WERDER.DE: Wie sah die Unterstützung des Verbands aus?
Christian Linker: „Der DFB hat sich mit Vielfalt lange schwergetan. Das ist ein Grund, warum Homosexualität im Profi-Fußball – auch in Deutschland – so wenig sichtbar ist. Da helfen Aktionsspieltage oder der Erinnerungstag an diesen beiden Wochenenden. Es gibt aber in Deutschland noch immer Bundesliga-Spieler, die es ablehnen, mit einer Regenbogen-Armbinde aufzulaufen. Es ist für manche immer noch ein schwieriges Thema. Umso wichtiger sind diese Solidaritätsaktionen.“
WERDER.DE: Mittlerweile hat sich der DFB des Themas aber offenbar angenommen und gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt geschaffen…
Christian Linker: „Durchaus. Seit dem 01. Januar ist Christian Rudolph als Beauftragter beim DFB tätig. Er ist ein profunder Kenner, selbst Ultra von TB Berlin, Mitinitiator der Aktion ‚Fußballfans gegen Homophobie‘. Das ist in meinen Augen eine tolle Wahl, weil der DFB eine Menge Energie bekommt, aber auch einen unruhigen Geist in den eigenen Reihen, der dem Verband sicher Feuer machen wird (lacht). Für uns als queere Fanclubs, aber auch für die Vereine und Fanbeauftragten gibt es jetzt einen Ansprechpartner beim Verband.“
WERDER.DE: Welche bundesweiten oder internationalen Strukturen gibt es denn überhaupt?
Christian Linker: „Unser Dachverband sind die ‚Queer Football Fanclubs‘, Fanclubs aus England, den Niederlanden, der Schweiz und hauptsächlich Deutschland, wo QFF gegründet wurde. So können wir direkt zum DFB und anderen Verbänden kommunizieren, unsere Interessen besser wahrnehmen. Die Fanclubs arbeiten auf regionaler Ebene mit den Vereinen und zweimal im Jahr gibt es Verbandstreffen. So konnten wir unter anderem durchsetzen, dass es bei Länderspielen genderneutrale Toiletten gibt.“
WERDER.DE: Was würde deiner Meinung nach passieren, wenn sich ein Bundesliga-Profi als schwul outet?
Christian Linker: „Ich kann mich noch gut an das Coming Out von Thomas Hitzlsberger vor sechs Jahren erinnern. Zeitgleich waren wir auf einer QFF-Tagung. Der Presserummel war der helle Wahnsinn, wir durften den ganzen Tag Interviews geben und haben alle gedacht, danach verändert sich etwas. Erstaunlicherweise ist im Profi-Bereich kaum etwas passiert. Aber konkret auf die Frage: Ich glaube, in den meisten Stadien würde das heutzutage gut funktionieren. Die Kurven würden das positiv aufnehmen, es ginge nach kurzer Zeit wie bei jedem anderen Spieler um Leistung und Persönlichkeit und nicht um die sexuelle Identität. Ich glaube, wir wären soweit. Ich hoffe, dass das dann auch ein Vorbild für den Amateurfußball wäre, wo immer noch viele Angst haben, sich zu outen, am Spielfeldrand viele blöde Sprüche passieren.“
WERDER.DE: Es hat sich dennoch im Vergleich zum Zeitpunkt eurer Gründung vor zehn Jahren einiges verändert…
Christian Linker: „Die Gesellschaft verändert sich. Informationen helfen uns, Vorurteile abzubauen und einen klareren Blick zu bekommen. Eine Veränderung in den letzten zehn Jahren ist eindeutig erkennbar, die rechtliche Situation hat sich europaweit geändert und das wirkt sich auf den Fußball aus, bei dem die Fans auch ein Schnitt durch die Gesellschaft sind.“
WERDER.DE: Was wären die nächsten Meilensteine auf diesem Weg?
Christian Linker (überlegt): „Wenn Kinder nicht mehr die Vorurteile übernähmen, die ihre Großeltern und Eltern vielleicht noch hatten. Kinder sind neugierig und offen, wir Erwachsenen sind es, die ihnen ein bestimmtes Bild vermitteln. Dass wir irgendwann ganz selbstverständlich diverse Fußballprofis haben - und damit meine ich ganz explizit inter- und transsexuelle. Das wird heute oftmals vergessen. Und vielleicht schaffen wir es ja irgendwann noch mal ins Pokalfinale, mit Regenbogeneckfahnen im Olympiastadion.“