Harnik: "Ich will mit einem Lächeln vom Platz gehen"

Martin Harnik beim Tag der Fans 2009 noch im Werder-grün. Später trug er die Trikots von Düsseldorf und Stuttgart.
Profis
Mittwoch, 30.03.2011 / 17:43 Uhr

Der ehemalige Werderaner Martin Harnik kehrt am Samstag erstmals nach seinem Abschied ins Weser-Stadion zurück. WERDER.DE erwischte ihn auf der Rückreise von den Länderspielen mit Österreich und fragte ihn nach Abstiegskampf, persönlichem Aufstieg und alten Bekannten. Harnik redete über "Fritzi", "Torte" und Sechs-Punkte-Spiele.

Hallo Martin, wie groß ist die Enttäuschung nach den beiden Niederlagen gegen die direkte Konkurrenz im Kampf um die EURO-Teilnahme 2012, gegen Belgien und die Türkei.
Die ist schon groß, aber ich bin auch realistisch genug, um einschätzen zu können, dass aus dieser Situation mehr gemacht wurde, als sie wirklich war. Wir hatten eine gute Möglichkeit, aber überall wurde eine Riesenchance daraus gemacht. Wir stecken mit der Nationalmannschaft immer noch in der Entwicklung. Wir sind teilweise stärker geredet worden als wir sind.

Auf das Spiel am Samstag hat das aber kein Einfluss, Werder hat mit Marko Arnautovic auch einen enttäuschten Österreicher in seinen Reihen.
Wir haben kurz darüber geredet und uns mit einem Augenzwinkern verabschiedet, weil wir uns in drei Tagen schon wiedersehen, aber sonst war es kein Thema zwischen uns.

Spätestens wenn du in Stuttgart landest, liegt der Fokus aber schon wieder auf der Bundesliga, oder?
Solange dauert das nicht. Der Fokus ist jetzt schon im Flieger darauf gerichtet. Das ist ein unglaublich wichtiges Spiel und ich hoffe, dass ich wieder aufgestellt werde. Es ist das klassische Sechs-Punkte-Spiel und es ist leider so, dass es Abstiegskampf pur ist. Es tut weh, so etwas über Stuttgart und Bremen zu sagen, aber so ist die Realität.

Realität ist aber auch, dass du dich im Soge dieser unglücklichen Entwicklung in Schwaben zum jungen Hoffnungsträger entwickelt hast. Sicher könnte ich persönlich mit meinen bisherigen Leistungen zufrieden sein, aber ein positives Fazit über diese Saison ziehe ich erst, wenn wir den "Supergau" wirklich verhindert haben. Bislang überschattet die Situation des Vereins alles.

Wie ist denn Stuttgart da überhaupt reingerutscht?
In der Hinrunde ist jeder einzelne Spieler komplett unter seinen Möglichkeiten geblieben. Wir haben es einfach nicht verstanden, mit Teamgeist den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das läuft jetzt besser, wir sind aber immer noch nicht auf dem Niveau, auf dem wir spielen könnten. Zumindest haben wir in den letzten Spielen auch Punkte geholt und das liegt auch daran, weil wir mehr als Mannschaft auftreten.

Im Abstiegskampf ist die halbe Bundesliga vertreten und darunter neben Stuttgart und Bremen noch einige andere große Namen. Wird es einen davon erwischen?
Ich habe so eine Vorahnung, dass es einen der großen Clubs mindestens in die Relegation verschlagen wird. Aber ich bin zuversichtlich, dass Stuttgart und Bremen sich vorher da rausziehen.

Es ist deine erste Rückkehr ins Weser-Stadion. Was wird das für ein Gefühl?
Ja, es ist mein erstes Spiel im Weser-Stadion, das nicht im Grün-Weißen Trikot stattfindet. Ich bin mal gespannt, was das für Emotionen hervorruft, aber im Moment herrscht Vorfreude. Ich glaube nicht, dass ich bei den Fans negative Reaktionen hervorrufe. Erstens bin ich nicht im Streit gegangen, hatte eine gute Werder-Zeit, zweitens war meine Werder-Rolle damals auch noch zu klein, um da jetzt große Aufmerksamkeit von den Tribünen zu bekommen.

Apropos Tribünen, die West- und Ostkurve wirst du nicht wiedererkennen, obwohl du erst anderthalb Jahre weg bist.
Ich weiß und ich freue mich auch auf das Stadion. Von außen habe ich mir das schon auf Fotos angeschaut und innen bekommt man ein bisschen über die Spielübertragungen im Fernsehen mit. Das sieht schon alles sehr, sehr geil aus.

Auf welche Begegnungen im Bauch der Ostkurve freust du dich besonders?
Auf alle Jungs im Team, die ich noch kenne und vor allem auf den Fritzi, unseren Zeugwart, den wir alle nur "Flavio" genannt haben. Aber auch auf die gesamte medizinische Abteilung, auf die Physiotherapeuten wie Flo Lauerer.

Warum freust du dich denn ausgerechnet auf den Zeugwart?
Ach, Fritzi (Fritz Munder) war einfach ein super Typ. Er hatte immer Spaß an seiner Arbeit. Er hat uns alles abgenommen, sobald er es konnte. Er war ein Gute-Laune-Typ, der uns immer wieder klar gemacht hat, was wir für einen Super-Job haben. Und er hat uns vorgelebt, wie man die beste Arbeitsmoral an den Tag legt.

Torsten Frings denkt über sein Karriereende nach. Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit mal gegen ihn zu spielen? Ist das ein komisches Gefühl als junger Spieler, der sich gerade in der Bundesliga etablieren will.
Also wenn "Lutscher", "Torte", "Totti" oder welche Spitznamen wir für ihn auch immer hatten, jetzt aufhört, dann kann er auf jeden Fall auf eine geile Karriere zurückblicken. So einen Erfolg würde sich jeder wünschen, wenn er mit 34 Jahren zurückblickt. Ich habe unheimlich viel von ihm gelernt. Vor allem einige gute Sprüche. Ich wäre sehr glücklich, wenn ich eine ähnliche Laufbahn vor mir hätte.

Dein bisheriger Weg hat von der dritten Liga, mit einigen Ausflügen in der Bundesliga, über die zweite Liga nach Düsseldorf und jetzt nach Stuttgart zurück in Bundesliga geführt. Ein erfolgreicher Umweg?
Das muss man mit mehr Abstand beurteilen. Es war einfach so, dass ich in Düsseldorf Vertrauen und Spielpraxis bekommen habe. In Bremen war es aber auch ungleich schwieriger. Die Liga war eine Klasse höher, die Konkurrenz war ungleich größer, die Position war am Ende ein andere. Da konnte ich nicht so Fuß fassen, wie man es als junger, ungeduldiger Spieler gerne hätte. Der Schritt nach Düsseldorf war da irgendwie logisch. Man kann aber nicht grundsätzlich sagen, dass es immer ein guter Umweg ist. Ich hatte auch viel Glück.

Dennoch scheint die zweite Liga ein richtiges Sprungbrett für Werder-Talente zu sein. In vielen Vereinen spielen Jungs mit Grün-Weißen Wurzeln.
Das stimmt, es ist schon sehr auffällig. Fast in jedem Spiel siehst du alte Bekannte. Das war oft ein großes Wiedersehen. Mit Torsten Oehrl habe ich sogar ein halbes Jahr in Düsseldorf gespielt, jetzt ist er bei Augsburg. Marko Futacs spielt in Ingolstadt, dann Florian Mohr (Paderborn), Daniel Brückner (Paderborn), Rockenbach da Silva (ehemals Düsseldorf), Kaspar Jensen stand auch noch lange bei Paderborn im Tor. Die Liste kannst du fortführen mit Löning (ehemals Paderborn), Kempe (Aue), "Mosqui" (John Mosquera) und Dominic Peitz (beide Union Berlin) oder auch Jerome Polenz (Aachen). Aus der U 23-Talentschmiede Werder sind viele im bezahlten Fußball gelandet.

Einer von ihnen hat mir dir gemeinsam erst den Weg in die zweite Liga und dann zurück ins Oberhaus geschafft.
Na klar, Max Kruse. Wir sind ja schon gemeinsam aus Vier- und Marschlande zu Werder gekommen und stehen noch ganz eng in Kontakt. Immer wenn ich in Hamburg bin, besuche ich ihn.

In deiner noch jungen Karriere hast du an den Standorten Bremen, Düsseldorf und Stuttgart auch viel Positives erlebt. Wie sind denn die Sympathien verteilt?
Eins ist klar, ich komme jetzt als Gegner nach Bremen. Ich streife das Trikot für den VfB über und gebe für den Club 100 Prozent. Da kann ich rund um das Spiel keine Rücksicht auf Freunde und Vergangenheit nehmen. Ich möchte am Ende der sein, der mit einem Lächeln vom Platz geht.


Das Interview führte Michael Rudolph.

 

 

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