Was war Ihrer Meinung nach denn die zentrale Konsequenz des Treffens?
Cornelius Göbel: „Das Wesentliche war meiner Meinung nach, dass die Vereine zum ersten Mal gezwungen wurden, zumindest teilweise Verantwortung für das Verhalten ihrer Anhänger zu übernehmen. Dies war vorher nicht so, die Vereine hatten sich bis dahin komplett aus der Verantwortung genommen und die Problematik weitestgehend ignoriert. Für die Vereinsverantwortlichen bestanden die Derbys aus netten Essen mit dem jeweiligen Gegenpart des anderen Clubs. Für die Rivalität der Fanlager gab es kein Verständnis und wenig Kenntnis. Sowohl die Tat als auch das Treffen fanden, gerade wegen der Teilnahme prominenter Vereinsvertreter, große mediale Aufmerksamkeit und führten letztendlich zu konkreten Maßnahmen wie der Gründung des Fanprojektes.“
Am Montag finden sowohl in Bremen als auch in Hamburg Gedenkveranstaltungen anlässlich des Todestages statt. Was ist konkret geplant?
Cornelius Göbel: „Richtig. Am Montag wiederholt sich der Todestag zum 40. Mal. Wir haben vor circa drei Jahren angefangen, uns mit diesem traurigen Jubiläum zu beschäftigen – unter anderem im Rahmen der Ausstellung ‚Ins rechte Licht gerückt‘. Neben der Thematisierung in der besagten Ausstellung haben wir beim HSV beschlossen, dem Gedenken an Adrian nachhaltig Rechnung zu tragen. Dazu werden eine Gedenktafel am Ort des Geschehens in unmittelbarer Nähe zum Volksparkstadion aufgestellt und ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen gesetzt. Uns ist die legitime Kritik bewusst, dass es 40 Jahre brauchte, damit der Tod von Adrian auch in Hamburg ein würdiges Gedenken erfährt. Auch wenn die aktuell verantwortlichen Personen nichts dafürkönnen, dass dazu zu lang geschwiegen wurde, liegt es umso mehr in unserer Verantwortung, Lehren daraus zu ziehen und zukunftsgewandt zu agieren.“
Dr. Hubertus Hess-Grunewald: „In Bremen werden wir gemeinsam mit der Familie Maleika, die ihr Kommen zugesagt hat, und mit dem Fanclub „Die Treuen“, in dem Adrian Maleika organisiert war, aber auch mit Mitarbeiter:innen und Fan-Vertreter:innen in der Ostkurve des wohninvest WESERSTADION an der Gedenktafel zusammenkommen und innehalten.“
Warum ist es Ihrer Meinung nach wie vor wichtig, an diesen Vorfall zu erinnern?
Dr. Hubertus Hess-Grunewald: „Die Geschichte von Adrian darf nicht in Vergessenheit geraten. Sie ist Mahnung, trotz aller sportlichen Rivalität und Konkurrenz die Grenze der körperlichen Unversehrtheit niemals zu überschreiten. Das müssen wir immer wieder anmahnen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass aufgrund der langen Zeitspanne von nun vier Jahrzehnten diese Mahnung verblasst und den nachwachsenden Fangenerationen weniger bewusst ist als denjenigen, die damals als junge Fans Adrian Maleikas Todesfall miterlebt haben. Gerade deshalb ist das Gedenken am Montag von großer Wichtigkeit.“
Cornelius Göbel: „Aus unserer Perspektive gibt es mit Blick auf diesen Vorfall nicht die eine, klare Antwort, sondern mehrere Ebenen, die dabei wichtig sind. Wir wollen als Verein Verantwortung übernehmen; ein junger Mensch ist gewaltsam durch Anhänger des HSV ums Leben gekommen. Adrian ist der erste und einzige Fußballfan in Deutschland, der durch Fußballgewalt gestorben ist. Aus der Verantwortung entsteht für uns die Pflicht, Folgegenerationen immer wieder daran zu erinnern, welch schlimmes Schicksal aus gewalttätigen Auseinandersetzungen entstehen kann. Adrian Maleikas Tod betrifft so viele Menschen und Biografien. Es geht bei aller sportlicher Rivalität darum Mitgefühl den vielen leidenden Menschen gegenüber zu demonstrieren, die von diesem Vorfall betroffen waren und sind sowie darüber hinaus durch diesen präventiven Ansatz eine Wiederholung zu verhindern.“