"Schon bei der Auslosung sind alle ausgeflippt"

#11 des Jahres: Katharina Schiechtl im Interview zur Frauen-EM im Sommer

Katharina Schiechtl steht an einem Schild
Katharina Schiechtl war mit Österreich bei der EM in England dabei (Foto: ÖFB /Glanzl).
Interview
Dienstag, 13.12.2022 / 17:10 Uhr

Das Interview führte Moritz Studer

Der SV Werder Bremen hat ein langes, intensives Jahr erlebt. Hinter uns allen liegt eine unglaubliche Reise, die u.a. die Männer-Fußballer vom SVW zurück in die Bundesliga geführt hat. Für den WERDER.DE-Rückblick auf ein spezielles 2022 haben wir eine #11 des Jahres aufgestellt, in der wir die Geschichte von elf Sportler:innen und Funktionären erzählen. Ein Platz gehört Katharina Schiechtl, die im Interview auf ein Jahr zurückschaut, das den Frauenfußball nachhaltig verändert hat.

WERDER.DE: Moin Kathi, hinter dir liegt ein aufregendes Jahr 2022. Was ist das erste, woran Du zurückdenkst?

Katharina Schiechtl: "Viele Gänsehautmomente. Egal ob mit Werder oder mit Österreich. Das sind Erinnerungen für die Ewigkeit."

WERDER.DE: Und wenn du dich für ein Highlight entscheiden müsstest?

Katharina Schiechtl: "Das EM-Tor. Die Emotionen waren unbeschreiblich. Ich verbinde generell viel mit der Europameisterschaft, das war eine Reise mit unglaublich tollen Menschen. Die Nationalmannschaft ist wie eine zweite Familie. Dort mitzufahren ist eine Ehre, dann auch noch das 1:0 in einem Spiel zu schießen, ist schon sehr besonders."

WERDER.DE: Auf diese Erlebnisse hast du lange hingearbeitet. Du bist vor neun Jahren mit 20 aus deiner Heimat in Österreich nach Bremen gekommen.

Katharina Schiechtl: "Für mich war das damals ein Abenteuer. Ich wollte sehen, ob ich mithalten kann. Es hat sich für mich richtig angefühlt, mich hier nach und nach entwickeln zu können. Ich bin nun lange hier und fühle mich wohl. Sowohl hier aber auch in der Nationalmannschaft gehöre ich nun zu den Älteren und möchte die Erfahrung weitergeben und teilen."

WERDER.DE: Nicht nur du, sondern auch der Frauenfußball haben in dieser Zeit eine Entwicklung genommen. Hättest du dir das damals in der Form vorstellen können?

Katharina Schiechtl: "Das war damals unvorstellbar. Die Europameisterschaft im Sommer oder unser Heimspiel gegen Freiburg waren Wahnsinn. Die Energie und Begeisterung auf der Tribüne war spürbar und hat sich auf uns übertragen. Als kleines Kind habe ich davon geträumt, einmal vor so vielen Menschen zu spielen, später bin ich hier täglich am Stadion vorbeigefahren und wollte einmal hier spielen - der Traum ist wahr geworden. Unsere Aufgabe ist es nun, weiter hart zu arbeiten und die Menschen mit unserem Fußball weiter zu begeistern."

WERDER.DE: Meinst du eine Kulisse von 20.417 Zuschauer:innen im wohninvest WESERSTADION wäre ohne die EM möglich gewesen?

Katharina Schiechtl: "Die EM hat schon einiges dazu beigetragen. Es ist uns aber auch entgegengekommen, dass die Männer gerade nicht spielen. Dennoch ist es schön zu sehen, dass sich der Hype und die Begeisterung auch über die ersten Spieltage getragen hat."

ZUM AFTER-MOVIE VON #SVWSCF

WERDER.DE: Bei der EM habt ihr mit Österreich gegen Gastgeber England das Turnier eröffnet – in einem fast ausverkauften Old Trafford in Manchester.

Katharina Schiechtl: "Schon bei der Auslosung sind alle in der WhatsApp-Gruppe ausgeflippt. Die Vorfreude auf das Eröffnungsspiel war riesig. Das Abschlusstraining im leeren Stadion war schon ein Wow-Effekt, am nächsten Tag war der Lärmpegel unbeschreiblich. Ich musste einfach lachen: Das sind Momente, die unbezahlbar sind. Und ich habe mich sehr gefreut, dass meine Familie und Freunde mit dabei waren."

WERDER.DE: Dein großer Tag war dann aber das zweite Gruppenspiel, als du beim 2:0-Erfolg gegen Nordirland das Führungstor erzielt hast.

Katharina Schiechtl: "Für mich war meine Rolle in dem Turnier klar: Ich wollte da sein, wenn ich gebraucht werde. Das Spiel war sehr wichtig für uns: Wir standen zwar bei der EM 2017 schon im Halbfinale, waren aber nun das erste Mal nicht der Underdog. Mit meinem Tor habe ich der Mannschaft super helfen können. In dem Moment habe ich das gar nicht realisiert, sondern meinen Emotionen einfach freien Lauf gelassen. Das wird mir immer in Erinnerung bleiben."

WERDER.DE: Hast du damals während des Turniers gemerkt, dass mit dem Frauenfußball irgendwas passiert und die Popularität deutlich steigt?

Katharina Schiechtl: "Im Nachgang war es klar ersichtlich, aber auch währenddessen haben wir gemerkt, dass in Österreich viele auf den Zug aufgesprungen sind. Wir sind aber auch in vielen Dingen besser und die Spiele enger geworden. Daran ist eine Entwicklung sichtbar, die sich über den Fernseher gut überträgt. Für uns ist es cool zu hören, dass einige unsere Spiele geschaut haben, obwohl sie gar nicht Fußball interessiert sind."

WERDER.DE: Also so ein bisschen dieses Feeling, was man eigentlich von der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer kennt: Die Spiele gucken, um mitsprechen zu können.

Katharina Schiechtl: "Genau, das trifft es ganz gut. Mein Opa lebt im Altersheim und dort im Café war jeden Tag Frauenfußball Thema – er war natürlich mega stolz, dass seine Enkelin dort mitspielt. Für uns war es eine Bühne, auf der wir uns zeigen konnten, wie wir sind. Dass wir mit unserer Art und Weise so viele Menschen begeistern konnten, freut uns natürlich sehr."

Das ist dem ehrlichen Auftreten zu verdanken und dass kein Zentimeter hergeschenkt wurde.
Katharina Schiechtl über den Zuspruch der Fans

WERDER.DE: Euer Traum von der Europameisterschaft ist dann gegen die DFB-Elf geplatzt. Wie bitter war für euch das Ausscheiden?

Katharina Schiechtl: "Im ersten Moment war die Enttäuschung schon sehr groß. Mit etwas Glück wäre mehr drin gewesen. Das Spiel gegen Deutschland war schon sehr besonders, weil viele von uns in Deutschland spielen und wir auf viele bekannte Gesichter getroffen sind. Mit ein bisschen Abstand können wir aber auch sehr stolz auf unsere Leistung sein. Wir haben für uns bewiesen, dass 2017 keine Eintagsfliege war und wir bei Großturnieren erfolgreich sein können."

WERDER.DE: Aller Voraussicht nach bleibt in Deutschland das EM-Finale der deutschen Frauen gegen England mit 17,89 Millionen Zuschauer:innen die Top-Einschaltquote des Jahres 2022. Das ist vermutlich das größte Kompliment, das der Frauenfußball bekommen kann.

Katharina Schiechtl: "Absolut, ich habe das auch gehört. Es war ja aber nicht nur dieses eine Spiel, sondern die ganze Reise der deutschen Nationalmannschaft, die die Leute elektrisiert hat. Das ist dem ehrlichen Auftreten zu verdanken und dass kein Zentimeter hergeschenkt wurde. Natürlich hängt es aber auch mit den besten Sende- bzw. Anstoßzeiten wie bei unserem Spiel gegen Freiburg zusammen. Hoffentlich bleibt die Quote bis zum Jahresende auf dem ersten Platz, das wäre eine große Auszeichnung für den Frauenfußball."

WERDER.DE: Die Elektrisierung ist auch über das Turnier hinaus noch spürbar.

Katharina Schiechtl: "Dazu eine ganz lustige Geschichte: Ich bin nach dem Finale mit dem Zug zurück nach Deutschland gefahren und vor mir haben ältere Damen über das Endspiel gesprochen. Ich musste einfach zuhören, weil eine erzählt hat, dass sie als erstes das Spiel gegen Österreich geschaut hat."

WERDER.DE: Aber sie hat dich nicht erkannt?

Katharina Schiechtl: "Nein, das nicht (lacht). Aber ich musste allein schmunzeln, weil sie sich darüber unterhalten haben. Von fremden Leuten im Zug zu hören, wie wir gespielt haben, ist einfach super. Daran merkt man, dass dieses Turnier nicht nur eine Randnotiz war."

WERDER.DE: Für eure Leistungen mit Werder bekommt ihr als Team auch viel Lob. Ist es einfach das Spielglück, das euch fehlt, um euch unten aus dem Keller herauszuarbeiten?

Katharina Schiechtl: "Ja, klar fehlt uns auch das Quäntchen Glück. Wir schaffen es nicht, unsere Leistung in Ergebnisse umzumünzen. Am Ende ist Fußball aber ein Ergebnissport. Wir sind auf einem guten Weg, aber der letzte Step fehlt noch – daran müssen wir weiterarbeiten. Es ist gut, dass die Leistungen passen und wir alles auf dem Platz lassen. Kleinigkeiten machen aber den Unterschied, die müssen wir abstellen."

WERDER.DE: Und dann klappt es auch mit dem Klassenerhalt?

Katharina Schiechtl: "Auf jeden Fall."

WERDER.DE: Liebe Kathi, vielen Dank für das Gespräch!

 

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