Der "Frieden von Scheeßel"
Der Tod Maleikas markiert einen Wendepunkt im Verhältnis von Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein. Jahrzehntelang gab es ein weitestgehend neutrales, in Teilen sogar fast freundschaftliches Verhältnis beider Fanlager. Dass sich dies geändert hatte, war schon seit einiger Zeit zu beobachten gewesen. Nun ereignete sich allerdings ein dramatischer Höhepunkt dieser Entwicklung, die diese noch junge Rivalität bis heute prägt.
Die beiden Vereine bemerken schnell, dass etwas passieren muss, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die damaligen Manager der Clubs Günther Netzer und Willi Lemke trommeln in Scheeßel, auf halber Strecke zwischen Bremen und Hamburg, 200 Fans aus beiden Lagern zusammen. Es wird eine Art Waffenstillstand vereinbart, der heute als „Frieden von Scheeßel“ bekannt ist. Beide Seiten erklären sich bereit auf Provokationen und Racheaktionen zu verzichten.
In Hamburg selbst ist man wenig stolz auf den Vorfall. „Die Löwen“ geben wenig später dem SPIEGEL ein Interview, in dem sie über ihre „Gewissensbisse“ sprechen. Auch in Bremen wird der Fall bis heute von der Fanszene eher als großes Unglück wahrgenommen. Es konnte nie genau ermittelt werden wer den Stein damals tatsächlich geworfen hatte. Allerdings wurden im Dezember 1983 acht Mitglieder der Hamburger „Löwen“ wegen Straftaten, die rund um den Überfall auf die Werder-Fans begangen wurden, verurteilt. Der angebliche Rädelsführer wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ein anderer bekam zwölf Monate auf Bewährung.
Die Fanarbeit verändert sich nachhaltig
Zu dieser Zeit gibt es keine nennenswerten Anlaufstellen für Fans und auch keine Fanbeauftragten in den Vereinen. Die Fans organisieren sich und ihre Anreisewege selbst. Der Hooliganismus schwappt zudem seit Mitte der 70er-Jahre aus England nach Europa über. Die Gewalt rund um die Bundesliga-Spieltage nimmt deutlich zu. Klare Fantrennung, auf den Reisewegen und im Stadion, gibt es genauso wenig wie differenzierte Sicherheitskonzepte.
In Bremen befassen sich zu dieser Zeit schon länger verschiedene Wissenschaftler:innen mit einer möglichen Fanarbeit. Der Soziologe Narziss Göbbel hat bereits im Jahr vor Maleikas Tod mit einer Studierendengruppe den Bremer Fan-Projekt e.V. gegründet. Das erste Fanprojekt weltweit. Einige Monate nach dem Pokalspiel in Hamburg wird auch hier die Fanarbeit aufgenommen. Der HSV schafft in Zusammenarbeit mit der Stadt ein Fanprojekt, in dem sich Sozialarbeiter:innen den Fans annehmen. Mit Erfolg. In den kommenden Jahren können Rechtsradikale, die sich im Volksparkstadion etabliert hatten, zurückgedrängt werden. An fast allen deutschen Standorten mit größeren Fanszenen wird bis heute durch aufsuchende Fanarbeit gegen Gewalt und Diskriminierung vorgegangen.
Auch in den Vereinen tut sich in den folgenden Jahren einiges. Mittlerweile gehören Fanbeauftragte fest zu den DFL- und DFB- Lizenzauflagen. Bis runter in die vierten Ligen sind die Vereine verpflichtet Personen zu benennen, die für den institutionalisierten Kontakt zwischen Verein, Fans und Sicherheitsorganen zuständig sind. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) bietet regelmäßige Weiterbildungen an, in denen vor allem Grundlagen der Gewaltprävention und des Konfliktmanagements vermittelt werden. Aus der engen Verstrickung dieser Themen mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist die Antidiskriminierungsarbeit der Vereine oftmals bei den Fanbeauftragten verankert worden. Klare Fantrennung sowie diverse Sicherheitskonzepte sollen helfen Tragödien, wie damals in Hamburg, zu verhindern