WERDER.DE: Es wird das Narrativ bedient, der Fußball müsse nun endlich handeln, sonst werde die Politik hart durchgreifen. Haben die Bundesligavereine in den vergangenen Jahren tatenlos zugesehen, während die Gewalt in Fußballstadien immer weiter zugenommen hat?
Anne-Kathrin Laufmann: „Keinesfalls. Bei Werder wird seit über einem Jahrzehnt verlässliche, kontinuierliche und wertvolle Fanarbeit geleistet, die sich stetig weiterentwickelt. Gleiches gilt für viele andere Bundesligastandorte. Bei uns bündelt beispielsweise die Abteilung Fankultur & Antidiskriminierung das Engagement. Vier hauptamtliche Mitarbeiter*innen in Vollzeit sind Ansprechpersonen für alle Fans. Präventionsarbeit muss kontinuierlich geleistet werden, um Wirkung zu entfalten. Ich möchte aber noch mal auf die Behauptung, die Gewalt in Stadien habe immer weiter zugenommen, eingehen. Das kann ich so nicht stehen lassen…“
WERDER.DE: Inwiefern?
Anne-Kathrin Laufmann: „Die Zahlen, beispielsweise aus den Jahresberichten der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), zeigen ein anderes Bild. Die Verletztenzahlen liegen beispielsweise rund 30 Prozent unter dem Niveau von vor zehn Jahren, die eingeleiteten Ermittlungs- und Strafverfahren ebenfalls weit darunter – und das bei höheren Gesamtzuschauerzahlen. Um mal einen Wert zu nennen: 2022/23 wurden bei knapp 20 Millionen Stadionbesucher*innen in der 1. und 2. Bundesliga 795 Personen verletzt, das entspricht 0,00049 Prozent. Natürlich ist jede Person eine zu viel, aber es braucht auch eine realistische Betrachtung der Fakten. Wenn so viele Menschen zusammenkommen, wie bei einem Fußballspiel, geschieht das leider nicht völlig konfliktfrei.“
WERDER.DE: Die Pyrotechnik-Vorfälle haben sich allerdings laut Jahresbericht in den letzten Jahren verzehnfacht…
Anne-Kathrin Laufmann: „Wir müssen festhalten, dass Sanktionierungs- und Abschreckungsmechanismen nicht greifen, dass Strafen der Verbände und das Weiterreichen an Fans keine Wirksamkeit zeigen. Auch das Verschärfen der Sicherheitsarchitektur hat nicht dazu beigetragen, dass weniger Pyrotechnik zum Einsatz kommt. Wichtig ist, dass wir uns trotzdem nicht zu emotionalen Diskussionen oder einer weiteren Eskalation hinreißen lassen, sondern uns sachlich, differenziert und faktenbasiert mit dem Thema auseinandersetzen.“