Zwanziger-Interview: "Frauenfußball macht Zeitsprünge!"

Dr. Zwanziger nahm sich viel Zeit für das intensive Interview über den Frauenfußball im Allgemeinen und bei Werder Bremen.
Frauen
Mittwoch, 03.09.2008 / 11:03 Uhr

Für den Dokumentarfilm "Einsteigerinnen – ein Jahr für Werder Bremen" bekamen die Autoren Silke und Michael Rudolph trotz EURO 2008 in diesem Sommer ...

Für den Dokumentarfilm "Einsteigerinnen – ein Jahr für Werder Bremen" bekamen die Autoren Silke und Michael Rudolph trotz EURO 2008 in diesem Sommer einen der begehrten Interview-Termine mit DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger in der Frankfurter DFB-Zentrale. Es entwickelte sich ein sehr intensives Gespräch über Werder und den Frauenfußball. Vor dem Start der Frauen-Regionalliga 2008/2009 am kommenden Sonntag, 07.09.2008, um 15 Uhr auf Platz 12 am Weser-Stadion darf WERDER.DE die wichtigsten Passagen des Interviews veröffentlichen.

 

 

Herr Zwanziger, der leistungsorientierte Frauenfußball bei Werder Bremen geht in seine zweite Saison. Man hört, dass Sie gewissen Einfluss auf die Entscheidung der Grün-Weißen hatten, in diesen Bereich einzusteigen.

Den Einfluss sollte man nicht überbewerten. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Klaus-Dieter Fischer und seinen Geschäftsführer-Kollegen und darüber hinaus habe ich über meine Großmutter und meinen Vater verwandtschaftliche Verhältnisse nach Vegesack. Meine Wurzeln liegen in Bremen und deshalb liegt mir Werder immer ein bisschen am Herzen. In irgendeinem Gespräch machte ich mal darauf aufmerksam, dass die Entwicklung im Frauenfußball fortschreitet und sich der Zeitpunktpunkt anbieten würde, darüber nachzudenken, den Frauen und Mädchen der Region so eine Möglichkeit anzubieten.

 

Wie waren denn die ersten Reaktionen bei Werder?

Sie benötigten ein bisschen Zeit. Ich wusste ja auch, aus welchen Gründen Werder in den Jahren zuvor keinen Frauenfußball anbieten wollte. Sie hatten zu wenig Plätze und wollten die umliegenden Vereine nicht gefährden. Aber wir haben dann in dem Gespräch schnell festgestellt, dass es doch auch für den Frauenfußball schön wäre, wenn so ein Aushängeschild des deutschen Fußballs wie Werder Bremen, auch auf der Frauenseite vertreten wäre und irgendwann mal in der Frauen-Bundesliga auftauchen würde. Denn ein Spiel Werder Bremen gegen Bayern München ist immer interessant, ob bei den Männern oder bei den Frauen. Und die Bayern sind ja schon drin, vielleicht war es das letzte Fünkchen, das Herrn Fischer angespornt hat. Und wenn Herr Fischer, dann eine Sache angeht, dann macht er es gründlich. Das lässt sich aus der Vergangenheit feststellen.

 

Nach der Verkündung der Werderaner, Frauen-Fußball anzubieten, war die Akzeptanz von Außen schnell da, aber intern musste doch einige Überzeugungsarbeit geleistet werden. Haben sie diese Erfahrungen beim DFB auch gemacht?

Da ist es sicher für Herrn Fischer schwerer als für mich. Werder Bremen ist ein Klub, der eine riesige Tradition im Leistungsfußball der Männer und natürlich auch unglaublich starke Nachwuchsarbeit hat. Die Personen, die dafür stehen und immer wieder dafür kämpfen müssen, dass das so bleibt, wissen dass das mit großen Investitionen und viel Engagement verbunden ist, um das auch so zu erhalten. Dann ist die Frage schon berechtigt, ob man sich jetzt auch noch mit Frauenfußball befassen muss. Ich kann das verstehen. Wenn Frauenfußball nie vorgesehen war, dann setzt das eine besondere Überzeugungsarbeit voraus und die ist Herrn Fischer offensichtlich gelungen.

 

Glauben Sie, dass diese Überzeugungsarbeit auch dauerhaft auf fruchtbaren Boden fällt?

Ich glaube, dass die meisten Skeptiker, die sich jetzt vielleicht noch fragen, ob Frauenfußball wirklich sein muss, sich irgendwann darüber freuen werden, wenn sie sehen, mit welcher großen Begeisterung die Mädchen mit dem Werder-Trikot Leistungen bringen wollen, sich für das grün-weiße Trikot einsetzen, was sie am Ball können, welchen Ehrgeiz sie entwickeln. Und man darf nicht vergessen, dass es auch hier die Möglichkeit für einen Klub gibt, Deutscher Meister im Fußball zu werden.

 

Wie waren ihre eigenen Erfahrungen? Ist es schwer die Frauen in dieser Männerdomäne zu etablieren? Gibt es ihrer Meinung nach Unterschiede, ob man das auf DFB-Ebene oder in einem Bundesligaverein angeht?

Es ist hier bei uns im Verband etwas leichter. Der Frauenfußball ist in der Leistungsspitze beim DFB seit gut 20 Jahren etabliert. Sicher hat er nicht immer den Respekt bekommen, den er verdient hatte, aber das war eine normale Entwicklung. Immerhin war Frauenfußball noch bis vor 35 Jahren generell in Deutschland verboten. Die Tradition des Frauenfußballs ist viel kürzer als bei den Männern. Aber wir machen im Moment große Zeitsprünge beim Aufholen.

 

Seit einiger Zeit hat auch der DFB sein Engagement für den Frauenfußball weiter verstärkt, so auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, die Frauenfußball-WM 2011 nach Deutschland zu holen? Gab es Punkte, an denen sehr dringlich etwas verbessert werden musste?

Ja, wichtig war den Mädchenfußball in der Breite voranzubringen. Also, dass es eben nicht nur eine Nationalmannschaft gibt, auf die alle schauen, sondern auch eine anerkannte, beachtete Szene dahinter. Wir mussten eine Balance finden, den Spitzenfußball bei den Frauen weiter zu fördern, aber auch die Breite. Das realisieren wir nun schon seit einigen Jahren.

 

Gibt es schon greifbare Erfolge?

Die Statistiken zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind. Aber nicht nur die Zahlen sprechen dafür, sondern auch viele Erfahrungen, die wir bei unseren Besuchen in den Vereinen machen, wenn wir die Freude der Sportlerinnen sehen, in einem verbesserten Umfeld am Ball zu sein, mit höherer Akzeptanz von Außen. Aber wir hören auch von den Vereinen selbst, dass sie spüren, dass Frauenfußball für sie ein wichtiges Standbein geworden ist – unter anderem bei der Mitgliederbindung. Das ist auch kein Wunder, man muss ja nur in die Stadien schauen, wie viele Frauen im Publikum sind, wie groß das Interesse am Fußball bei der weiblichen Bevölkerung ist. Da ist doch klar, dass immer mehr von ihnen auch selbst spielen wollen.

 

Aber beim Engagement von Werder Bremen geht es ja nicht nur um die Förderung des Breitensports und der Frauenfußball-Basis.

Das stimmt schon. Solche Signale wie das von Werder Bremen oder auch anderen Vereinen wie Bayer Leverkusen, die ebenfalls gerade in den Frauenfußball einsteigen, sind sehr wichtig, um den Bereich zwischen dem Breitensport und der Nationalmannschaft voranzubringen. Wir lernen doch von den Männern, dass der Fußball deshalb so populär ist, weil es eben nicht nur eine erfolgreiche Nationalmannschaft gibt, sondern vor allem weil wir die Bundesliga haben, die jede Woche die Fans wieder in ihren Bann zieht. Eine Liga, die für Spannung sorgt, für Diskussionen, die fast täglich Geschichten produziert und damit diese hohe Aufmerksamkeit erregt. Und von dieser Situation sind wir im Frauenfußball momentan noch zu weit entfernt. Wir müssen erreichen, dass wir nach der WM 2011 nicht wieder in den vorherigen Zustand zurückfallen, sondern die bis dahin entstandene Aufmerksamkeit, Akzeptanz und vielleicht auch Euphorie, durch eine attraktive Frauen-Bundesliga konservieren können.

 

 

Wie wollen Sie das umsetzen?

Unter dem Strich geht es darum, dass die Attraktivität des Klubfußballs gestärkt wird. Leider können wir noch nicht an jedem Wochenende - oder wenigstens an jedem zweiten - Spiele zeigen, die auch eine große Zahl Fernsehzuschauer oder Leser interessiert. Wir verbuchen da einige Erfolge. Die Fußball-WM mit ihren Einschaltquoten war einer, aber auch die Live-Übertragung des Europapokal-Finales der Frauen mit dem 1. FFC Frankfurt in diesem Sommer. Das ist aber nur möglich, wenn außerhalb des Spielfelds alles professionell vorbereitet ist, die Vermarktung angekurbelt wurde, das Stadion attraktiv ist, die Zuschauer kommen und auch dann auf dem Spielfeld die Leistungen stimmen. Das war beim UEFA-Cup-Finale der Fall. Jeder Fernsehzuschauer war begeistert. Und so etwas müssen wir in der Bundesliga häufiger zustande bringen, als wir das derzeit haben. Das ist die Aufgabe für die nächsten vier Jahre.

 

Interview: Silke Rudolph und Michael Rudolph

 

Lesen Sie weiter in Teil 2 des Interviews mit DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger. Die Themen: Bleibt eine Frauen-Bundesliga auf Männerniveau Utopie? Welche Schwierigkeiten gibt es im Frauenfußball an der Basis? Schaut der DFB-Präsident mal bei den Werder-Frauen vorbei?

Weitere News

Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.