mit meinen Kindern."

Geht es bei den Fußballspielen des Toronto FC auch in diesem Maße um die Show?
Torsten Frings: "Dort geht es immer auch um die Show. Alles läuft so, wie man es aus den Filmen oder dem Fernsehen kennt. Mit Cheerleadern und Gewinnspielen und so weiter. Die versuchen wirklich aus jedem Spiel etwas Besonderes zu machen. Sie versuchen alles übertrieben darzustellen. Das lieben sie dort."

Also wirst du hier an der Weser erstmal ein bisschen das Kontrastprogramm genießen. Das Ruhige, das Norddeutsche?
Torsten Frings: "Es gibt auch ruhige Ecken in Toronto. Die Stadt ist wirklich wunderschön. Das schönste ist, dass dich dort niemand kennt. Du kannst dich frei bewegen, bist ein ganz normaler Mitmensch, wie alle anderen auch. Wenn du irgendwo rein möchtest, dann musst dich auch überall anstellen. Nicht so wie in Deutschland, wo dich jeder kennt."

Und wie wohnst du dort?
Torsten Frings: "Ich wohne mitten im Zentrum in einem typischen Wolkenkratzer ganz oben mit Blick auf den Ontariosee. Das ist quasi wie am Mittelmeer, mit Strand und allem. Da lasse ich es mir gut gehen."

Wie lange bist du jetzt hier in Bremen?
Torsten Frings: "Wir haben eine lange Winterpause, weil es die Natur einfach so vorgibt. Der Winter in Kanada ist einfach zu kalt. Speziell in Toronto werden es Minus 30 Grad. Im März geht es dann weiter mit der Champions League. Unsere Vorbereitung startet Ende Januar/Anfang Februar."

Dann werden wir dich ja bestimmt auch mal im Weser-Stadion sehen. Das ist ja jetzt komplett fertig. Wir sitzen hier für das Interview in der neuen Spieler-Loge, die hast du noch nie gesehen. Wie gefällt es dir?
Torsten Frings: "Es ist aber wirklich schön geworden. Sehr großzügig gestaltet und tolle Plätze. Aber es wurde auch Zeit, dass mal ein Ende der Arbeiten kommt. Die letzten beiden Jahre waren für alle nicht einfach mit dem Umbau. (zeigt an die Wand und lacht) Und an ein Foto von mir haben sie auch gedacht. Gut, sonst hätte ich mich aber auch beschwert."

Das Interview führten Michael Rudolph und Dominik Kupilas.

 

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