"Den Weg weitergehen und noch mehr Synergien schaffen"

INTERVIEW MIT FRANK BAUMANN UND BIRTE BRÜGGEMANN

Frank Baumann und Birte Brüggemann beim Training
Frank Baumann und Birte Brüggemann tauschen sich regelmäßig aus (Foto: WERDER.DE).
Interview
Montag, 21.11.2022 / 17:05 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Frank Baumann hat als Geschäftsführer Fußball des SV Werder Bremen auch die Verantwortung für den Frauen- und Mädchenfußball übernommen. Gemeinsam mit Birte Brüggemann, Leiterin Frauen- und Mädchenfußball, gibt er einen Einblick in die Planungen für die kommenden Jahre und macht deutlich, wie es gelingen kann, die Marke „Werder Frauenfußball“ weiter zu stärken.

WERDER.DE: Männlicher und weiblicher Leistungsfußball unter einer Verantwortung – das klingt nach einer einfachen Erfolgsformel. Warum ist es dazu erst jetzt gekommen?

Frank Baumann: "Weil viel wichtiger als diese formale Zuordnung schon immer war, wie stark wir uns in den verantwortlichen Positionen für den Frauen- und Mädchenfußball engagieren. Dieses Engagement war auch in der bisherigen Verantwortung von Hubertus Hess-Grunewald sehr groß. Daher konnten wir diesen Bereich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickeln. Das wollen wir auch in Zukunft schaffen. Dabei wird es unter anderem darum gehen, Synergien mit dem Männerfußball noch besser zu nutzen."

Birte Brüggemann: "Man muss betonen, dass wir bereits zusammenarbeiten und nicht bei null beginnen. Aber wir können sicher einiges weiter intensivieren, insbesondere gemeinsam mit dem Leistungszentrum, unter anderem im organisatorischen Bereich. Der Frauenfußball wird künftig noch stärker vom sportlichen Know-how des Männerfußballs profitieren, zum Beispiel wenn es darum geht, Prozesse wie die Kaderanalyse und die Kaderplanung zu optimieren."

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20.11.2022 / 16:00 / Frauen

Frank Baumann: "Ich kann nun als Geschäftsführer in meinem Verantwortungsbereich direkten Einfluss auf die Männer-Bundesliga, das Leistungszentrum und den Frauen- und Mädchenfußball nehmen. Daher werden Birte und ich  regelmäßig mit Björn Schierenbeck als Direktor Leistungszentrum zusammenzukommen, um Synergien zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass davon beide Seiten profitieren."

Birte Brüggemann: "Die Wege sind in der neuen Konstellation einfach kürzer. Das Leistungszentrum und den Frauenfußball bewegen vielfach die gleichen Themen. Und für mich persönlich ist es sehr wertvoll, in den Gesprächen mit Frank von seiner langjährigen Erfahrung im Profifußball zu profitieren. Das gibt mir wichtige Impulse und noch mehr Klarheit für meine Arbeit."

WERDER.DE: Dennoch: Finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen sind fast immer knapp, egal, wie gut man aufgestellt ist. Wie findet eine Abwägung der verschiedenen Interessen statt?

Frank Baumann: "Wenn Ressourcen knapp sind, sind Synergien umso wichtiger. Natürlich war insbesondere in den zuletzt wirtschaftlich sehr herausfordernden Zeiten die Verteilung unserer finanziellen Mittel auch Gegenstand kontroverser Diskussionen. Aber es gab in der Geschäftsführung immer ein klares und einstimmiges Bekenntnis zum Frauen- und Mädchenfußball. Sowohl in der KG als auch im e. V. haben wir die finanziellen Mittel für diesen Bereich in den zurückliegenden Jahren regelmäßig erhöht."

Baumann: "Durch eine bessere personelle und materielle Ausstattung wollen wir uns weiterentwickeln."

WERDER.DE: Welche konkreten strukturellen Entwicklungen sollen in nächster Zeit auf den Weg gebracht werden?

Birte Brüggemann: "Der Frauen- und Mädchenfußball bei Werder muss in seiner Gesamtheit ohne Zweifel personell wachsen. Denn Arbeit und Verantwortung, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben, sind derzeit auf zu wenigen Schultern verteilt. Wir haben zum Beispiel keine Person, die Aufgaben analog zu denen von Clemens Fritz bei den Männern übernimmt, also die dauerhaft ganz nah an der Mannschaft ist, um die Arbeit detailliert begleiten, bewerten und natürlich entsprechend aus einer etwas anderen Perspektive unterstützen zu können. Auch die Vermarktung des Produkts „Werder Frauenfußball“ benötigt Zeit und somit personelle Ressourcen. Und letztlich wünschen wir uns wie alle bei Werder Verbesserungen der Infrastruktur auf unserem Vereinsgelände."

Frank Baumann: "Für uns muss es zum Beispiel darum gehen, vorhandenes Personal aus der Ehrenamtlichkeit oder aus dem Nebenamt in eine mögliche Hauptamtlichkeit zu bringen. Denn Birte und ihre Abteilung haben sehr viele neben- oder ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit großer Leidenschaft für den Frauen- und Mädchenfußball bei Werder engagieren und uns dabei helfen, aus eher „wenig“ schon sehr viel zu machen. Durch eine bessere personelle und materielle Ausstattung wollen wir uns weiterentwickeln."

WERDER.DE: Ist eine völlige wirtschaftliche Unabhängigkeit des Frauenfußballs bei Werder von den Männern möglich?

Frank Baumann: "Unser Ziel muss es sein, in einigen Jahren aus den Überschüssen des Frauenfußballs den Nachfolger von Niclas Füllkrug zu finanzieren… (lacht) Im Ernst: Ich halte es für realistisch, dass sich der Frauen- und Mädchenfußball bei Werder in naher Zukunft selbst trägt. Diese Entwicklung wird allerdings nicht von alleine kommen. Wir müssen aus unseren Rahmenbedingungen das Bestmögliche machen und uns dabei auf die Bereiche konzentrieren, die wir beeinflussen können."

Birte Brüggemann: "Nicht erst Corona und der Abstieg haben gezeigt: Wenn es dem Männerfußball nicht so gut geht, dann wird es auch für den Frauenfußball – wie für alle anderen Bereiche bei Werder – schwieriger. Daher müssen wir die Einnahmen aus der Vermarktung unseres Frauen- und Mädchenfußballs erhöhen, um nicht nur unabhängiger vom Gesamtverein zu werden, sondern auch von den TV-Verträgen, die der DFB aushandelt und auf die wir keinen Einfluss haben."

Frank Baumann: "Ich bin davon überzeugt, dass es für Unternehmen demnächst nicht mehr erklärbar sein wird, warum sie viel Geld in den Männerfußball stecken, sich im Frauenfußball aber nicht engagieren. Für uns geht es darum, gemeinsam mit unseren Partnern und Sponsoren im Frauenfußball neue Geschichten zu erzählen, von denen beide Seiten profitieren."

WERDER.DE: Hilft dabei der derzeitige Boom, der durch die Europameisterschaft im Sommer ausgelöst wurde?

Birte Brüggemann: "Die große Aufgabe für alle Beteiligten ist es, diesen Boom nachhaltig zu nutzen, im Breiten- und im Spitzenfußball. Beim Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg hatten wir 2.700 Fans im Stadion „Platz 11“, die zum einen unsere Mannschaft sehen, aber auch Stars wie Alexandra Popp mal ganz nah erleben wollten. Der Frauenfußball braucht noch mehr solcher bekannten Gesichter. Zudem sind Frauen im Sport, also auch im Fußball, derzeit ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Wir engagieren uns seit vielen Jahren sehr stark dafür und müssen versuchen, mit unseren Mitteln in nächster Zeit möglichst viel zu bewegen."

Fank Baumann: "Dabei geht es auch darum, die Spiele zu Events zu entwickeln, die attraktiv sind für die Fans. Dafür ist es wichtig, dass wir den Sport-Campus in der Pauliner Marsch möglichst zügig realisieren. Ein neues kleines Stadion ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Fans „bei Wind und Wetter“ zu unseren Spielen der FLYERALARM Frauen-Bundesliga kommen."

Steigenden Anforderungen gerecht werden & weiterhin die Talente gut ausbilden

WERDER.DE: Auch die Lizenzierungsbedingungen verschärfen sich zunehmend und fordern eine zunehmende Professionalisierung. Welche Entwicklung ist hier in den nächsten Jahren zu erwarten?

Birte Brüggemann: "Durch den neuen TV-Vertrag liegt ein großes Augenmerk derzeit auf den Medienanforderungen, die bereits deutlich angehoben wurden. Mittlerweile wird jedes Spiel zumindest als Stream live übertragen. Die Medien transportieren unseren Sport, daher müssen und wollen wir dafür natürlich optimale Bedingungen schaffen, zum Beispiel angemessene Arbeitsbedingungen bei Pressekonferenzen und in der Mixed Zone. Derzeit gibt es die Auflage, dass in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga jeder Club eine hauptamtliche Geschäftsführung oder Abteilungsleitung im Bereich Frauenfußball beschäftigen muss, dazu einen hauptamtlichen Trainer oder Trainerin. Aber es gibt sehr konkrete Überlegungen, dass zukünftig zum Beispiel auch die Hauptamtlichkeit bei Co-Trainer:in, Torwarttrainer:in und Sportlicher Leitung verpflichtend sein wird. Dazu kommen zahlreiche weitere Ideen, wie die Strukturen noch stärker professionalisiert werden können."

WERDER.DE: Welche Rolle wird in den kommenden Jahren die Ausbildung eigener Talente für die Bundesliga-Mannschaft spielen?

Birte Brüggemann: "Diese Arbeit war schon immer ein wichtiger Teil unserer Philosophie. Allerdings müssen wir uns auch in diesem Bereich strukturell weiter verbessern. Die Basis ist gut. Wir haben seit Jahren starke Nachwuchsmannschaften, die Eliteschule des Sports an unserer Seite, eine gute Verzahnung innerhalb unserer Mannschaften. Und wir müssen es zukünftig noch mehr schaffen, auch Spielerinnen, die nicht aus dem Bremer Umland kommen, zu uns zu holen."

Frank Baumann: "Dabei gehört zu den Fragen, mit denen wir uns beschäftigen, ob wir Internatsplätze zur Verfügung stellen können. Und wir freuen uns, wenn es Interessenten gibt, die als Gastfamilien junge Werder-Fußballerinnen und -Fußballer aufnehmen und uns so unterstützen wollen."

Wir müssen weiterhin so attraktiv bleiben, dass die starken Nachwuchsspielerinnen am Ende tatsächlich in der ersten Mannschaft ankommen.
Birte Brüggemann

Birte Brüggemann: "Wir dürfen sicher selbstbewusst behaupten, dass wir in der Ausbildung junger Spielerinnen und bei der notwendigen Durchlässigkeit in die erste Mannschaft schon jetzt sehr stark sind. Melina Kunkel ist ein aktuelles Beispiel: Sie spielt seit ihrem sechsten Lebensjahr bei Werder Fußball und gehört nun zum Kader der ersten Mannschaft. Wir müssen weiterhin so attraktiv bleiben, dass die starken Nachwuchsspielerinnen am Ende tatsächlich in der ersten Mannschaft ankommen."

Frank Baumann: "Daher wollen wir den Weg, den wir seit Jahren gehen, weitergehen und unserer Philosophie treu bleiben. Birte und auch unser Cheftrainer Thomas Horsch arbeiten dafür mit enormer Energie und großer Leidenschaft. Das ist sehr wichtig. Beide erhöhen mit ihrer Arbeit für uns die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein."

WERDER.DE: Thomas Horsch arbeitete bei Werder zunächst im männlichen Bereich. Wie wichtig ist seine Arbeit für den Frauenfußball?

Frank Baumann: "Wir waren vor einigen Jahren froh, dass wir Thomas davon überzeugen konnten, seine hauptberufliche Zukunft langfristig im Fußball zu sehen. Erst war er Co-Trainer von Florian Kohfeldt in der U23, später in der Bundesliga. Und es ist ein großer Gewinn, dass er uns auch danach erhalten geblieben ist. Thomas hat sich früher als Verbands- und Stützpunkttrainer bereits mit dem weiblichen Bereich beschäftigt. Es ist insgesamt eine optimale Konstellation, mit der wir sehr zufrieden sind."

Brüggemann: "vollstes Vertrauen in unsere Mannschaft"

WERDER.DE: In dieser Saison gab es in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga bisher zwei Zähler aus sieben Partien. Was sind die Gründe für die tabellarisch derzeit schwierige Situation?

Birte Brüggemann: "Wir haben uns individuell und als Mannschaft weiterentwickelt und konnten den Kader der vergangenen Saison nochmal verstärken und ergänzen. Aber Fußball ist nicht berechenbar, und alles kann passieren, zumal sich andere Teams ebenfalls entwickeln. Während wir gegen die Top-Teams der Liga gute Leistungen gezeigt und auch Tore erzielt haben, hatten wir in den sogenannten „Augenhöhe-Duellen“ viel Spielkontrolle und eine Vielzahl von Abschlüssen, die wir nicht genutzt haben. Die Gegner hatten dagegen eine hohe Effizienz. Dabei schmerzt uns ohne Frage der verletzungsbedingte Ausfall von Agata Tarczynska, die eine sehr gute Vorbereitung gespielt und dabei unter anderem mit ihrer Erfahrung die jungen Spielerinnen mitgezogen hat. Die Mannschaft braucht ein Erfolgserlebnis, dafür haben wir vor Weihnachten noch drei Möglichkeiten."

Frank Baumann: "Ich finde, dass unsere Mannschaft im bisherigen Saisonverlauf zu Recht für ihre Leistungen gelobt wurde. Und wenn wir weiter hart arbeiten, können wir die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg erhöhen. Eine Garantie hat man im Sport nie. Aber auch wenn die Ergebnisse noch nicht gepasst haben, sind wir auf einem guten Weg und dürfen uns davon nicht abbringen lassen. Ich bin sicher, dass uns die bisher schon tolle Unterstützung der Fans im weiteren Saisonverlauf noch helfen wird."

Birte Brüggemann: "Wichtig ist: Wir haben vollstes Vertrauen in unsere Mannschaft und sind davon überzeugt, dass wir am Ende der Saison unser Ziel, in der Liga zu bleiben, erreichen werden."

WERDER.DE: Am Samstag geht es im wohninvest WESERSTADION gegen den SC Freiburg. Welche Bedeutung hat dieses lang ersehnte Highlight für die weitere Entwicklung der Mannschaft und des Frauenfußballs bei Werder?

Birte Brüggemann: "Grundsätzlich ist es „nur“ ein Bundesliga-Spieltag, bei dem es um drei – für uns sehr wichtige – Punkte geht. Aber im wohninvest WESERSTADION ist es natürlich auch ein Riesenevent. Die Mannschaft spürt, dass ihr damit eine enorme Wertschätzung entgegengebracht wird. Für viele Spielerinnen-Generationen bei Werder war es ein Traum, das einmal zu erleben. Für die aktuelle Mannschaft wird dieser Traum nun wahr. Es sind bereits mehr als 10.000 Tickets verkauft. Wir hoffen, dass diese Zahl noch steigt, damit wir eine Top-Stimmung im wohninvest WESERSTADION haben. Es wird eine tolle, sehr familiäre Atmosphäre werden. Wir freuen uns auf diese Premiere, und vielleicht ist es das erste, aber nicht das letzte Mal…"

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